Ismaning:Wirtin aus Leidenschaft

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50 Jahre Wirtin: Heute gehören vier Hotels mit Tagungsräumen und 160 Betten zum Betrieb von Traudl Schmidramsl und ihrer Familie in Ismaning. (Foto: Robert Haas)

Seit 50 Jahren führt Traudl Schmidramsl den Neuwirt in Ismaning. Für Verdienste um die Ausbildung wird sie ausgezeichnet.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Einmal aus der angehenden Wissenschaftsstadt Garching hinüberziehen über die Isar, ins dörfliche Ismaning? Nein, das hatte sich Gertraud Zollner in ihrer Jugend beileibe nicht vorstellen können. "In Ismaning haben alle Bauern Krautköpfe", hielt sie ihren Eindruck von einem Ausflug in die Nachbargemeinde zur Erntezeit einst in einem Schulaufsatz unbeabsichtigt zweideutig fest, zur Erheiterung ihrer Mitschüler in Garching. Doch wie das Leben so spielt: Heute ist die Garchingerin kaum noch wegzudenken aus Ismaning. Bei einem Schützenfest 1962 lernte sie den Ismaninger Schützenkönig Max Schmidramsl kennen, gelernter Metzgermeister und Erbe des Gasthofs "Neuwirt". Zwei Jahre später wurde geheiratet.

"Ich wollte immer selbstständig sein"

"Nur die Liebe allein langt ned", hatte die Schwiegermutter damals gemahnt. "Die Frau muss auch fürs Geschäft taugen." Das musste Gertraud, genannt Traudl, niemand zweimal sagen. "Ich wollte schon immer selbstständig sein", sagt die heute 70-Jährige rückblickend. Also stürzte sich die junge Frau ins Geschäft. Arbeit gab es genug. Praktisch, dass das Kaufen und Verkaufen es Schmidramsl schon als Kind angetan hatte: "Meine Schwester hat mit Puppen gespielt, ich schon immer mit dem Kaufladen", erinnert sie sich mit einem Lächeln.

Auf ihre Ausbildung als Industriekauffrau sattelte Schmidramsl noch all das Wissen drauf, das es in einem Gastbetrieb mit eigener Metzgerei brauchte. Sie volontierte als Fleischfachverkäuferin, lernte kochen und bedienen, unter anderem im Weißen Bräuhaus in München - "Damit ich überall im Betrieb einspringen konnte."

Und der Betrieb wuchs. Neben dem Verkauf in dem kleinen Metzgerladen, wohin Schmidramsl bald ihre Schwester als Unterstützung holte, entdeckten die Schmidramsls bald die Arbeiter im wachsenden Gewerbegebiet am Osterfeld als Kundschaft. Sie verkauften Wurstsemmeln aus eigener Herstellung, später eröffneten sie eine Kantine.

Das Personal war ihr immer wichtig

Auch der Neuwirt wurde erweitert: Für die Olympischen Wettkämpfe in München 1972 baute das Wirtsehepaar die Fremdenzimmer, in denen bislang vor allem Arbeiter einquartiert waren, als Hotelzimmer für Gäste aus der Ferne aus. Die Zimmer waren rasch ausgebucht. "Ich habe gemerkt, das Hotelzimmergeschäft hat Zukunft", sagt Schmidramsl. Also ging es weiter. Heute gehören vier Hotels mit insgesamt 160 Betten und mehreren großen Tagungsräumen zu den "Hotelbetrieben Schmidramsl", die Traudl Schmidramsl und ihr Sohn Max mit seiner Frau gemeinsam führen.

Das Personal war Schmidramsl dabei immer wichtig. Anfangs fuhr sie auf eigene Faust aufs Land und fragte bei den Bauern, ob sie nicht Töchter hätten, die gern im Hotel oder Gastbetrieb lernen wollten; später wurde der Neuwirt als Ausbildungsbetrieb zertifiziert. Seither setzte sich Schmidramsl für die Ausbildung ein, als Mitglied im Beirat der Berufsschule für Hotel-, Gaststätten- und Braugewerbe in München, als Stiftungsbeirätin und Gründungsmitglied des Fördervereins für Aus- und Fortbildung junger Fachkräfte im Gastgewerbe. Im eigenen Betrieb sind derzeit acht der 35 Mitarbeiter Azubis, viele ihrer Vorgänger sind nach ihrer Ausbildungszeit geblieben.

Für ihre Verdienste um die Ausbildung in der Gastronomie wird Schmidramsl an diesem Mittwoch der Bayerische Verdienstorden verliehen. "Ich habe meinen Azubis immer klar gemacht: Jeder Gast, egal ob kleine oder große Zeche, soll das Gefühl haben, er bedeutet etwas", fasst sie ihre Philosophie zusammen.

Die Liebe zur Gastronomie hat die Wirtin an die Familie weitergegeben. Dass die beiden Enkel inzwischen eifrig im Betrieb mitarbeiten, erfüllt sie sichtlich mit Stolz - es wäre die fünfte Generation Schmidramsl, die den Neuwirt führt. Trotz wachsender Konkurrenz von privaten Zimmeranbietern und Bewerberrückgang bei Ausbildungsplätzen in der Gastronomie denkt die Seniorchefin selbst noch lange nicht ans Aufhören. "Solange ich bei meinen Gästen und der Familie noch gewünscht bin, bin ich da", sagt sie. "Mein Leben war immer das Wirtshaus."

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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