Ismaning:Tondichter gegen die Teilung

oboistin emma schied

Emma Schied (Oboe) vom BR-Symphonieorchester

(Foto: Astrid Ackermann)

Der deutsch-koreanische Komponist Isang Yun wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Zum Gedenken an ihn geben Mitglieder des BR-Symphonieorchesters in der Waldorfschule Ismaning ein Konzert.

Von Udo Watter, Ismaning

Feb 02 1972 Isang Yun from Korea composes in Berlin an opera for Munich Working at an opera fir

Der koreanische Komponist Isang Yun im Jahr 1972.

(Foto: Imago)

Auch wenn beide Länder während des Kalten Krieges mehrere Jahrzehnte lang das Schicksal der Teilung teilten - das historische Interesse der Deutschen an Korea hält sich in Grenzen. Wer weiß etwa, dass bis in die Sechzigerjahre das kommunistische Nordkorea - heute ein ebenso bizarres wie gefährliches Staatengebilde - tatsächlich als fortschrittlicher im Vergleich zum südlichen Nachbarn galt und wirtschaftlich erfolgreicher war. In Seoul herrschte damals Präsident Park Chung-hee, der das ändern wollte und Südkorea mit eiserner Hand und diktatorischen Mitteln in die Moderne führen wollte - seine Politik verhärtete nach innen wie nach außen die Fronten.

Feb 02 1972 Isang Yun from Korea composes in Berlin an opera for Munich Working at an opera fir

Der koreanische Komponist Isang Yun im Jahr 1972.

(Foto: Imago)

Das ging so weit, dass 1967 der südkoreanische Geheimdienst den in Deutschland lebenden Komponisten Isang Yun entführte und nach Asien verschleppte. Der im Süden Koreas geborene Yun galt als Staatsfeind, nicht zuletzt durch sein Werben für eine Aussöhnung mit Nordkorea, das er einige Jahre zuvor besucht hatte. Ein Schauprozess, Folter und Zuchthaus folgten. Nach internationalen Protesten (unter anderem von Karajan, Strawinski, Ligeti, Stockhausen) wurde er wieder freigelassen und 1971 deutscher Staatsbürger.

nicola birkhan, violine (br-symphonieorchester)

Nicola Birkhan (Violine) vom BR-Symphonieorchester

(Foto: Astrid Ackermann)

2017 wäre Isang Yun, der als bedeutender Komponist des 20. Jahrhunderts gilt, 100 Jahre alt geworden. Die Rudolf-Steiner-Schule in Ismaning wird anlässlich dieses Geburtstags zum Schauplatz eines besonderen Konzertes: Unter dem Motto "Verfolgt - verboten - verfemt" spielen im dortigen Festsaal Mitglieder des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks am Sonntag, 29. Oktober, kammermusikalische Werke von Isang Yun, Gernsheim, Britten und Mendelssohn-Bartholdy. Ermöglicht haben diese Veranstaltung persönliche Beziehungen von Lehrern aus dem Musikkollegium mit einigen Orchestermitgliedern.

Der Förderverein ermöglicht das Konzert

Der Festsaal der Waldorfschule bietet circa 400 Besuchern Platz. "Wir haben ihn akustisch aufgerüstet", sagt Claudia Beauchamp vom AK Öffentlichkeitsarbeit der Schule. Bemerkenswert angesichts der hochkarätigen Musiker: Der Eintritt ist frei. "Der Förderverein ermöglicht uns so etwas", erklärt Beauchamp. Zum auftretenden Ensemble gehören unter anderem der Flötist Henrik Wiese, Oboistin Emma Schied und Nicola Birkhan, erste Violinistin des BR-Symphonieorchesters. Von Isang Yun, der in seiner Musik Klangelemente der koreanischen Heimat mit europäischen Einflüssen verbindet, und in Berlin auch Schönbergs Zwölftontechnik studierte, werden "Pezzo fantasioso" und die Etüde Nr. 2 für Altflöte zu hören sein. Dazu erklingen Benjamin Brittens "Phantasy Quartet", Felix Mendelssohn-Bartholdys "Streichquartett Nr. 2 a-moll" und von Friedrich Gernsheim das "Divertimento E-Dur, op. 53".

"Die Realität kann durch Geist besiegt werden."

Yun, der einst Kälte, Misshandlungen und Langeweile in der südkoreanischen Haft nicht zuletzt durch die geistige Flucht ins Komponieren überstand - er sagte darüber in einem Fernsehinterview: "Die Realität kann durch Geist besiegt werden" - begrüßte 1990 begeistert die deutsche Wiedervereinigung. Er hätte sich eine ähnliche Entwicklung für sein Geburtsland natürlich auch gewünscht und thematisierte diesen Wunsch immer wieder in seinem Werk (etwa im Oratorium "Mein Land, mein Volk!"). Er selber hat über sich gesagt: "In mir ist die Teilung überwunden." Umso trauriger für ihn: Bis zu seinem Tod 1995 in Berlin war Yun in Südkorea persona non grata und sein Werk quasi verboten. Inzwischen aber wird er wieder in beiden Teilen des Landes gespielt.

Das Konzert beginnt am Sonntag, 29. Oktober, um 18 Uhr im Festsaal der Rudolf-Steiner-Schule Ismaning, Dorfstraße 77. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

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