Jahresrückblick 2024Ein aufgewühlter Ort

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Ein ungeheurer Verdacht erschütterte nach eine WRD-Dokumentation die Gemeinde Oberhaching.
Ein ungeheurer Verdacht erschütterte nach eine WRD-Dokumentation die Gemeinde Oberhaching. (Foto: Claus Schunk)

Eine WDR-Dokumentation über möglichen Missbrauch durch einen ehemaligen Erzieher erschüttert die Gemeinde Oberhaching.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Für die Gemeinde Oberhaching sollte 2024 vor allem ein fröhliches Jubiläumsjahr sein. 1275 Jahre galt es, gemeinsam zu feiern, im Bierzelt und im Rathaus, bei Konzerten und Ausstellungen. Doch so ganz ungetrübt, wie man sich das bei den Vorbereitungen vorgestellt hatte und wie es sich während der Festwoche im Frühsommer noch anfühlte, war dieses Jahr dann doch nicht. Denn ein ungeheurer Verdacht rückte die Dorfgemeinschaft aus dem Hachinger Tal bundesweit ins Licht. Es ging um möglichen Kindesmissbrauch und die Frage: Hat Oberhaching weggeschaut?

Bereits 2023 war durch eine WDR-Dokumentation bekannt geworden, dass ein Mann, der in den Achtzigerjahren in Norddeutschland Heimkinder missbraucht haben soll, später mehr als 30 Jahre lang als Erzieher in Oberhaching tätig war. Erst in einer kirchlichen Einrichtung und dann in gemeindeeigenen Kitas. Es folgten Elternabende im Rathaus, Untersuchungen des Jugendamts und schließlich Ende Oktober dieses Jahres die Mitteilung aus dem Rathaus: „Bis heute weiß die Gemeinde von keinem einzigen konkreten Fall, wonach in gemeindlichen Kindereinrichtungen Kindern gegenüber sexuelle Grenzverletzung oder Missbrauch stattgefunden hätte.“

Im Sommer 2024 gab es weitere Recherchen des WDR in Oberhaching, es entstand ein Folgefilm mit dem Titel „Unter Missbrauchsverdacht“. Viele Aufnahmen wurden während der Festwoche gemacht, einige Interviewpartner aus Oberhaching berichteten von möglichen Verdachtsfällen, Gerüchten und Ungereimtheiten aus den vergangenen Jahrzehnten. Es ging vor allem um die Frage: Hat keiner etwas gewusst? Haben alle weggeschaut?

Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) sagte nach der Ausstrahlung: „Es ist relativ harte Kost, die uns präsentiert wird. Und es ist die Macht der Bilder.“ So bekomme der Zuschauer den Eindruck: „Wir feiern und kümmern uns nicht um unsere Kinder.“ Keine einzige der im Beitrag genannten Mutmaßungen und keines der Gerüchte aus den zurückliegenden Jahrzehnten seien für die Verwaltung neu gewesen, „alle waren Gegenstand unserer Aufarbeitung“, sagte Bürgermeister Schelle.

Nach der Ausstrahlung am 31. Oktober wurde Schelle vor allem im Netz und am Telefon angefeindet. Er wurde vulgär beschimpft, bedroht, erhielt Rücktrittsforderungen, ihm wurde vorgeworfen, den Mann gedeckt zu haben. Der Bürgermeister und mit ihm nahezu der gesamte Ort sahen sich durch den Fernseh-Beitrag verunglimpft. Der Gemeinderat stellte sich geschlossen vor Schelle sowie die Rathausverwaltung und kündigte an, rechtliche Schritte gegen den Sender zu prüfen.

Inzwischen sagt man im Rathaus: Es gebe einige Falschdarstellungen in der WDR-Dokumentation, aber eine juristische Auseinandersetzung sei schwierig. Zudem stellt sich die Frage, wem damit geholfen ist, wenn einzelne Szenen oder Wörter in dem Beitrag geändert werden. „Wir haben klar Stellung bezogen, der Rest ist in der Klärung“, sagt Bürgermeister Schelle. Jetzt wolle man nach vorn schauen, und dabei gehe es um das Wohl und den Schutz der Kinder. Man setzt weiter auf das Schutzkonzept für die örtlichen Kinderbetreuungseinrichtungen. Aus dem Rathaus heißt es: Wenn der Verdacht bestehe, dass dagegen verstoßen worden sein könnte, greife ein detaillierter, standardisierter Krisenleitfaden.

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