Süddeutsche Zeitung

Julia Stegner:Das Top-Model aus Ismaning

Julia Stegner gehört zu den gefragtesten Models - privat verzichtet sie auf Make-up, zeigt sich lieber schlicht und gibt sich sehr heimatverbunden.

Anna Günther

Sie läuft über die Laufstege in New York, Mailand und Paris, doch an Heilig Abend sitzt Julia Stegner mit ihrer Familie in der Kirche Sankt Johann Baptist in Ismaning. Sie ziert die Cover der großen Modemagazine und gehört zu den gefragtesten Topmodels der Welt, aber in ihrer Freizeit verzichtet sie auf Make-up und kleidet sich bevorzugt schlicht. Sie führt ein Leben, von dem viele junge Mädchen träumen - am liebsten jedoch verbringt Julia Stegner ihre Zeit mit Freunden oder ihrem Hund Kaspar.

Seit 2004 wohnt Stegner in New York, doch "in Ismaning bin ich daheim", sagt sie. Heimat bedeutet für sie, ihre Familie um sich zu haben. So oft es ihr Kalender erlaubt, kehrt das Model ins Münchner Umland zurück - im Sommer und besonders an Weihnachten. Traditionen sind ihr wichtig, auch dieses Jahr folgten auf die Christmette Bescherung und Raclette. Die Ente am ersten und der Geburtstagskuchen ihrer Schwester Jeanette am zweiten Weihnachtsfeiertag gehören dazu - verzichtet hat das Model auf nichts: Sie liebe Süßigkeiten und herzhaftes Essen, sagt sie. Um die Maße 84 - 61 - 89 zu halten, trimmt sie ihren Körper mit Fitnesstraining oder spielt Basketball.

Julia Stegner war 14 Jahre alt, als Louisa von Minckwitz sie auf dem Oktoberfest entdeckte und in ihrer Agentur Louisa Models unter Vertrag nahm. Wichtiger als die schnelle Karriere war Stegner allerdings der Realschulabschluss. Erst mit 18 Jahren begann die 1,80 Meter große Blondine mit den grünen Augen hauptberuflich zu modeln - bereits ein Jahr später eröffnete sie die Modenschau von Yves Saint Laurent in Paris und schaffte den internationalen Durchbruch. Seither arbeitet sie mit den großen Modehäusern und den begehrtesten Fotografen wie Mario Testino oder Steven Meisel zusammen. Karl Lagerfeld etwa hält sie für die "beste Deutsche seit der frühen Claudia Schiffer" - aber dieses Kompliment lässt Julia Stegner nicht abheben:

"Natürlich ist das eine Ehre, und ich freue mich darüber, aber was mache ich denn schon Großartiges? Ich bin keine Ärztin, rette keine Leben und habe kein Medikament gegen Aids gefunden." Eine Antwort, die Models parat haben sollten - doch Stegner glaubt an ihre Worte, sie sieht ihren Job durchaus kritisch.

"Das Business ist sehr fake und es wird viel hintenrum geredet", sagt Stegner. Trotzdem hat sie eine Vertraute gefunden: Luca Gadjus, ebenfalls Topmodel. "Wir haben uns sofort super verstanden - vielleicht weil wir beide Deutsche sind", sagt Julia Stegner. Nach dem Aufenthalt daheim in Ismaning fliegt sie nach Berlin und feiert mit ihr Silvester.

Bereits vor fünf Jahren gehörte Stegner zu den erfolgreichsten Topmodels - ihr Markenwert überstieg sogar den Heidi Klums, nur das tschechische Model Karolina Kurkova verdiente noch mehr. Aber die Konkurrenz steigt, nicht nur wegen der immer jüngeren Mädchen in dem Geschäft. In den vergangenen Jahren kürten viele Designer sogenannte Socialites zu ihren Musen, also schöne junge Frauen der Top-Society, die durch ständige Präsenz auf roten Teppichen bekannt wurden. Models haben immer seltener dauerhaften Erfolg.

Auch Julia Stegner verspürt den wachsenden Druck. Ohne Disziplin, Selbstbewusstsein und Persönlichkeit sei es schwer, den Konkurrenzkampf und die ständigen Vergleiche mit den anderen Mädchen auszuhalten. "Ich war nie sehr selbstbewusst", gibt Julia Stegner offen zu, "und plötzlich fallen einem Makel auf, die man sonst nie bemerkt hätte." Sie selbst läuft seit zwei Jahren keine Modenschauen mehr. "Ich würde wahrscheinlich gar nicht mehr in die Kleider passen", sagt die 26-Jährige - sie trägt Konfektionsgröße 36. Sie muss sich das auch nicht mehr antun, dank lukrativer Werbeverträge ist sie sehr gut im Geschäft. Im November zeigte sich das Model erstmals nach einem Sehnenrisses wieder in hohen Schuhen auf dem Laufsteg und präsentierte bei der "Victoria's Secret"-Modenschau die neue Kollektion des Dessous-Herstellers.

Den Magerwahn in der Modebranche sieht Stegner kritisch, aber sie weiß, dass sich nichts ändern wird. Die Modeschöpfer bekommen bei Castings nur dünne Mädchen vorgesetzt, die Agenturen rechtfertigen sich damit, dass die Designer nur die grazilsten Frauen buchen. "Das Business ist einfach so", sagt sie.

Obwohl Julia Stegner noch dick im Geschäft ist, denkt sie schon an die Zeit nach ihrer Modelkarriere. Sie möchte ihr Fachabitur nachholen, studieren und sich noch stärker als Unicef-Botschafterin engagieren. Und dann wird die 26-Jährige wieder nach Deutschland ziehen.

Nach München oder Berlin, das ist noch offen. Nur Weihnachten wird sie wieder in Ismaning feiern.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2010
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