Süddeutsche Zeitung

Jazz-Weekend:Dramatisch aktuell

Kurt Elling und seine Band begeistern in Unterföhring mit einer Hommage an große Musiklegenden

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Unterföhring

"Wir leben in einer Welt, die viele Fragen aufwirft", kommentierte der amerikanische Sänger Kurt Elling sein aktuelles Programm, mit dem er für den zweiten Abend des 16. Internationalen Jazz-Weekend Unterföhring ins Bürgerhaus angereist war. "Seinetwegen", fügte er hinzu. Und jeder im vollbesetzten Saal wusste, welchen Landsmann der US-Amerikaner damit meinte. Aber wenn man zusammenhielte, würde man am Ende gewinnen. Sagte es und spielte aus dem neuen CD-Programm, das bei Sony unter dem Titel "The Questions" erschienen ist, den Bob Dylan-Song "Hard Rain's gonna Fall".

Mit seiner warmen, breiten Baritonstimme stieß Elling lässig durch die Synkopen dieser mittelschnellen Jazz-Nummer und gab Gelegenheit, sich allmählich in den hochkarätigen Konzertabend hineinfallen zu lassen. Der Grammy-Gewinner wechselte zwischen nachdenklichen Tönen und strahlendem Verve. Perfekt beherrscht er das dramaturgische Spiel mit dem Mikrofon. Hält es, je nachdem, welche Dynamik er seiner Stimme geben will, in verschiedenen Abständen zu seinem Mund. Und das Zusammenspiel mit den Mitgliedern seiner famosen Band funktioniert schlicht phänomenal. Im improvisierenden Wechselspiel mit Schlagzeuger Adonis Rose demonstrierte Kurt Elling ein Mouthplay, das in seiner sinnlichen Präsenz an das des 2017 verstorbenen Al Jarreau erinnerte.

Adonis Rose wiederum reagierte als Dialogpartner darauf mit koketten Wirbeln und Rimshots. Worauf Elling das Mikrofon über sein Hemd rubbelte, um zum Amüsement der Jazzfans den dabei entstehenden eigenartigen Sound nach Art eines Clowns zu untersuchen. Danach traten Bassist Clark Summers und Keyboarder Stu Mindeman als Duo an. Gut abgehangener Hammondorgel-Sound traf auf quirlige Kontrabassmotive, bevor die ganze Kapelle mit vollem Stoff durchstartete.

Barbara Schulte vom Kulturamt, die sich um das Programm im Bürgerhaus kümmert, hat mit der aktuellen Ausgabe des Jazz-Weekend den kühnen Grundsatz befolgt: nicht kleckern, sondern klotzen. Nach dem Auftakt mit dem Jazz-Kinderkonzert am Donnerstag hatte die polnische Bassistin Kinga Glyk die Bühne für die Gäste aus Amerika vorgeglüht. Und für die Abschluss-Matinee am Sonntag war das Dickbauer Collective aus Österreich angereist.

Dass Improvisation im Jazz schon vor der ersten Note anfängt, musste Jazz-Weekend-Organisator Harald Scharf erleben. Die aus Amsterdam angereisten Amerikaner waren ohne einige ihrer Koffer in München angekommen. Das hielt die Musiker nicht ab aufzutreten, während Scharf noch nach fehlendem Instrumentarium fahndete.

Auch wem Jazz-Musik weniger geläufig ist, kam im Laufe des Abends mit Sänger Kurt Elling auf seine Kosten. Mit "Endless lawns", einer Hommage der Komponistin und Arrangeurin Carla Bley auf Trompetenlegende Miles Davis, tauchte im Programm ein Eckpunkt der Jazz-Geschichte auf. Da war Elling nach der Pause mit seiner Band auf die Bühne gekommen und hatte den Trompeter Marquis Hill mitgebracht. Auch einer, mit dem der Sänger berauschend duettieren konnte.

Noch geläufiger wurde das Programm mit dem abschließenden Song "Nature Boy", jenem Popsong, mit dem Sängerlegende Nat King Cole 1948 einen Nummer-eins-Hit landete. Auch den interpretierte Kurt Elling souverän. Klar, dass man so nicht aufhören kann. Die Musiker ließen sich nicht lang vom enthusiasmiertem Publikum um eine Zugabe bitten und verabschiedeten sich mit "Skylark" von Hoagland Howard Carmichael. Noch eine Sängerlegende der Vergangenheit, deren Vermächtnis Kurt Elling eben mal schnell, glänzend in die Gegenwart zurückholte.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2018
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