Kabarett:Gute Nacht, Abendland

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Severin Groebner trägt bei seinen Auftritten Schlafanzug. Schließlich ist morgen Weltuntergang. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Wiener Severin Groebner macht sich in seinem neuen Programm über die Endzeitrhetorik der Neuen Rechten lustig. An diesem Donnerstag tritt er im Bürgerhaus Pullach auf

Von Udo Watter, Pullach

Die kulturelle Identität des Abendlandes zu verteidigen, gehört zu den nobelsten Pflichten der Neuen Rechten. Sie sehen sie gefährdet durch Islamisierung und Massenzuwanderung und sich selbst als intellektuelle Freiheitskämpfer wider eine vermeintliche linksliberale Gesinnungsdiktatur. Severin Groebner, bald 50, ist zwar ein in Österreich geborener, heterosexueller weißer Mann und gehört diesem Weltbild nach zu einer besonders gefährdeten Spezies, aber wer Groebners Identität verteidigen will, hätte viel zu tun. Das jedenfalls gibt der gebürtige Wiener respektive sein Bühnen-Alter-Ego in seinem aktuellen Programm "Der Abendgang des Unterlandes" zu bedenken. Wenn der vielfach prämierte Kabarettist darin über seine "Identität" spricht, dann entlarvt er mit einem immer grotesker anmutenden Sammelsurium an verwandtschaftlichen Verwurzelungen die Idee einer homogenen europäischen Kultur als Chimäre. Er kommt zu dem Schluss: "Meine Nation ist die Kombination." Für Menschen, die einen Staat wollen, in dem alle gleich aussehen und einer sagt, wo's lang geht, hat er folgendenden Rat bereit: "Werden Sie Ameise!" Allerdings müsse man dann auch damit zurechtkommen, dass der Chef in Wirklichkeit eine Chefin ist.

An diesem Donnerstag gastiert Severin Groebner mit seinem Programm im Bürgerhaus Pullach - Anfang Juni zeigt er es zudem in der Grundschule in Neubiberg - und das Publikum dort darf sich auf eine temporeiche Vorstellung mit vielen gescheiten Gedanken freuen, die der 49-Jährige im Schlafanzug präsentiert - schließlich ist ja morgen Weltuntergang.

Seine Prämisse "Der Mensch im Abendland ist orientierungslos" ist dabei nicht ganz frei von Ironie. Gleichwohl hat sich Groebner, der auf der Bühne agil zwischen Philosophie und Kalauer, Slapstick und Tiefsinn, Wortwitz und Kasperletheater wechselt, auf die Fahnen geschrieben, "100 Minuten praktische Orientierungshilfe für den überforderten okzidentalen Endverbraucher" zu gewähren.

Als Sohn der untergangsverliebten Stadt Wien, in der das Faible fürs Morbide und eine Zentralfriedhof-Romantik zur charakterlichen Grundausstattung gehören, ist er natürlich prädestiniert, über die Vielfalt apokalyptischer Facetten zu parlieren. Ob man nun wirklich Angst vor dem Weltuntergang oder doch vielmehr vor dem Untergang bestimmter Weltbilder hat, ist dabei eine Frage des Blickwinkels. Dass sich der "weiße, heterosexuelle Mann in der Krise" befindet, ist hingegen keine Frage. Er weiß ja gar nicht mehr, wohin, denn - so Groebner maliziös: "In den Unternehmensetagen, Vorständen, Aufsichtsräten, Politik, Justiz: überall nur schwarzafrikanischen Lesbierinnen. Oder Transgender-Indios. Oder schwule Aborigines."

Götterdämmerung allerorten also - und als Sinnbild dafür verwendet Severin Groebner den großen, alten, weißen Mann, der einst als Stier verkleidet die phönizische Prinzessin Europa höchstselbst aus dem Morgenland auf unseren Kontinent brachte und damit quasi zur Einwanderung zwang: den griechischen Göttervater Zeus. Der Verlust der Macht freilich wäre für den Gott vielleicht noch verschmerzbar, aber als Unsterblicher hat er ein fatales Problem. "Ich kann mich nicht einmal umbringen."

Severin Groebner zeigt am Donnerstag, 11. April, im Bürgerhaus Pullach sein Programm "Der Abendgang des Unterlandes". Beginn 20 Uhr. Karten gibt es unter www.buergerhaus-pullach.de respektive www.reservix.de.

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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