Ismaning:Feiern wie die Flapper Girls

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Das Kallmann-Museum veranstaltet am Sonntag einen Tanztee im Stil der 1920er mit Live-Musik. Jazz gibt es auch schon am Freitag zu hören, wenn das Nils Wogram Quartett aufspielt

Von Udo Watter, Ismaning

Der Typus der modernen, modischen Frau, die sich ganz neue Freiheiten herausnahm - wohl keine Epoche bot dazu eine so glamouröse und verführerische Kulisse wie die "Goldenen Zwanziger". In den USA etablierte sich die Bezeichnung "Flapper Girls" - junge Frauen, die kurze Röcke und kurzes Haar trugen, Jazz hörten, rauchten, tranken und offensiv mit ihrer Sexualität umgingen. Zu den bekanntesten gehörten die Schauspielerinnen Louise Brooks, die den Bubikopf populär machte, und Clara Bow, das erste It-Girl der Geschichte, oder Zelda Fitzgerald, Autorin und Ehefrau von F. Scott Fitzgerald.

In Deutschland denkt man vornehmlich an Berlin und wilde Partys in elegant-verrauchten Bars oder Varietés. Ein Sinnbild der neuen Zeit respektive Weiblichkeit war die Tänzerin Anita Berber, die in puncto Sexualität, Mode oder Alkohol-Exzess zum Role Model avancierte. Die Berliner Schnauze verkörperten Chansonettes wie Claire Waldoff. Auch die Malerin Erna Schmidt-Caroll, deren Werke derzeit im Ismaninger Kallmann-Museum zu sehen sind, war eine selbstbewusste Berliner Künstlerin, die das pulsierende Leben der Großstadt zeichnete: Menschen im Café, Passanten auf der Straße - vor allem aber die modisch-moderne Frau dieser Ära.

"Vier farbenfrohe junge Damen" heißt das Bild von Erna Schmidt-Caroll, das neben anderen Werken der Malerin im Kallmann-Museum zu sehen ist. (Foto: Veranstalter)

Wer in dieses Zeit mit ihrer Musik und Mode wieder eintauchen will, hat dazu am Sonntag, 28. Mai, im Kallmann-Museum die Gelegenheit: die Verantwortlichen richten im Rahmen der aktuellen Ausstellung einen Tanztee im Stil der Zwanzigerjahre aus. Das Flair soll angemessen glamourös sein: Gerd Glatthaar (Saxofon, Klarinette), Tizian Jost (Klavier) und Ernst Techel (Kontrabass) präsentieren die entsprechenden Klänge und die Großstadtszenen der Zwanzigerjahre von Erna Schmidt-Caroll bieten den malerischen Hintergrund für einen mutmaßlich beschwingten Nachmittag. "Wir wollten eine begleitende Veranstaltung zur Ausstellung machen. Wir dachten dabei an eine Lesung oder etwas ähnliches", sagt Museumsleiter Rasmus Kleine, "aber dann ist uns von der Musikschule Ismaning dieses Trio empfohlen worden und wir haben uns gedacht: veranstalten wir doch einen Tanztee im Stil der Zwanziger." Kleine würde sich besonders freuen, wenn der ein oder andere Besucher im passenden Outfit antanzte: Herren eventuell im Stresemann-Anzug, mit Knickerbocker oder "Great-Gatsby"-Stoffmütze. Frauen mit Bubikopf-Frisur und Zigarettenspitzen - geraucht müsste dann allerdings draußen werden. "Bei der Vernissage habe ich zu den Besuchern gesagt, sie sollten mal im Kleiderschrank ihrer Eltern schauen, ob sie da noch was passendes finden und dann kommen", erzählt Kleine schmunzelnd. Ihn fasziniert, wie fortschrittlich damals das Frauenbild teils schon war und wie sehr die Nazis dies zerstörten und auch die Gesellschaft der Nachkriegszeit wieder in konservative Rollenklischees zurückfielen. Die dominante Musik der Zwanziger war bekanntlich der Jazz, im englischen Sprachraum nennt man die Epoche, die mit der Weltwirtschaftskrise endete (und in den USA in die "Great Depression" mündete), auch "Jazz-Age".

Die Musik des deutschen Jazz-Posaunisten wurzelt unter anderem auch im traditionellen Jazz. Zu seinen Vorbildern gehören Duke Ellington und Miles Davis. Freilich schöpft der gebürtige Braunschweiger, der diesen Freitag, 26. Mai, ein besonderes musikalische Wochenende im Kallmann-Museum einleitet, auch aus anderen Genres. Wogram, der unter anderem den Echo-Jazz und den BMW-Welt-Jazz-Award gewonnen hat, präsentiert mit seinem Ensemble das von der Kritik gefeierte Projekt "Wise man can be wrong". Neben ihm spielen Hayden Chrisholm (Altsaxofon), Matt Penman (Bass) und Jochen Rückert (Schlagzeug) - Songs aus dem Great American Songbook, individuell interpretiert sowie virtuos die Brücke zur Gegenwart schlagend. Als Jazz-Musiker darf man sich ja auch gewisse Freiheiten rausnehmen.

Im Kallmann-Museum spielt diesen Freitag das Nils Wogram Quartett. (Foto: Veranstalter)

Das Konzert mit dem Nils Wogram Quartett beginnt am Freitag, 26. Mai, um 20 Uhr. Tickets kosten zehn Euro. Der Tanztee im Stil der Zwanzigerjahre ist am Sonntag, 28. Mai, von 15 bis 17 Uhr. Karten kosten vier Euro.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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