Kabarett:Wahlkampf absurd

Martin Zingsheim, Kopfkino

Martin Zingsheim, 33, studierte Musik-, Theater-, und Filmwissenschaft und Philosophie. Seit 2006 ist der Kölner auf Kleinkunstbühnen unterwegs. 2016 bekam er für sein Programm den Salzburger Stier.

(Foto: Tomas Rodriguez/oh)

Kabarettist Martin Zingsheim hat die Werbeschlacht der Parteien zu einem Lied inspiriert. Anfang Oktober gastiert der Kölner in Neubiberg

Interview von Daniela Bode, Neubiberg

Er präsentiert Wortakrobatik und verzettelt sich in wahnwitzigen Assoziationsketten: Martin Zingsheim hat längst die Kabarettszene und Kleinkunstbühnen erobert, 2011 heimste er drei Preise in drei Tagen ein, und ist auch in Radio und Fernsehen präsent. Der 33-jährige Lockenkopf aus Köln tritt am Freitag, 6. Oktober, mit seinem aktuellen Soloprogramm "Kopfkino" in Neubiberg auf. Der promovierte Musikwissenschaftler spricht über die anstehende Bundestagswahl, die Ideen für seine Programme und die Leidenschaft für die Sprache.

SZ: In ihrem Song zur Bundestagswahl singen Sie von ihrer Frau, die Christian Lindner wählt, weil er gar nicht wie ein Politiker aussieht. Sie warnen gleichzeitig vorm Wählen - und vorm Nichtwählen. Ist wählen schwieriger geworden?

Martin Zingsheim: Zunächst handelt der Song von der FDP-Kampagne, weil sie extrem erfolgreich ist und es geschafft hat, zwischen all den anderen Wahlplakaten hervorzustechen. Andererseits ist so viel Marketing für einen Politiker fast gruselig. Außerdem handelt der Song davon, dass der Wahlkampf sprachlich absurd abläuft, weil alle Parteien Dinge fordern, für die sich eigentlich jeder begeistern kann. Wer hat schon etwas gegen Gerechtigkeit oder gegen schnelles Internet?

Also wählen oder nicht wählen?

Dieser Hype um die Bundestagswahl und die bedeutungsschwangere Aussage, "nicht wählen hilft den Falschen" verstellt den Punkt, dass politische Teilhabe vor allem zwischen den Wahlen stattfinden sollte. Trotzdem ist es albern, nicht mal sein Kreuzchen hinzubekommen. Es ist ja wichtig, dass die Gewählten auf einem breiten Fundament stehen. Dann kann man auch hinterher besser meckern.

Außer Politik widmen Sie sich Themen wie Gott und der Welt. Was inspiriert Sie zu ihren Nummern?

Der humoristische Blick auf die Welt zieht sich durch mein Leben. Meine Nummern entstehen jeden Tag ein Stück weit. Wenn mir etwas auffällt, notiere ich das sofort. Mein soziales Umfeld erträgt das geduldig, wenn ich mitten im Gespräch etwas aufschreibe. Fixe Themen sind bei mir Sprache, Ernährung, Religion und Politik.

Der Titel ihres Soloprogramms "Kopfkino" spielt darauf an, wie Sie eine Nummer im Kopf kreieren. Wie machen Sie das?

Ich werde das oft gefragt. Denn im meinen Programmen gibt es viele überraschende Wendungen. Tatsächlich schreibe ich nicht eine 15-minütige Geschichte auf. Ich versuche Gedanken ungefiltert in die Welt zu bringen, die Verrücktheit der Gedanken. Mein Programm handelt von Klischeegedanken und ist so verrückt gestrickt wie es in unseren Köpfen manchmal vor sich geht. "Es ist ein wildes Kopfkino, das Du auf die Bühne bringst", sagen mir viele nach der Vorstellung.

Wie klappt das, wenn Ihre drei Kinder um Sie herumwuseln?

Jetzt kommt's richtig dicke - ich hab' sogar vier. Natürlich sind Kinder auch ein riesiger Quell für Humoristisches. Ich kann sehr gut bei Krach und Durcheinander arbeiten. Wenn einer auf dem Klavier herumspringt und der andere im Bad weint, ist das für mich die ideale Büroatmosphäre.

Sie spielen toll Klavier, Sie singen gut, aber Sie lieben vor allem das Wort. Warum?

Ich bin tatsächlich vor vielen Jahren als Musiker gestartet. Irgendwann bin ich in die Comedyszene abgerutscht wie andere in die Drogenszene. Dann war ich beim Improtheater. 2010/2011 habe ich angefangen, selber zu sprechen und dachte mir: Ach guck mal, das geht ja auch ganz ohne Geklimper und Gesinge. Dann wurde es immer mehr Wortakrobatik. Kopfkino ist mittlerweile ein Wortprogramm. Ein wenig komponiert sind meine Texte immer noch. Sie sind nicht bloß eine Aneinanderreihung von Pointen, sondern ich arbeite viel mit Rhythmus und Klanglichem.

Sie haben viel erreicht: Sie haben eine Radioshow, treten im Fernsehen auf, haben mehrere Kabarettpreise gewonnen. Was haben Sie noch vor?

In Hildebrandt-Dekaden gerechnet stehe ich noch ganz am Anfang. Es gibt viele Dinge, die ich mir noch vorstellen kann. Ich würde gerne mal eine Oper inszenieren. Momentan bin ich aber gut beschäftigt mit meinen Programmen und meiner Sendung "Zingsheim braucht Gesellschaft" im Deutschlandfunk, die drei Tage nach der Wahl wieder auf Sendung gehen wird. Ich bin keiner, der viel vorausplant und lebe immer noch viel in den Tag hinein.

Karten für die Vorstellung im Haus für Weiterbildung, Rathausplatz 8, um 20 Uhr gibt es zu 20 Euro an der Abendkasse und 18 Euro im Vorverkauf.

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