Kultur:So mittel

Lesezeit: 3 Min.

Weder Kabarett noch Kandidatin: Anstelle der erkrankten Aerial-Artist-Weltmeisterin Julia Wahl tritt die Akrobatin Felicia Schneider im Zwischenprogramm auf. (Foto: Claus Schunk)

Der zum 22. Mal ausgetragene Ottobrunner Kabarett-Wettbewerb "Amici Artium" findet in dem Hamburger Jan Bätz einen klaren Sieger - und sorgt ansonsten für manche Überraschung.

Von Sophia Coper, Ottobrunn

Von Zweisamkeit keine Spur, doch ein wenig fühlt sich der Kabarett-Wettbewerb "Amici Artium" nach einem platonischen ersten Rendezvous an. Man weiß ungefähr, was einen erwartet, aber der tatsächliche Verlauf des Abends ist völlig ungewiss.

Bereits zum 22. Mal haben am Samstag der Theaterregisseur Bernd Seidel und der Schauspieler Patrick Gabriel mit ihrer Kreativ-Akademie in das Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn eingeladen, wo an voll besetzten Tischen im ausverkauften Festsaal mit Bier und Aperol angestoßen wird. Auch Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) sitzt im Publikum, in seiner kurzen Begrüßungsrede spricht er von einem "absoluten Pflichttermin".

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Unter der Moderation von Bernd Seidel traten sechs Kandidaten und Kandidatinnen hintereinander auf die Bühne, um in einem je 15-minütigen Programm Gäste und Fachjury von ihrem Können zu überzeugen. Neben gut dotierten Preisen bietet der Wettbewerb für die kabarettistisch Debütierenden vor allem die Gelegenheit, das eigene Können auf das Karrierepotenzial hin auszutesten — ehemalige Teilnehmende und später erfolgreiche Comedians wie Max Uthoff, Claus von Wagner oder Martina Schwarzmann zeugen von dem Ottobrunner Sprungbrettcharakter.

Mit politischem Programm: David Berlinghof aus Starnberg, der den dritten Platz gewann. (Foto: Claus Schunk)

Abwechslungsreich und bunt gestaltete sich das rund dreistündige Programm, dessen Zeitplan bemerkenswert penibel eingehalten wurde. Der Starnberger David Berlinghof, der am Ende den 3. Platz holte, steuerte den am stärksten politischen Beitrag des Abends bei: In der Rolle als Landmaschinenmechaniker sorgte er sich um die Zukunft des Dieselmotors bei Traktoren und warnte vor den Folgen für Kinder, die ohne "Brumm-Brumm" aufwachsen. "Die werden ledig und grün." Nach ihm trat die Österreicherin Anja Kaller ins Scheinwerferlicht, der man ihre langjährige musikalische Ausbildung und kabarettistische Erfahrung durchaus anmerkte, was denn auch die Jury mit dem zweiten Platz belohnte. Obgleich ihre Programmschwerpunkte mehr von Wiedererkennungswert als Originalität geprägt waren (Stichwort: Männerschnupfen), vermittelte ihr Auftritt als einziger den Eindruck eines ausgearbeiteten Kurzprogramms mit durchgehendem rotem Faden.

Mit Erfahrung statt Originalität: die zweitplatzierte Anja Kaller aus Österreich. (Foto: Claus Schunk)

Unumstrittener Sieger des Abends - sowohl bei der Jury als auch beim Publikum - war jedoch der Hamburger Jan Bätz. Direkt zum Anfang verkündete er, endlich sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben und schob nach bestärkendem Beifall des Publikums nach, dass er jetzt Drogendealer sei. Bätzs 15 Minuten waren gespickt von überraschenden Wendungen und selbstironischen Kommentaren, deren Pointen niemals daneben lagen. Mit einer Gitarre in der Hand sang er "Wie krass bin ich denn?" und ließ die Gäste "Na ja, so mittel" antworten. "Nichts erdet einen mehr, als das von 300 Leuten gesagt zu bekommen", rief er in den Festsaal hinein.

Unumstrittener Sieger in Ottobrunn: der Hamburger Jan Bätz. (Foto: Claus Schunk)

Viele Fragezeichen hingegen hinterließ der Beitrag Sarah Wittmanns aus dem bayerischen Altmühltal. Akustisch schwer verständlich und teilweise völlig zusammenhangslos sprach sie von blutenden Bergspitzen und toten Kindern, die in einer Zwischenwelt gefangen seien. Von Moderator Bernd Seidel als Künstlerin angekündigt, die durch Bühnenarbeit versuche, die eigene schwere Krankheit zu verarbeiten, hatte Wittmann wahrscheinlich nur gute Absichten, indes aber das falsche Podium dafür gewählt.

Nach Ablauf ihrer Zeit beendete Seidel respektvoll, aber bestimmt ihren Auftritt. "Ich bin selbst etwas verwirrt", ließ er direkt verlauten, bedankte sich jedoch trotzdem bei Wittmann. "Es gibt verschiedene Kunstrichtungen und wir sind tolerant für viele Dinge. Wir fahren nicht einspurig, das kann auch mal schiefgehen", fing er die Situation wieder ein. Später abseits der Bühne fand der fast 70-Jährige ähnlich rücksichtsvolle Worte, räumte jedoch ein, dass Wittmann sich mit einem anderen Programm bei ihm beworben habe.

Für die erkrankte Weltmeisterin tritt kurzfristig gebuchter Ersatz an der Eisenstange auf

Generell leitete Seidel, der seit 35 Jahren die Ottobrunner Kulturszene maßgeblich mitgestaltet, sehr souverän und mit provokantem Witz durch die Veranstaltung. Seine Bedeutung für den Wettbewerb machte sich auch in der Zusammensetzung der dreiköpfigen Fachjury bemerkbar, die aus Ensemblemitgliedern seines kürzlich uraufgeführten Stückes "The Spirit of Love" bestand. "Wir haben auf die Verbindung zum Publikum, die Gag-Dichte und die Präsenz der Teilnehmer geachtet", hieß es dort. Die Entscheidung für Jan Bätz als Sieger habe keiner Diskussion bedurft.

Als Überraschungs-Highlights rundeten Stangentänzerin Felicitas Schneider und Clown "Klikusch" die Veranstaltung im Wolf-Ferrari-Haus ab. Kurzfristig als Ersatz für die erkrankte Pole-Tänzerin und Aerial-Artist-Weltmeisterin Julia Wahl gebucht, begeisterten die beiden mit ihren Soloprogrammen die Gäste. Vor allem Klikusch alias Alexander Geiger hatte mehr Lacher auf seiner Seite als mancher Kabarettist des Abends.

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