„Ist das hier der Keferloher Montag?“, fragt der ältere Herr mit Sonnenbrille und im karierten Hemd in die Runde. Johannes Bußjäger, Vorsitzender des veranstaltenden Vereins, nickt und zeigt auf das versprengte Grüppchen in der Ecke des Bürgergartens auf dem Gut Keferloh. „Keine Politiker da?“, wollen der Mann und seine zwei Begleiter auch gleich noch wissen. Bußjäger verneint, zumindest keine hochrangigen. Die Leute müssen heuer mit Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) und ein paar weiteren Vertretern aus der Lokalpolitik vorliebnehmen. Gut 20 Gäste gruppieren sich um den Stammtisch, trinken, essen und ratschen. So schaut der Keferloher Montag im Jahr 2025 aus.
In früheren Zeiten hat sich zu dem Termin, der traditionell immer auf den ersten Montag im September fällt, die Politprominenz im Festzelt ein Stelldichein gegeben. Vor allem CSU-Granden nutzten Keferloh für ihre Auftritte: Edmund Stoiber ließ sich feiern, Horst Seehofer ebenso, Markus Söder war viele Male da, zuletzt 2023, und sogar die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte sich den symbolischen Strohhut auf, als sie 2009 nach Keferloh kam. Ihr Nachfolger Olaf Scholz, damals noch erster Bürgermeister von Hamburg, sprach 2017 auf Einladung der SPD im großen Festzelt, das damals mehrere Tage lang stand. CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek musste 2024 bereits in die Hubertus-Tenne ausweichen und sich mit knapp 200 Zuhörern begnügen. Denn ein Zelt gab es nicht.
Und heute? Da steht in Keferloh rein gar nichts, außer den alten Kastanien, Tischen und Stühlen im Biergarten, die an diesem sonnigen Vormittag mehr oder minder verwaist sind. Weil schon die Veranstaltung im vergangenen Jahr „keinem mehr so recht gefallen hat“, hätten sich die Mitglieder der Freunde des Keferloher Montag darauf verständigt, es heuer bei einem Stammtisch zu belassen, sagt Vorsitzender Johannes Bußjäger. Zu groß ist seinen Worten zufolge der finanzielle wie zeitliche Aufwand, um die weit über die Grenzen von Keferloh bekannte Veranstaltung zu organisieren. Schon nach der Unterbrechung in den drei Corona-Jahren habe man mit immer größeren Schwierigkeit zu kämpfen gehabt. Und so richtig in Schwung kommen wollte die Veranstaltung auch nach Ende der Pandemie nicht mehr.


So sei heuer erst Anfang Juli die Absage für den Aufbau eines Festzelts gekommen, schildert der 46-Jährige, auch die Auflagen für das Sicherheitskonzept seien für den kleinen Verein kaum zu erfüllen gewesen. „Aus eigener Tasche können wir das alles nicht mehr finanzieren“, sagt Bußjäger und verweist auf die allseits gestiegenen Kosten. Allein ein Zelt koste an die 22 000 Euro, für die gesamte Veranstaltung gehe „unter 45 000 Euro nichts mehr“. Die Ausrichter könnten zwar auf zweckgebundene Zuschüsse hoffen – und auf Spenden, „doch in Zeiten, wo überall das Geld knapp wird“, habe man das nicht gewollt, so Bußjäger. Und auch ehrenamtliche Helfer und Unterstützer seien nach der Pandemie nicht mehr leicht zu finden. Deshalb wird an diesem Montag nur im kleinen Kreis an eine jahrhundertelange Tradition erinnert.
Der Keferloher Montag galt einst als das größte Bierfest im Königreich Bayern
Der Keferloher Montag hat eine mehr als tausendjährige Geschichte und galt einst als das größte Bierfest im Königreich Bayern, zu dem Viehmarkt kamen unzählige Besucher, um Geschäfte zu machen – und zu trinken. Zurück geht die Veranstaltung auf das Jahr 995 nach der Schlacht von Lechfeld. Damals gestattete Graf Eberhard von Ebersberg den Hauptleuten Niklas und Baldhauser, die herrenlosen Pferde der besiegten Ungarn einzufangen und zu verkaufen, wie es in der Chronik der Freunde des Keferloher Montags nachzulesen ist. Im zwölften Jahrhundert öffnete sich der Markt dann dem sogenannten „Volksvergnügen“.

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Als Blütezeit werden das 17. und 18. Jahrhundert genannt, regelmäßig sollen bis zu 30 000 Menschen nach Keferloh gepilgert sein. Auf dem Gelände des Gasthofs Kreitmair gab es seinerzeit publikumswirksame Wettkämpfe, wie das Leistungspflügen oder das Schätzen des Gewichts von Rindviechern, zur Brotzeit wurden den Gästen schon zu diesen Zeiten politische Ansprachen serviert. Erst mit der Etablierung des Münchner Oktoberfestes büßte der Keferloher Markt an Beliebtheit ein. Bis zum Zweiten Weltkrieg galt er dennoch als eine der größten Viehschauen in Deutschland. Danach verlor er an Bedeutung, bereits in den Neunzigerjahren stand er vor dem Aus, ehe eine Initiative des Bauernverbandes und einige Bürger den Keferloher Montag wieder belebten.

Nun scheint es erneut so, als habe die Veranstaltung, einst eine Bühne für Kanzler, Ministerpräsidenten und politische Debatten, ihre besten Tage endgültig hinter sich. Johannes Bußjäger, der seit 2019 oberster Freund des Keferloher Montags ist, würde es eigenen Worten nach freilich sehr bedauern, wenn der Termin aus dem Kalender fallen würde. Ob er noch einmal für den Vorsitz des Vereins kandidieren wird, steht ebenso wenig fest, wie eine Ausrichtung der traditionsreichen Zusammenkunft im nächsten Jahr. „Es ist schade, dass es so ist“, sagt er, „aber irgendwann hörst du halt auf“.

