Ismaning:Symbolische Abkehr

Ismaning distanziert sich von Ehrenbürgerschaften aus NS-Zeit

Von Irmengard Gnau, Ismaning

"Wo wäre mein Platz gewesen?" muss sich derzeit jeder Besucher des Schlossmuseums in Ismaning fragen lassen, wenn er durch die aktuelle Ausstellung streift. Die Gemeinde hat sich kritisch mit ihrer Vergangenheit in den Jahrzehnten zwischen 1925 und 1955, dem Weg zur Machtergreifung der Nationalsozialisten, der Zeit von NS-Regime und Judenverfolgung und dem Wiederaufbau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auseinandergesetzt und beeindruckende Zeitdokumente aus dem Ort zusammengestellt. Die Ausstellung und die ihr vorangegangenen Nachforschungen der Mitarbeiterinnen des Schlossmuseums und des Gemeindearchivs lassen nicht nur nachdenklich werden, sie haben die Kommune nun auch zum konkreten Tätigwerden veranlasst: Mit einstimmigem Beschluss hat sich der Gemeinderat von vier Ehrenbürgerschaften distanziert, die 1933 an hohe Vertreter des NS-Regimes vergeben worden sind.

Dieses formellen Aktes bedürfe es rein rechtlich betrachtet eigentlich nicht, betonte Bürgermeister Alexander Greulich (SPD). Man habe sich aber ganz bewusst dazu entschlossen, um ein Zeichen zu setzen. Ehrenbürgerschaften sind nach Auffassung des bayerischen Gemeindetags nur zu Lebzeiten der Geehrten gültig und erlöschen mit dem Tod. Sie nachträglich zu widerrufen, ist also formal betrachtet auch nicht möglich. Das trifft auf alle vier betroffenen damals ernannten Ismaninger Ehrenbürger zu - den damaligen Reichspräsident Paul von Hindenburg, Ritter Franz von Epp, den damaligen Reichsstatthalter in Bayern, den damaligen Innenminister Adolf Wagner sowie Adolf Hitler. Gleichwohl haben sich zuletzt immer wieder Kommunen in einem symbolischen Akt von solchen unerwünschten Ehrenbürgern distanziert, unter anderem die Gemeinden Dietramszell 2013 und die Gemeinde Tegernsee 2016.

Denn Ismaning ist längst nicht die einzige deutsche Gemeinde, in der Hindenburg und Hitler zu solchen Ehren kamen. Zwischen März und Mai ehrten Forschungen zufolge etwa 4000 Kommunen hohe NS-Funktionäre auf diese Weise. Lange wurde darüber gestritten, ob das formale automatische Erlöschen der Ehrenbürgerwürde mit dem Tod die Sache ausreichend behandelt. Historiker wie Jürgen Zarusky vom Institut für Zeitgeschichte in München sprechen sich dafür aus, dass sich Kommunen ausdrücklich von dem Ehrungsbeschluss distanzieren, um ihre Haltung klar zu machen; das empfiehlt auch der Gemeindetag. Dafür sei auch die Ausstellung im Schlossmuseum überaus wichtig und wertvoll, ergänzte Johanna Hagn (SPD).

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