Politische Bildung:Von Pizza und Pasta zur Politik

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„Mach dir klar: Welches Thema interessiert dich?“ Politik-Influencerin Livia Josephine Kerp mit  Tobias Scheurer von "Ismaning bleibt bunt" im Zap. (Foto: Robert Haas)

Die Landtags-Mitarbeiterin und Influencerin Livia Josephine Kerp animiert Kinder und Jugendliche im Ismaninger Jugendzentrum dazu, sich frühzeitig zu engagieren - auch wenn das am Anfang schwierig ist.

Von Laura Geigenberger, Ismaning

Demokratie beginnt bereits am Essenstisch, sagt Livia Josephine Kerp – in der hitzigen Debatte einer Familie etwa, ob es lieber Pizza oder Pasta zum Abendessen geben soll. Eltern und Kinder verhandeln also: Darf die Mehrheit bestimmen? Oder freuen sich die Hungrigen über einen Besuch beim Italiener, wo sich alle das Gericht ihrer Wahl bestellen können? „Jeder kann ja seine eigene Meinung haben, auf was er Lust hat“, so Kerp. „Wenn man da dann zu einem Konsens kommt, mit dem die Mehrheit oder, im Idealfall, alle leben können, ist das schon eine demokratische Entscheidung.“

Kerp, 23 Jahre alt, arbeitet als Videoredakteurin und Onlinereferentin im bayerischen Landtag. Sie bezeichnet sich selbst als „Politik-Influencerin“: Bereits als 13-Jährige gründete die Münchnerin einen Blog; mit 18 schrieb sie ein Buch, das junge Leserinnen und Leser niederschwellig an die komplizierte Welt des Staatswesens heranführen soll. Denn Politik und Demokratie, so erklärt es Kerp auch den jungen Zuhörerinnen und Zuhörern am Dienstagabend in der Ismaninger Jugendfreizeitstätte Zap, hat oft viel mehr mit dem eigenen Alltag zu tun, als gedacht – und geht deshalb jeden etwas an.

„How to Bundestag“ lautet das Motto der interaktiven Podiumsdiskussion, zu welcher der Verein „Ismaning bleibt bunt“ insbesondere Jugendliche ab 14 Jahre eingeladen hat. Entgegen dem Titel soll es weniger um die Formalitäten des deutschen Parlaments und vielmehr darum gehen, dass Politik und demokratische Vorgänge auch bereits für junge Menschen nahbar sein können.

Neben Kerp als Gastrednerin beteiligen sich noch die Zap-Sozialarbeiterin Melanie Lechner und der Geschichtslehrer Tobias Scheurer von „Ismaning bleibt bunt“. Acht Kinder und Jugendliche, die meisten von ihnen jünger als 16 Jahre, sowie eine Handvoll Eltern sind an diesem Abend gekommen; die schwarzen Stühle im Zuschauerraum vor der Bühne damit etwa zur Hälfte besetzt.

„Die Welt wird tendenziell schwieriger zu verstehen“, glaubt Scheurer. Aus Studien wisse er, dass die Angst vor der Zukunft bei Jugendlichen und damit teils auch die Politikverdrossenheit stark zunehme. Gerade in solchen Krisenzeiten sei die Demokratie in diesem Land und die Verantwortung eines jeden einzelnen, diese aufrechtzuerhalten, wichtiger denn je.

„Durch unser Staatssystem kann man aktiv mitentscheiden“, sagt der 28-jährige Pädagoge und bekommt Zuspruch von Sozialpädagogin Melanie Lechner. „Veränderungen erfordern bewusste Entscheidungen“, sagt sie. „Wir leben in einem Land, in dem wir ansprechen können, was uns nervt, und jemanden finden und wählen können, der sich für diese Themen einsetzt. Das ist ein Privileg.“

„Auch wenn man noch nicht wählen kann, heißt das nicht, dass man sich nicht für Politik interessieren kann“

Genau genommen beginne politisches Handeln aber nicht erst mit dem Gang zur Urne im Erwachsenenalter, sagt Livia Josephine Kerp. „Auch wenn man noch nicht wählen kann, heißt das nicht, dass man sich nicht für Politik interessieren kann.“ Die Grundlage einer Demokratie beruhe darauf, sich sorgfältig zu informieren, eigene Meinungen zu bilden und mit anderen Menschen darüber zu diskutieren. Neugier sei der Schlüssel. „Sucht euch Themen, die euch interessieren und fragt nach“, ermutigt Kerp das Publikum. „Das finde ich unfassbar cool und wichtig. Kritisch sein ist nichts Schlechtes.“

Doch wie kann man sich als junger Mensch auch außerhalb von zuhause engagieren und mehr erreichen, will der 16-jährige Lennie wissen. Die Möglichkeiten seien vielfältig, „vor allem in München“, glaubt Lehrer Tobias Scheurer. An Schulen könne man sich in der Schülervertretung einbringen; das Mindestalter, um einer Partei beizutreten, liegt bei 14 Jahren. Auch lohnt sich seiner Meinung nach die Teilnahme an politischen Veranstaltungen wie Demonstrationen, Partei- und Bürgerversammlungen oder Podiumsdiskussionen. „Der erste Schritt ist schwierig, aber es gibt keinen falschen Schritt“, sagt Scheurer.

„Mach dir klar: Welches Thema interessiert dich?“, empfiehlt Livia Josephine Kerp. Ihr politisches Interesse etwa habe im Alter von 13 Jahren begonnen, als sie von der Plastikverschmutzung in den Meeren erfuhr. Mittlerweile setzt sich Kerp für das Wahlrecht ab 16 in Bayern ein und kämpft für ein bundesweites Verbot von K.o.-Tropfen. Im November 2023 sprach sie dazu gar bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestag vor.

Das letzte Wort gehört dem Ismaninger SPD-Gemeinderat Bruno Rimmelspacher, der als interessierter Zuhörer unter den jungen Leuten sitzt. Der Initiative des heute 86-Jährigen ist es zu verdanken, dass es seit 1979 eine eigene Musikschule in der Gemeinde gibt. Letztlich brauche es für ein Engagement nur eine Idee sowie etwas Mut und das Interesse, sich dafür einzusetzen, sagt Rimmelsbacher. Er freue sich deshalb über jeden jungen Menschen, welcher sich mit Themen und Anliegen aus der neuen Generation in die Politik einbringen will und diese so verjüngt.

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