Süddeutsche Zeitung

Karrieretipps von Minister Guttenberg:Grüß dich, Elite!

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg redet in der TU München mit FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher über Karriere. Da lässt sogar Marcel Reich-Ranicki grüßen.

Tobias Dorfer

Hinter den Rednern Buchrücken. Macht von Niklas Luhmann und I have a dream über Martin Luther King. Darunter geht es an diesem Abend nicht. Frank Schirrmacher, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), hat auf der Bühne Platz genommen, um mit dem Lieblingsminister der Deutschen, Karl-Theodor zu Guttenberg, zu sprechen.

Um "Karriere, was man heute wissen muss" soll es gehen - so sieht es die Tagesordnung der Veranstaltung vor, zu der die FAZ und der Deutsche Hochschulverband am Dienstagabend geladen haben. Dafür haben sich manche Studenten bereits lange vor der Veranstaltung die besten Plätze reserviert. In den vorderen Reihen ist die Dichte der akkuraten Seitenscheitel, schwarzgerahmten Brillen und Vaio-Laptops besonders hoch. Mehr als 1000 Zuschauer haben es geschafft, dann ist das Audimax der TU München proppenvoll. Der Rest muss draußen bleiben. "Grüß dich, Elite!", sagt ein junger Mann in Jeans und Lederjacke zu einem Bekannten.

Glaubt man den einleitenden Worten von TU-Vizepräsident Thomas Hofmann, dann stehen den Studierenden tatsächlich gute Zeiten bevor. Der Professor beschreibt das technische Profil und die internationale Ausrichtung der Lehranstalt und erzählt stolz, dass die TU im Wettbewerb um die vielzitierten guten Forscher-Köpfe durchaus mithalten könnte, auch international. Viele sind Fachleute in technisch orientierten Berufen - da sind die Berufsaussichten der Absolventen ohnehin nicht schlecht. Aber was ist schon "nicht schlecht", wenn man ganz nach oben will?

Karl-Theodor zu Guttenberg hat genau das geschafft. Vor zwei Jahren gestartet als Abgeordneter im Bundestag, wurde er zum 99-Tage-Generalsekretär der CSU, ehe es der Aufsteiger im Politzirkus Anfang 2009 zum Wirtschafts- und später weiter zum Verteidigungsminister brachte.

Vorzeigeadliger und Heilsbringer

Inzwischen ist Guttenberg, gerade 39 Jahre alt geworden, Umfrageliebling, Vorzeigeadliger und Hoffnungsträger der gesamten Partei. Einer, der es schafft, die heilige Kuh Wehrpflicht zu zertrümmern, ohne selbst beschädigt zu werden. Einer, an dem selbst die unschöne Kundus-Affäre nicht kleben blieb. Einer, der sich vor eineinhalb Jahren in der Opel-Debatte und später in der Diskussion um die Wehrpflicht gegen das politische Establishment stellte - und heute dennoch von seiner Partei als Heilsbringer bejubelt wird. Wie schafft man so etwas?

Ziemlich gelassen sitzt Guttenberg auf dem knallroten Stuhl und redet von dem Mut zum Risiko, von Zufällen und davon, dass man Chancen, die sich einem bieten, auch ergreifen muss "und nicht aus dem Raum rennen" soll vor Schreck. Ohnehin dürfe man sich selbst nicht so wichtig nehmen, wie andere das zuweilen tun.

Natürlich war das Jurastudium auch für ihn mitunter "fürchterlich mühselig" und die eine oder andere Note sei "durchaus etwas dürftiger ausgefallen". Was aber auch daran lag, dass der heutige CSU-Star während seiner Studienzeit in München regelmäßig durch Glyptothek oder Pinakothek zog oder sich in der Philharmonie und der Staatsoper kulturellen Genüssen hingab.

Aber - und so ist es immer bei Guttenberg - auch vermeintliche Schwachpunkte werden schnell zu Stärken. Denn die Beschäftigung mit der Kultur habe seinen Horizont gewaltig erweitert. Sie klingt recht einfach, die Guttenberg'sche Erfolgsformel - wenn auch der Minister keinen Hehl daraus macht, dass ihm seine privilegierte Herkunft eine gewisse Unabhängigkeit verschaffe.

Vielleicht auch eine gewisse Unbekümmertheit. "In der Politik wartet kein Schwein auf einen", sagt Guttenberg. "Da muss man die anderen mit der Tatsache, dass man auch da ist, einfach mal erschrecken." Sogleich preist er Fremdsprachen als wichtiges Karriereinstrument. "Gehen Sie ins Ausland, um gestärkt wiederzukommen", ruft Guttenberg den Studierenden zu. Wieder so ein Erfolgsrezept des Ministers: Allgemeingültiges mit einem so bedeutenden Unterton zu formulieren, dass seine Zuhörer glauben, er habe eben das Ei des Kolumbus entdeckt.

Karriereplan: Fehlanzeige

Und weil man Karriere laut Guttenberg sowieso nicht planen kann, werden an diesem Abend auch ganz andere Themen gestreift. Es gibt ja auch so viel zu besprechen. Dass Frank Schirrmacher noch am Mittag mit Marcel Reich-Ranicki telefoniert, ihm von seinem Abendtermin erzählt hat - und der Literaturkritiker den CSU-Minister grüßen ließ. Dass Karl-Theodor zu Guttenbergs Cousin, der Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, durchaus in der Lage ist, das Wort "Selbstbewusstsein" fehlerfrei zu buchstabieren. Und dass das Durchschnittsalter der Zuschauer von Anne Will bei 65 Jahren liegt und weder Schirrmacher noch Guttenberg gerne in solche Talkshows gehen.

Natürlich wird auch die vom Verteidigungsminister angestoßene Bundeswehrreform samt Aussetzung der Wehrpflicht angesprochen. Die demographischen Probleme der Republik kommen für einige Minuten auf die Tagesordnung, ebenso die künftige Rolle Chinas in der Weltwirtschaft. Und selbst das Internet wird gestreift, wobei Guttenberg die leise Sorge äußert, vor lauter Google könne der gemeine Internetuser "das Nachdenken verkümmern" lassen.

Bei so viel Weltgewandtheit stellt sich natürlich die Frage, ob der Allrounder Karl-Theodor zu Guttenberg sich nicht vielleicht doch zu Höherem berufen fühlt. Und tatsächlich wagt ganz am Schluss ein junger Mann die Kanzler-Frage. Der Minister kontert: "Eher werde ich Trainer der deutschen Curling-Nationalmannschaft." Und rudert sofort zurück. Karriere sei nicht planbar. In der Politik schon gar nicht.

Man darf nur nicht aus dem Raum laufen, wenn man gefragt wird.

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