Abgesagte Phicomm-Investition:Chinesen geben Unterhaching auf

Das Kommunikationsunternehmen Phicomm stellt die hochfliegenden Planungen für eine Europazentrale ein. Das Grundstück, auf dem 1200 Arbeitsplätze entstehen sollten, gehört inzwischen dem Technologiekonzern Infineon.

Von Iris Hilberth, Unterhaching/Neubiberg

Die Pläne für den nordöstlichen Ortsrand Unterhachings waren geradezu riesig: Ein 30 000 Quadratmeter großes, modernes Gebäude mit angeschlossenem Datencenter, 1200 Arbeitsplätze und zusätzliche Bürofläche für Start-ups - eine "World of Phicomm" wollte das gleichnamige chinesische Kommunikationsunternehmen hier errichten und insgesamt 85 Millionen Euro in seine Europazentrale stecken.

Längst sollte mit dem Bau begonnen werden. Doch inzwischen hat der Konzern seine Pläne geändert. Die Chinesen haben Unterhaching Anfang des Jahres verlassen, das Grundstück an der Gauss-Allee haben sie inzwischen verkauft. Dort will nun Infineon bei Bedarf seinen Campus erweitern.

Vor gut einem Jahr hatten Phicomm-Geschäftsführer Jie Lin und Spyridon Linardakis von der Nixdorf Data Center GmbH, die mit dem chinesischen Unternehmen ein Joint Venture schließen wollte, die baldige Errichtung des Gebäudekomplexes neben dem Hatrium an der Biberger Straße verkündet. Phicomm war hier seit 2012 mit zwölf Mitarbeitern ansässig; seit Januar vertritt nur noch Jie Lin allein die Firma in Unterhaching, die Adresse von Phicomm Europe wurde an die Bürgermeister-Prenn-Straße verlegt. Sie dient laut Jie Lin dazu, dass das Unternehmen, das seinen Hauptstandort in Shanghai hat, alle Verpflichtungen gegenüber Geschäftspartnern und Kunden aufrechterhalten kann.

Abgesagte Phicomm-Investition: Schein und Wirklichkeit: Wo das chinesische Kommunikationsunternehmen eine riesige, moderne Europazentrale bauen wollte, herrscht bis auf weiteresgähnende Leere. Reproduktion: Claus Schunk

Schein und Wirklichkeit: Wo das chinesische Kommunikationsunternehmen eine riesige, moderne Europazentrale bauen wollte, herrscht bis auf weiteresgähnende Leere. Reproduktion: Claus Schunk

Den Rückzug aus Unterhaching erklärt der Geschäftsführer der SZ schriftlich so: "Aufgrund einer grundlegenden Umstrukturierung und der damit verbundenen neuen Ausrichtung des Mutterkonzerns Phicomm Shanghai hat sich Phicomm im Herbst 2018 entschieden, das Projekt mit dem Bauvorhaben Phicomm European Center zu beenden und das Grundstück zu veräußern. Alle aktiven Geschäftsaktivtäten der Phicomm Europe GmbH wurden ebenfalls zum Ende 2018 eingestellt."

Smart Home und Smart Health

So geschmeidig wie die Chinesen sich das offenbar vorgestellt hatten, war die Verwirklichung ihrer Pläne in Deutschland nicht gelaufen. Im vergangenen Jahr zog sich das Unternehmen aus der Handysparte zurück, verbreitete aber mit einer Fokussierung auf neue Technologien in der Digitalisierung wie "Smart Home" und "Smart Health" immer noch große Zuversicht. Wenngleich Jie Lin hin und wieder anklingen ließ, dass es mit dem Bauen hierzulande schon sehr lange dauere. 2013 hatte der Konzern das Grundstück erworben, doch immer wieder stockte das Projekt wegen Auflagen der Behörden. Das waren die Chinesen so nicht gewohnt.

Gleichwohl betont Jie Lin im Nachhinein: "Die Bauaktivitäten hatten sich in der Tat sehr lange hingezogen. Aber die Aufgabe des Standortes hat damit nichts zu tun. Das ist eine reine Entscheidung von Shanghai."

Problematisch wurde es für Phicomm im März 2018. Die Dero Bank hätte eine Kapitalerhöhung für die Phicomm AG vornehmen sollen, doch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) verhängte ein Moratorium. Die Aktionäre kamen nicht an ihre Aktien und konnten sich auch nicht ihr Kapital zurückholen. Wenige Tage später wurde für die Bank das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Bank wurde zu dem Zeitpunkt geschlossen, als die Aktionäre ihr Geld eingezahlt hatten. Die Phicomm AG war 2016 als Börsenmantel gegründet worden, die Phicomm Technology Hongkong, die Muttergesellschaft der Niederlassung in Unterhaching, war laut Halbjahresfinanzbericht vom Juni 2018 mit 79 Prozent an der AG beteiligt.

Abgesagte Phicomm-Investition: Der Neubiberger Technologiekonzern Infineon (im Bild im Hintergrund) hat sich einen Teil der Fläche bereits als Reserve für eine spätere Erweiterung gesichert.

Der Neubiberger Technologiekonzern Infineon (im Bild im Hintergrund) hat sich einen Teil der Fläche bereits als Reserve für eine spätere Erweiterung gesichert.

(Foto: Claus Schunk)

Nach dem Aus hat nun der Technologiekonzern Infineon, der in unmittelbarer Nachbarschaft auf Neubiberger Gemeindegebiet angesiedelt ist, eine 20 000 Quadratmeter große Erweiterungsfläche des ehemaligen Phicomm-Geländes erworben. Das bestätigte der Konzern am Donnerstag der SZ. "Infineon setzt auf fortgesetztes, nachhaltiges Wachstum in den kommenden Jahren", teilt das Unternehmen mit. Obwohl das Geschäft zyklischen Schwankungen unterliege, rechne man in den nächsten Jahren auch auf dem Firmengelände Campeon in Neubiberg mit einem steigenden Arbeitsplatzbedarf. Auf der angrenzenden Fläche in Unterhaching könnten weitere Bürogebäude errichtet werden, so eine Unternehmenssprecherin.

Das Vorhaben passt zu den Vorstellungen der Gemeinde für das Areal, das "ein attraktiver Ortseingang und wertiger Gewerbestandort" werden soll. Diesem Planungsziel entgegen steht derzeit ein Containerlager, das sich in dem Gebiet neben dem Sportpark auftürmt. "Mit dieser Nutzung wollen wir nicht leben", sagte Wirtschaftsförderer Simon Hötzl am Mittwoch im Gemeinderat. Es gebe zudem verschiedene Anfragen von Münchner Unternehmen, die nach Unterhaching ziehen wollten.

Der zum Teil rechtswidrigen Lagernutzung hat das Gremium am Mittwoch einen Riegel vorgeschoben. Den Antrag zur Errichtung einer Montagehalle für Container hat der Gemeinderat abgelehnt, zudem erließ er eine Veränderungssperre.

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