Kabarett:"Oifach a Depp"

Kabarett: Martin Schönberger alias "der Binder" kämpft sich durch den Dschungel des Alltäglichen auf höchst vergnügliche Weise.

Martin Schönberger alias "der Binder" kämpft sich durch den Dschungel des Alltäglichen auf höchst vergnügliche Weise.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Oberpfälzer Kabarettist Helmut A. Binser zeigt beim Unterschleißheimer Zeltfest, wie wichtig die Interaktion zwischen Künstler und Publikum ist. Beim Singen, beim Lachen und beim Innehalten, wenn er von irrwitzigen Alltagsgeschichten erzählt

Von Andreas Sommer, Unterschleißheim

Vier Dinge sind für die Auftritte von Helmut A. Binser auch bei seinem neuen Bühnenprogramm "Ohne Freibier wär das nicht passiert" unverzichtbar: der Hut, die Gitarre, die Ziehharmonika und - vielleicht sogar am wichtigsten - die ein oder andere Halbe Bier. Beim Unterschleißheimer Zeltfest trat der gebürtige Oberpfälzer locker und lässig auf im Zirkuszelt zwischen Schwimmbad, Wäldchen und Sportanlagen in Lohhof. Diesmal kommt er jedoch nicht wie sonst allein auf die Bühne; das Problem ist nur: Seinen Begleiter kann nur er alleine sehen. Ob das am Alter liegt, immerhin geht er schon auf die 40 zu? Oder an den homöopathischen Mitteln, die ihm die Apothekerin etwas missverständlich gegen (das) Schnupfen verschrieben hat? Denn der Gesundheit wegen verzichtet er auf den Schnupftabak, der früher den fünften Teil seiner Arbeitsausrüstung darstellte. Doch der Binser hört auf das, was ihm gesagt wird, und schnupft seitdem in gutem Glauben seine Globuli.

Mit seiner authentischen Art und der Interaktion mit dem Publikum stellt Binser schnell einen guten Draht zu den Zuhörern her. Der reicht zuweilen so weit, dass "der Binser" selbst den Faden verliert und zweimal dieselbe Strophe anstimmt, weil er auf Zwischenrufe antwortet oder eine seiner unzähligen urkomischen Anekdoten anbringen will. Die handeln meist von allerlei Absurditäten, die der Alltag zu bieten hat oder von vergangenen Shows. Um die 100 Auftritte sind es bisweilen pro Jahr.

Bei Binsers zweitem Gastspiel auf dem Zeltfestival, der erste war vor zwei Jahren, überzeugt der Nordbayer, der mit bürgerlichem Namen Martin Schönberger heißt, das volle Zirkuszelt mit Wortwitz, durchaus eingängigen Melodien und unerwarteten Pointen. Einzig ein wissendes Lächeln kündigt diese schon an. In seinen Liedern, abwechselnd von der Gitarre oder Ziehharmonika begleitet, bindet er besonders gerne die Zuhörer ein. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil man sich selbst herrlich einfach in die Welt des Helmut A. Binser hineinversetzen kann. Jeder kennt diesen Nachbarn, der "oifach a Depp is" oder ist manchmal etwas befremdet von der schönen neuen Welt des Internets. So kann jeder mitpfeifen, die Reime beenden oder in den Refrain einstimmen.

Selbstverständlich darf auch die ein oder andere bitterböse Spitze nicht fehlen. Gerade die Handvoll Sechzigerfans hatte an dem Abend einiges über sich ergehen zu lassen. Ähnlich erging es aber auch Schwaben, Österreichern oder wer sonst gerade ins Kreuzfeuer geriet. Allerdings nimmt sich der Komödiant auch selbst nie zu ernst und gerne seinen oberpfälzer Dialekt mit seinem berühmten bellenden "ou"-Diphtong auf die Schippe. Oder das männliche Geschlecht, als er beispielsweise wieder einmal den Valentinstag vergessen hat und beim Versuch, Blumen zu kaufen, in der Kneipe versackt ist. Generell ist, das prophezeit der Titel des Programms ja schon, der Alkohol immer wieder Thema. Wenn es Freibier gebe und er wisse nicht "wou", wäre das für ihn schlimmer als Donald Trump und Kim Jong Un. Oder anders gesagt: So schlimm, wie wenn Sommerschlussverkauf wäre und seine Frau wisse nicht "wou". Wenn er aber gerade nicht mit dem Nachbarn streitet oder auf der Suche nach Freibier verzweifelt, wirkt der Binser lebensfroh, gemütlich - eben ein echter Bayer aus dem Bilderbuch.

Sein Programm ist jedoch keineswegs auf Wortwitze und Seitenhiebe beschränkt, oftmals sind die Lieder auch hintersinnig und durchaus mit Botschaft versehen. Die Zugabe beispielsweise handelt von den Menschen, die auf keinem roten Teppich gehen und nicht auf Modeschauen zu sehen sind, also alle "greislichen Menschen dieser Welt". Und doch sind es gerade diese Leute, die arbeiten, die alltägliche Dinge tun, die dafür sorgen, dass alles seinen geregelten Gang läuft. Eben wie du und ich, scheint er sagen zu wollen.

Und dass Martin Schönberger auch in der Pause und nach der Show bei den Zuschauern verweilt, für Fragen, Fotos und Autogramme zu haben ist, macht ihn umso nahbarer. Er wirkt nicht wie ein Komödiant, der ganze Stadien füllt, bei dem man jedoch nicht weiß, ob er die Rolle nur spielt. Binser kauft man ab, trotz seines alias, dass er privat dieselbe Person ist, dass er sich nicht verstellen muss auf der Bühne. Sympathisch auch, dass sein Programm nicht von der ersten Minute bis zur letzten durchgeplant ist, sondern immer noch Platz für Spontanität und das Spiel mit Zuschauern bleibt.

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