Süddeutsche Zeitung

Rückblick auf 2021:Die Wutphase ist vorbei

Intrigen in der SPD haben Bela Bachs kurze Karriere als Abgeordnete beendet. Der Kommunalpolitik aber will sie treu bleiben.

Von Rainer Rutz, Planegg

"Nein", lacht Bela Bach, der SPD sei sie nicht mehr böse: "Mit der Partei habe ich meinen Frieden gemacht." Ein wenig verlegen rührt die 31-jährige ehemalige Bundestagsabgeordnete in ihrer Teetasse, und dann schießt es aus ihr heraus: "Das alles ist für mich jetzt wie ein Stück von außen zu betrachten." Das "Stück" ist der veritable Niedergang, sie nennt es "auch Mobbing", einer jungen Politikerin aus Planegg, die es mit Glück und Zufall als Nachrückerin in den Deutschen Bundestag geschafft hatte und die nach anderthalb Jahren Berliner Luft die ganze Wucht parteipolitischer Intrigen zu spüren bekam. Die führten schließlich dazu, dass ein hoffungsvolles politisches Talent sich erst einmal auf dem Boden wiederfand, schwer angeschlagen und vom politischen Tagesgeschehen ebenso schwer enttäuscht.

So jedenfalls sieht sie es. "Ich habe keinen Koffer mehr in Berlin", resümiert Bach, die zumindest in Planegg einmal als große Hoffnung und politisches Talent galt. Bachs Geschichte über ihren Ausflug in höchste politische Gefilde ist schnell erzählt: Als Nachrückerin und jüngste Frau kam die beginnende Juristin im Februar 2020 in den Bundestag und bekleidete damit für den Wahlkreis München-Land gleich drei Ämter: als Kreisrätin, Gemeinderätin in Planegg und eben auch als Bundestagsabgeordnete. Bach sagt, sie habe sich schnell ins politische Tagesgeschäft eingefunden, habe viel Unterstützung auch aus anderen Parteien erfahren, ein eigenes Abgeordnetenbüro in Martinsried aufgebaut. Doch viel Zeit, sich zu etablieren und zu profilieren, hatte sie nicht.

Denn die nahende Bundestagswahl und die im Vorfeld notwendigen Listenplatzaufstellungen der bayerischen SPD bereiteten der beginnenden Karriere ein schnelles Ende. Die nicht unbegründete Hoffnung, den Platz im Bundestag mit einer guten Nominierung zu sichern, scheiterte. Zunächst verlor Bach eine Kampfabstimmung um den dritten Frauenplatz auf der oberbayerischen Liste, beim Nominierungsparteitag der Bayern-SPD verlor sie dann ebenfalls eine Kampfabstimmung um den Platz 18. Schwer getroffen zog Bach nach kurzem Zögern schließlich ihre Kandidatur für ein Direktmandat im Wahlkreis München-Land zur Bundestagswahl am 26. September zurück und kündigte sogar ihren vollständigen Rückzug aus der Politik an.

Diese Absicht hat die überzeugte Sozialdemokratin - sie ist mit 17 Jahren in die Partei eingetreten - mittlerweile aber weitgehend modifiziert. Zwar fühle sie "nach einer Wut-Phase" sich nun "erstmal sehr befreit", sagt Bach im Gespräch mit der SZ, und außerdem sei sie ja "ihrer Basis einiges schuldig". In der Analyse ihres Niedergangs differenziert Bach ganz genau zwischen der Bundes-SPD und den bayerischen Genossen. Die bezeichnet sie nicht ohne Sarkasmus und Bitterkeit als einen "Funktionärsverband mit ganz eigener Dynamik". Sie habe nach ihrer Niederlage "unheimlich viel Zuspruch" aus anderen Fraktionen erhalten und sie erinnert an das ganz ähnliche Schicksal eines anderen Vollblut-Politikers aus dem Landkreis München: Toni Hofreiter von den Grünen, der eigentlich als Minister gesetzt war und dessen politisches Talent jetzt irgendwie in der Luft hängt. Fast schon trotzig sagt Bach: "Im Grunde war Politik ja nie hundertprozentig meine Identität." Gleichzeitig aber betont sie, "immer politisch" bleiben zu wollen. Auch die Tatsache, "dass mir meine eigene Partei überall, wo es ging, Stacheln in den Weg gelegt hat", hat sie nicht von der Sozialdemokratie weggebracht. Ein Parteiamt, das betont Bach, "will ich jedoch nicht mehr".

Die Planeggerin will jetzt ihre Promotion vorantreiben

In den nächsten Monaten möchte die junge Planeggerin erst einmal ihre Promotion vorantreiben. Und dann, ganz nachdenklich: "Ich bin jetzt erstmalig an einem Punkt angelangt, wo ich mich frage: Was will ich in meinem Leben?" Sie kann sich vorstellen, außerhalb der Partei eine politische Karriere anzustreben - "Außenpolitik und Völkerrecht" interessieren sie besonders. Aber auch eine Karriere "in der Industrie oder der Wirtschaft" hält Bela Bach nicht für ausgeschlossen. Warum? "Weil dort die Strukturen viel schlanker sind und man viel umsetzen kann."

Was sie aber ganz sicher weiß, ist, dass sie ihre Liebe zu den Bergen vertiefen will - durch Reisen, etwa in den Himalaja. Sie ist passionierte Bergsteigerin und Skitouren-Geherin.

Es ist nicht so, dass Bach, die auf alle Fälle der Kommunalpolitik in Planegg und im Landkreis erst einmal erhalten bleiben will, aus Gram über ihre Berliner Zeit gebückt daher kommt. Ganz im Gegenteil. Die junge Politikerin wirkt frisch und abgeklärt, wenn sie sagt: "Ich bin dankbar für die Zeit in Berlin und die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe. Ich habe quer durch die Fraktionen Freunde gefunden und Freundschaften geschlossen." Das stärkt sie mental und gibt ihr Kraft für die Zukunft: "Was ich erlebt habe, scheint mir symptomatisch für das Politikgeschehen - nämlich möglichst keine Rücksicht zu nehmen. Ich aber will fair spielen."

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