Kreis und quer:Keferloher Weisheit

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Steckt in jedem bayerischen Dorf mehr Verstand als in der Berliner Politik, wie Markus Söder behauptet hat? Und machen die schlauen Landbewohner von ihrem Hirnschmalz auch im Bierzelt Gebrauch?

Kolumne von Udo Watter, Landkreis München

Ödenpullach etwa. Oder Großhelfendorf. Arget, ein Straßendorf par excellence. Der Ismaninger Ortsteil Fischerhäuser? Sowieso. Alles Hochburgen der Intelligenzija im Vergleich zu diesem Bezirk Mitte da oben an der Spree mit seinen politischen Dämlacks. Oder anders gesagt: In jedem bayerischen Dorf steckt mehr Verstand als im Berliner Regierungsbündnis. Das hat der Ministerpräsident des erstaunlichsten Freistaats im Universum diese Woche verlautbaren lassen. Im Weiler Keferloh östlich von München, der normal rund 20 Einwohner hat, aber Anfang September sich regelmäßig füllt mit Hunderten Pferdemarkt- und Festzeltbesuchern, beim traditionellen Keferloher Montag.

Aber wie ernst ist Söders Eloge auf die Freiwillige Feuerwehr, auf die Kirche, auf den stärkeren Gemeinsinn im dörflichen Raum zu nehmen, aus denen sich der vermeintliche Verstandesvorsprung speist? Und was meint er genau mit Verstand? Ist das der viel zitierte gesunde Menschenverstand, der auf dem flachen Land flächendeckender obwaltet? Der einen instinktiv das Richtige tun lässt, also CSU zu wählen, oder zur Not auch Freie Wähler. Ein Akt geistig-moralischer Blüte, zu der die Großstädter - selbst in Bayern - mehrheitlich nicht heranzureifen vermögen?

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Im Gegensatz zu den woken Berliner Besserwissern lässt man in der weißblauen Heimat jedenfalls fünf auch mal grade sein und bis drei zählen kann man hier schon lange. Das gehört ja quasi zur stammesimmanenten Bierzelt- und Wirtshauskompetenz - wobei für manche auf "zwoa" schon "gsuffa" folgt. Die Art Verstand, die der strenge Oberaufklärer aus Mittelfranken eher nicht meint, ist die, welche ins links-intellektuelle, ökologisch-zeitgeistige Milieu führt. Dort, wo man das von Söder so gepriesene Dorf als kulturellen Topos gerne mal zum Ort konservativer Verstocktheit degradiert. Wo man in der Provinz nur bösen Kleingeist vermutet - ein Klassiker ist das Stück "Jagdszenen aus Niederbayern" von 1965, dessen bedeutungsbegriffliche Karriere aktuell wieder einen Schub bekommen könnte.

Der sehr intellektuelle Großstadtneurotiker Woody Allen hat sich in seinem Film "Die letzte Nacht des Boris Gruschenko" besonders gemein über etwaige kognitive Defizite in der Provinz lustig gemacht: In einer Szene macht sich da der lokale Dorftrottel auf zum Jahrestreffen der russischen Dorftrottel, in der folgenden wird er bei seiner Ankunft in Minsk von einem Schild empfangen mit der Aufschrift "Welcome Idiots". So was gäbe es in Ödenpullach, Fischerhäuser oder beim Keferloher Montag natürlich nicht. Überhaupt sollte der Landkreis München mit seiner fein ausbalancierten Struktur aus Dörflichem und Urbanem jeglichen Streits über den verstandesmäßigen Vorzug des einen über das andere Milieu enthoben sein. Bleibt eher die Frage, ob das Bierzelt die natürliche Heimat von Hirnschmalz ist.

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