U-18-Wahl:Die Jugend wählt links – und AfD

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U-18-Wahl im Jugendkulturhaus Gleis 1 in Unterschleißheim. Markus Baier vom Kreisjugendring (links)  mit Schüler Emilio Rubino, der sich im Jugendparlament engagiert. (Foto: Catherina Hess)

Bei der U-18-Wahl ist die Linkspartei bundesweit der klare Gewinner. Im Landkreis München liegt die CSU knapp vor ihr und der SPD. Doch auch hier bereitet die steigende Beliebtheit der AfD den Kindern Sorge.

Von Paul Hansen, Unterschleißheim

Wie tickt die Jugend politisch? Wer sich die Ergebnisse der U-18-Wahl anschaut, kommt zu dem Schluss: auf jeden Fall deutlich linker als die Erwachsenen. Bundesweit konnten Kinder und Jugendliche vergangene Woche an der simulierten Bundestagswahl teilnehmen. Im Münchner Landkreis haben 1850 von ihnen ihre Stimmen abgegeben. Zwar wurde die CSU mit 20,6 Prozent hier stärkste Kraft, doch nur knapp dahinter folgen die SPD mit 18,2 sowie die Linke mit 17,4 Prozent. Noch vor der AfD (10,3) landen die Grünen mit 15 Prozent. Die FDP hingegen verpasst mit 4,3 Prozent auch bei der jüngsten Wählerschaft die Fünf-Prozent-Hürde.

Die U-18-Wahl, die erstmals 1996 in Berlin veranstaltet wurde, ermöglicht es Minderjährigen jeglichen Alters, an einer Wahl unter möglichst originalgetreuen Bedingungen teilzunehmen: In den Wahllokalen gibt es mit Sichtschutz versehene Wahlkabinen, die Stimmzettel werden in eine verschlossene Urne geworfen. Im Landkreis München beteiligten sich diesmal insgesamt 28 Wahllokale, unter ihnen auch der Jugendtreff Gleis 1 in Unterschleißheim. Markus Baier, Leiter des Jugendtreffs, hat für die U-18-Wahl die Wahlprogramme der aussichtsreichsten Parteien gemeinsam mit seinen Kollegen vom Kreisjugendring in einfache Sprache „übersetzt“. Dies sei notwendig, da ansonsten die Programme für viele Teilnehmer zu schwer zu verstehen seien, erklärt er.

Wer der Jugend unterstellen will, dass sie unpolitisch sei, liegt laut Baier falsch. „Es gibt wieder viel mehr Interesse an Politik bei den Jugendlichen“, meint der 57-jährige Sozialpädagoge. Er erlebe, dass junge Menschen vor allem Parteien gut finden, die klare Positionen beziehen, statt „Wischi-Waschi“, wie er es ausdrückt, zu sein. Während bei früheren U-18-Wahlen mehr als 800 Kinder und Jugendliche aus der Stadt ihre Stimmen abgegeben hatten, waren es laut Baier diesmal in Unterschleißheim jedoch deutlich weniger. Denn die Juniorwahl, die in zahlreichen Schulen angeboten wird, macht der U-18-Wahl Konkurrenz. Die Ergebnisse der Juniorwahl werden aber erst nach der Bundestagswahl veröffentlicht.

„Kriege, Krisen, Migration sind wichtiger als Klima“, sagt ein 16-Jähriger

Dass die Grünen mit dem Überthema Klimawandel und der Fridays-for-Future-Bewegung, anders als vor einigen Jahren, nicht mehr die wichtigste Partei für künftige Erstwähler sind, erklärt der 16-jährige Emilio Rubino im Gleis 1 so: „Kriege, Krisen, Wirtschaft und Migration sind aktuell wichtiger als Klima.“ Er bemängelt, dass im Wahlkampf die Parteien seiner Meinung nach kaum über die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sprächen. Rubino, der sich als Vorsitzender des Jugendparlaments in Unterschleißheim engagiert, sieht die AfD als große Bedrohung für die Demokratie.

Der Wahlzettel für die U-18 Wahl. (Foto: Catherina Hess)

Wie stark das Thema Migration auch Kinder beschäftigt, wird im Gespräch mit zwei Viertklässlern deutlich. Beide tragen Trainingsanzüge. Sie sind in den Jugendtreff gekommen, um Tischtennis zu spielen. Einer von ihnen hat gerade zum ersten Mal in seinem Leben gewählt. Als sie gefragt werden, ob sie in der Schule über die AfD, über Flucht und Migration und über Abschiebungen sprechen würden, entwickelt sich ein Dialog der beiden Zehnjährigen:

„Wir haben in der Schule über das Thema Abschiebung mit unserer Lehrerin gesprochen.“„Ich will nicht, dass die AfD gewinnt. Ich habe Angst, dass ich abgeschoben werde!“„Du wirst nicht abgeschoben, du hast doch einen deutschen Pass.“„Ja, aber meine Mutter nicht.“„Du wirst trotzdem nicht abgeschoben.“

Dass die AfD anders als hier im Gleis 1 durchaus auch bei jungen Menschen punkten kann, zeigt sich beim Blick auf andere Regionen. Denn nicht nur im Osten Deutschlands wird die AfD bei dieser Wahl stärkste Kraft in allen sogenannten neuen Bundesländern, auch in Bayern liegt die Partei in der Oberpfalz und in Oberfranken bei der U-18-Wahl vorn. Insgesamt haben sich im Freistaat fast 52 000 Kinder und Jugendliche an der Wahl beteiligt. Anders als im Landkreis rangiert hier nicht die Linke hinter der CSU, sondern die AfD.

Alles geheim: Auch bei der U-18-Wahl gibt es Wahlkabinen. (Foto: Catherina Hess)

Das starke Abschneiden der Linkspartei im Landkreis deckt sich hingegen mit dem bundesweiten Wahlergebnis: Hier ist die Linkspartei mit 20,8 Prozent sogar stärkste Kraft geworden. Dahinter folgen SPD (17,9) und CDU/CSU (15,7). Eine Enttäuschung ist das Ergebnis für die Grünen. Noch hinter der AfD (15,5), landen sie mit 12,5 Prozent nur auf dem fünften Platz. Bei der U-18-Wahl zur vorherigen Bundestagswahl hatten sie mit rund 21 Prozent noch klar vor den anderen Parteien gelegen.

Die FDP, bei der Wahl 2021 noch stärkste Kraft bei den Erstwählern, scheint ihren Reiz auf junge Menschen ebenfalls nicht nur rund um München verloren zu haben. Mit gerade mal 3,4 Prozent tun sich die Liberalen auch bundesweit reichlich schwer und landen sogar noch hinter der Tierschutzpartei.

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