Made in Ismaning:Kraut und Kameras

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In den Sechzigerjahren kam Emil Hohberger mit seiner Bonbonfabrik nach Ismaning. Im ehemaligen Fabrikgebäude befindet sich heute ein Supermarkt. (Foto: Robert Haas.)

Die liebevoll kuratierte Ausstellung "Made in Ismaning" illustriert die erstaunliche Gewerbegeschichte des ehemaligen Krautdorfs von 1850 bis heute und zeichnet ein Kapitel deutsche Wirtschaftsgeschichte.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Eine blaublütige Blume rekelt sich über den glänzenden Untergrund, setzt sich elegant über eine Fuge hinweg. Daneben strahlt ein Faschingsorden aus Keramik wie frisch poliert. Sein Material verrät seine Herkunft: Die Aktiengesellschaft für Grob- und Feinkeramik, kurz Agrob, machte Ismaning über Jahrzehnte hinweg bekannt als Herkunftsort hochwertiger Fliesen. Aber auch die süße "Theater-Mischung Mailänder Scala" in der repräsentativen Bonbondose, der Trachtenjanker oder die 16-Millimeter-Filmkamera Bolex sind echte Ismaninger Originale.

Die Macher der Ausstellung im Schlossmuseum befragten Dutzende Zeitzeugen

Unter dem Titel "Made in Ismaning" hat das Schlossmuseum gemeinsam mit der Expertin für Technikgeschichte Anita Kuisle Dutzende solcher Zeitzeugen der Gewerbegeschichte des Ortes zusammengetragen und zeichnet mit ihrer Hilfe ein spannendes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung der Region von 1850 bis heute.

War Ismaning Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein vor allem landwirtschaftlich geprägtes Dorf, wurden dort über die folgenden Jahrzehnte so unterschiedliche Dinge wie Toilettenpapier, Bügeleisen und Präzisionsmessgeräte hergestellt. "Die Ismaninger haben sich ziemlich viel einfallen lassen, womit sie ihr Geld verdient haben", konstatierte Ausstellungskuratorin Kuisle das Ergebnis ihrer Nachforschungen. Das wird zwischen den zahlreichen, liebevoll zusammengestellten Ausstellungsstücken deutlich.

Die große Bandbreite der Gewerbe brachte der Gemeinde nicht nur eine bunte Produktpalette, sondern auch Schutz, verhinderte sie doch in Zeiten von Wirtschaftskrisen allzu schwere Einbrüche.

Für die hochwertigen Wand- und Bodenfliesen der Agrob war Ismaning lange bekannt. (Foto: Robert Haas)

Heute ist Ismaning beliebter Standort für Global Player

Diese Vielfalt zeigt sich heute auch in der großen Reichweite der örtlichen Firmen. War die Papierfabrik 1859 noch das erste Unternehmen, das über den Tellerrand hinausblickte und explizit für einen überregionalen Bedarf produzierte, haben sich längst Global Player in der Gemeinde angesiedelt, viele davon aus der Elektronik- und Medienbranche.

Auch wenn längst nicht alle der mehr als 3000 Unternehmen, die sich in 150 Jahren angesiedelt hatten, erhalten blieben, viele sind - nicht nur im Gedächtnis der Ismaninger - fest mit der Gemeinde verbunden, seien es die Krautfabriken, die Ziegeleien oder der Max-Hueber-Verlag, aber auch mittelständische Familien- und Handwerksbetriebe.

Die Ausstellung illustriert auch die Entwicklung der Gewerbegebiete in Ismaning. Auf den zahlreichen Luftaufnahmen lässt sich erkennen, wie sich der Ort gleich einem Tintenklecks nach verschiedenen Richtungen ausbreitet, wie sich die einst hauptsächlich grüne oder ackerbraune Fläche rund um das ehemalige Krautdorf im Norden Münchens langsam zu einem immer stärker besiedelten Flickerlteppich und schließlich - nachdem in den Sechzigerjahren Flächennutzungspläne eingeführt worden waren - zu einem deutlich strukturierten Raum entwickelt hat.

Das Agrob-Gelände wurde von einer Fliesenfabrik zum Medienpark

Als besonderer Fall darf dabei das Agrob-Gelände im Süden gelten. Auf die Hochzeiten der Fliesenproduktion in den Fünfziger- und Sechzigerjahren setzte mit der beginnenden Globalisierung der Niedergang des Unternehmens ein. Dass das Gelände der Fliesenfabrik heute ein Medienpark mit etwa 2000 Arbeitsplätzen ist, zählt sicherlich zu den erfolgreichsten Kapiteln der Ismaninger Wirtschaftsgeschichte.

Ismanings Wandel vom Handwerker- und Bauerndorf zu einem international gefragten Firmenstandort - heute sind in der Kommune mehr als 2200 Betriebe gemeldet, die gut 14 000 Menschen beschäftigen - illustriert auch ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte. Mit seiner günstigen Lage zwischen München und Flughafen hatte Ismaning eine gute Ausgangsposition. Doch nicht zuletzt weist die Ausstellung auf die Bedeutung einer vorausschauenden Kommunalpolitik hin, die bei aller Konkurrenz um lukrative Ansiedlungen auch die Nachhaltigkeit der Ortsentwicklung im Blick hat.

Die Ausstellung "Made in Ismaning" ist bis 26. Juni zu den gewohnten Öffnungszeiten im Schlossmuseum Ismaning zu sehen. Das Buch zur Ausstellung von Anita Kuisle mit Dokumenten, Fotos und Zeitzeugenberichten ist im Verlag Franz Schiermeier, München, erschienen. Es ist für 29,50 Euro im Schlossmuseum sowie im Buchhandel erhältlich.

Begleitend zur Ausstellung ist auch das Buch "Made in Ismaning" erschienen, das Edgar Hohl vom Verlag, Museumsdirektorin Christine Heinz, Autorin und Kuratorin Anita Kuisle und Verlagsleiter Franz Schiermeier präsentieren. (Foto: Robert Haas)
© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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