Ismaning:Zwischen Kontinuität und Neuanfang

Ismaning: Auch Hanns Martin Schleyer, Theodor Heuss und Konrad Adenauer porträtierte Hans Jürgen Kallmann.

Auch Hanns Martin Schleyer, Theodor Heuss und Konrad Adenauer porträtierte Hans Jürgen Kallmann.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

In seinen detailgetreuen Porträts bewies Hans Jürgen Kallmann einen feinen Blick für seine Modelle. Er verewigte führende Köpfe aus Politik, Wirtschaft und Kultur und zeichnete so ein Bild der jungen Bundesrepublik, das nun in Ismaning zu sehen ist

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Es ist nur eine Hand, die aus dem Rostrot ragt. Und doch genügt der klare Gestus, um ein Bild ihres Besitzers zu zeichnen. Locker und doch mit Bestimmtheit hat der Mann seine sehnigen Finger ans Kinn gelegt. Ein Siegelring glänzt an seinem Finger. Sein Gesicht, nicht mehr jung, verliert sich im Pinselstrich, nur der strenge Mund ist sichtbar. Ohne den ganzen Mann zu zeigen, allein in der detailgetreuen Darstellung seiner Hand verleiht der Maler Hans Jürgen Kallmann dem deutschen Stahlmagnaten Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Autorität.

Diese Autorität durchströmt die Räume des Kallmann-Museums in Ismaning in diesen Tagen. Es ist eine regelrechte Konferenz einiger der einflussreichsten Köpfe der deutschen Gesellschaft in den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren, die Rasmus Kleine, Direktor des Museums, in dessen lichten Räumen einberufen hat. Von den Wänden blicken Wirtschaftsführer wie Krupp, Hermann Josef Abs oder Berthold Beitz, führende Politiker wie Bundespräsident Theodor Heuss und Kanzler Konrad Adenauer, der bayerische Ministerpräsident Franz Joseph Strauss. Menschen, die die junge Bundesrepublik Deutschland in deren ersten Jahrzehnten geprägt haben.

In Kallmanns Werk sind sie alle versammelt. Traditionell widmet das Stiftungsmuseum in Ismaning zum Jahreswechsel eine Ausstellung seinem Namensgeber. Kallmann, geboren 1908, hatte sich, obgleich in der Kunstszene seiner Zeit eher als Gesellschaftsmaler eingeordnet, nach dem Zweiten Weltkrieg einen Ruf als Porträtierer erworben. In eindrücklichen realistischen Ölbildern verewigte er in den Sechziger- und Siebzigerjahren einen Großteil der deutschen Eliten. Wichtiger Teil des Schaffensprozesses waren die Porträtskizzen, die nun in Ismaning zu sehen sind und Kallmanns Modelle vielfach noch eindrücklicher abbilden als die später auf Basis der Skizzen entstandenen Ölbilder.

Wie unmittelbar die Porträtierten den Betrachter ansehen, wie detailreich und ungeschminkt Kallmann sie darstellt, lässt erahnen, wie nah der Künstler seinen Modellen gekommen ist. Kallmann hat sich intensiv mit den meisten von ihnen beschäftigt, er fertigte oft zahlreiche Porträtstudien an. In seinen Arbeiten spiegelt sich nicht nur die Intensität und Durchsetzungsfähigkeit, mit welcher sich der Autodidakt, dessen Bilder von den Nationalsozialisten zur entarteten Kunst gerechnet und zeitweise mit Ausstellungsverboten belegt wurden, seinen künstlerischen Weg gesucht hat. Sie sind aufgrund ihrer Motive auch ein Spiegel der erwachsenden Bundesrepublik und lassen zugleich die dunklen Schatten erahnen, die vielerorts auf der Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland lagen.

Nicht wenige der Abgebildeten zeigen eine Parallele in ihren Biografien, sie hatten auf die ein oder andere Weise von dem grausamen System der Nationalsozialisten profitiert. Doch nach teilweise kurzen Strafen, teilweise auch ohne nennenswerte Zäsur konnten gerade viele der Wirtschaftsführer ihre Karrieren nach 1945 fortsetzen und vielfach in den Aufbaujahren ihre Machtfülle noch vergrößern. Das zeigt sich nicht nur in den Kurzbiografien, die den Porträts zur Seite gestellt sind, dieser Schatten umschwebt auch Kallmanns Kabinett. Unsichtbare Fäden scheinen zwischen den streng gescheitelten Köpfen der Herren gesponnen, ein Netzwerk aus Machtstreben, von Kallmann häufig hinterlegt mit dunklem Farbengrund. Auch wie sehr sich die Macht in Männerhand konzentrierte, lässt sich erahnen: Nur drei der abgebildeten Porträts zeigen eine Frau - die Schauspielerinnen Tilla Durieux und Therese Giehse, sowie die politische Kabarettistin Ursula Herking.

Ergänzt wird die Ausstellung durch weitere Arbeiten Kallmanns, über einen kurzen Ausflug ins Abstrakte bis hin zu fasrigen, beinahe an Comicstil erinnernden Filzstift-Skizzen und fahl gehaltenen Landschaften.

Die Ausstellung "Die Bundesrepublik Deutschland im Spiegel der Porträts von Hans Jürgen Kallmann" ist bis zum 7. Februar immer Dienstag bis Sonntag von 14.30 bis 17 Uhr im Kallmann-Museum Ismaning, Schloßstraße 3b, zu sehen. Am Sonntag, 10. Januar und 7. Februar wird jeweils um 15 Uhr eine öffentliche Führung angeboten.

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