Süddeutsche Zeitung

Kallmann-Museum:Im Spannungsfeld von Kuss und Kitsch

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"What's Love?" in Ismaning zeigt die Liebe in ihren Ambivalenzen

Von Udo Watter, Ismaning

Himmelsmacht, Sinn des Lebens, Illusion, Mysterium - was ist die Liebe? Heinrich Heine sagte: "Das größte Rätsel ist die Liebe, doch wir wollen es nicht lösen." Die Frage ist freilich, könnten wir es überhaupt, selbst wenn wir es wollten?

Die neue Ausstellung im Ismaninger Kallmann-Museum "What is Love?" nimmt nicht für sich in Anspruch, diese Frage zu beantworten, sondern sie nähert sich dem Thema in vielen Facetten. "Wenn sich die Kunst an die Liebe herantraut, dann tut sie das mit all ihren Ambivalenzen", sagte Museumsleiter Rasmus Kleine auf der gut besuchten Vernissage am Freitagabend. Dabei gehöre das Thema - ein Dauerbrenner in Literatur, Film oder Musik - nicht zu den bevorzugten Sujets der zeitgenössischen Kunst. "Vielleicht wegen der Gefahr, ins Kitschige abzugleiten? Nur Klischees abzubilden?" Überhaupt: Wie lässt sich so ein nicht materialisierbares Gefühl darstellen?

Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern - Gemälde, Zeichnungen, Videos, Installationen, Schrift-Bilder - liefern inspirierende, betörende und verstörende Ansätze. Cornelia Schleime etwa spielt in ihren Gemälden reizvoll mit den Zwiespältigkeiten, welche Erotik oder Intimität inne wohnen können. Der Schein perfekter Laszivität oder Zärtlichkeit wird zugleich unterminiert. Generell geht es oft um das Brechen von erlernten Bilderwartungen.

Daniela Comani spürt in ihrer wunderbaren Fotoserie Rollenbildern einer glücklichen Ehe nach, während Verena Jaekel Familienkonstellationen mit gleichgeschlechtlicher Elternschaft thematisiert. Cornelius Völker malt riesige sinnliche Lippen, das Künstlerkollektiv Neozoon, zeigt Hausfrauen, die an ihren Haustieren Zärtlichkeitsgesten vollziehen. Julie Nymann thematisiert küssend das Begehren nach sich selbst, Sonja Alhäuser fesselt mit einer merkwürdigen Melange aus Drastik und Humor, die um Genuss, Sünde, Vergänglichkeit kreist. Irritierend das Projekt von Jenny Rova, die den öffentlichen Auftritten ihres Ex-Freundes bei Facebook folgt und sich mit überklebten Fotos an die Stelle seiner aktuellen Freundin setzt. "Er war meine große Liebe" sagt die Schwedin. Ja, das Scheitern der Liebe, die Eifersucht, auch das gehört dazu. Dann ist die Liebe keine Himmelsmacht, sondern eher Höllenqual.

"What's love? - Nähe, Begehren und Beziehungen" im Kallmann-Museum ist bis 13. Mai zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2018
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