Auf Jannik Obenhoffs Fotos ist es erstaunlich still. Da ist nur die Natur in ihrer Pracht, kein technisches Klimbim, kein Actionspektakel. Der 16 Jahre alte Schüler aus Unterschleißheim veröffentlicht seit dreieinhalb Jahren Landschaftsbilder über Instagram und erfreut sich dort großer Beliebtheit; sechshunderttausend Abonnenten hat er bereits, das heißt mehr als eine halbe Million Fans, die benachrichtigt werden, wenn der Elftklässler eine neue Aufnahme ins Netz stellt.
Die Social Media Plattform Instagram ist vielen als aufgetunte Bilderwerkstatt bekannt, in der es vorrangig um eine gelungene Selbstdarstellung, einen hippen Lifestyle oder die Vermarktung neuer Sneaker und Beauty-Produkte geht. Und doch; der Erfolg der App rührt bei weitem nicht nur von Selfies und Strandvideos her. Der Online-Dienst bringt Menschen zusammen, die unterschiedlichste Interessen und Bildergalerien teilen.
Gerade die Sparte der Outdoor-Fotografie erlebt zur Zeit einen Aufschwung und hat viele Fans. Auslöser von zig Kommentaren können in diesem Rahmen auch mal eine violette Wasserspiegelung oder die Lichtreflexion auf einem Fischerboot im Nebeldunst sein. Das beweisen spätestens Obenhoffs Schnappschüsse, die begeisterte Reaktionen auf der ganzen Welt hervorrufen.
Natürlich sind die Aufnahmen des 16-Jährigen keine Zufallstreffer. Insofern schließen seine Bilder durchaus an die inszenierten Lebensrealitäten anderer Instagram-Nutzer an: Jede seiner Fotografien ist aufwendig komponiert und nachbearbeitet. Wobei der Schüler sogleich klarstellt: "Bei einem Bild, das nicht gut aussieht, sollte man nicht versuchen, es durch die Bearbeitung zu retten. Eine Nachbearbeitung gibt einer guten Aufnahme einfach noch so ein gewisses Etwas."
Für natürliche, gute Lichtverhältnisse steht Obenhoff mitunter auch um vier Uhr morgens auf. Dann geht es darum, einen Berggipfel noch vor Sonnenaufgang zu erklimmen oder einen der bayerischen Seen im ersten Morgenlicht einzufangen. Zu seinen Favoriten gehören der Eibsee bei Garmisch, der Königssee im Berchtesgadener Land oder der Walchen- und der Kochelsee.
Die Alpen sind kein unbedingtes Muss mehr
Kürzlich begleitete das Bayerische Fernsehen den Elftklässler zum Walchensee und dokumentierte die Arbeitsweise des jungen Fotografen, der sich für seine Streifzüge nicht nur mit einer Kamera bewaffnet, sondern auch noch eine Drohne für Luftaufnahmen mit sich trägt. Es war noch früher Morgen, als der Schüler gelassen vor laufender Kamera erklärte, er wolle den Kontrast zwischen den grünen und den braunen Baumkronen einfangen und hoffe, die Spiegelung eines Bootshauses auf dem Wasser festzuhalten.
Was der BR in seiner Kurzdoku über den Instagramer später als "Heimatfotos" bezeichnete, sind ohne Frage Aufnahmen, die gerade die unaufgeregte Schönheit von Bayerns Gebirgslandschaft hervorkehren. Doch für den Unterschleißheimer sind die Alpen zwar ein dankbares Motiv, aber schon längst kein unbedingtes Muss mehr: "Ich habe am meisten Zeit dort verbracht, auch weil sie am leichtesten zu erreichen sind und sie entsprechend oft fotografiert", erzählt er auf eine sehr präsente und gleichzeitig zurückgenommene Art.
"Früher sind wir mit den Eltern und Freunden oft wandern gegangen, haben ab und zu mal auf einer Hütte übernachtet. Dadurch konnte ich beides gut verbinden, wandern und fotografieren. Über Instagram habe ich jetzt andere Leute in meinem Alter aus der Gegend kennengelernt, die auch Fotos posten und mit denen fahre ich nun am Wochenende öfter in die Berge."
Früher musste er sich an die öffentlichen Verkehrsmittel halten, sie haben sich mit der BOB oder S-Bahn auf den Weg gemacht und sind im Anschluss mit dem Fahrrad weitergezogen, mittlerweile haben die Älteren aus der Gruppe einen Führerschein - das sei merklich "bequemer". Jannik Obenhoff ist ein Fan der Dolomiten, zeigt sich aber auch von Österreich und der Schweiz sehr angetan. "Auf längere Sicht sind für mich Kanada, Patagonien und Island interessante Ziele."
Erst diese Osterferien ist der Schüler aus Unterschleißheim mit zwei anderen Jungfotografen in die Schweiz gefahren, um gemeinsam neue Motive zu entdecken. Bei Instagram ist jetzt eine Aufnahme zu sehen, die den Schweizer Obersee im Dämmerlicht zeigt. Ein dramatisches Spiel der Farben - am steinigen Ufer hebt sich ein orange glühendes Lagerfeuer gegen das schwere, matte Blau des Obersees ab, zusätzlich unterstützt durch ein bedrohliches Bergmassiv im Hintergrund. Eine Person ist angedeutet, man erkennt einen Arm und gebeugte Knie - ein leiser Verweis auf die Anwesenheit der Jugendlichen, die hier ihr abendliches Zeltlager aufgeschlagen hatten.
"Es war schon etwas kalt in der Nacht", räumt der 16-Jährige ein. Aber er lächelt. Man sieht ihm an, wie sehr sich die viereinhalb Tage gelohnt haben. "Wir sind alle drei als Instagrammer unterwegs gewesen, aber das bedeutet nicht, dass wir zu dritt in einer Reihe standen, um alle dasselbe Bild zu machen. Jeder hat seinen eigenen Blickwinkel."
Der junge Fotograf betont das Miteinander beim Arbeiten, die Hilfestellung, die sich die Jugendlichen untereinander bieten: "Manchmal sagt man: "komm, geh doch mal dorthin, dann mache ich ein Foto von dir, das fügt sich gerade gut in die Komposition." Daher steht bei Janniks Aufnahmen von verlassenen Bootshäusern, einsamen Segelbooten und Gebirgsketten hin und wieder ein Einzelner zwischen Bildvordergrund und Naturkulisse.
Auf einem Foto vom Königssee, das von einer spiegelglatten Wasseroberfläche in zwei Hälften geteilt wird, sitzt Janniks Foto-Kompagnon Noah Yager vor der Naturszenerie, die sich wie ein Schauspiel vor ihm auftut. Vom Betrachter abgewandt setzt dieser menschliche Körper die Maße von Felsen und Gebirgssee in Relation.
Und: Er leitet den Blick des Betrachters, der automatisch der Person im Bild und ihrer Sichtachse folgt. Ein Effekt, den schon die Malerei der deutschen Romantik kannte. Nicht ohne Grund blickt man den Protagonisten der Bilder von Caspar David Friedrich immer über die Schulter: Rezipient und Reisender werden eins. "Der Wanderer über dem Nebelmeer" thront zwar mutterseelenallein auf einem dunklen Felsen, in die verheißungsvolle Ferne sieht er aber gemeinsam mit dem Betrachter.
Man glaubt es kaum, aber das Stilmittel entpuppt sich auch in den Gefilden der sozialen Medien als bewährte Methode. "Meine Oma hat das auch angesprochen", sagt Jannik Obenhoff schmunzelnd, "wir haben es zusammen recherchiert. Echt ähnlich, ich musste ihr zustimmen. Ich habe es aber nicht bewusst angewandt."
Andererseits - was in der Kunst passiert schon bewusst und was nicht?