Ismaning:Eine Frage des Privilegs

Werden Gebäude auf dem Land in Wohnheime umgewandelt, birgt das mitunter Konfliktpotenzial

Von Sabine Wejsada, Ismaning

Es geht um zwei Grundstücke, die ganz weit im Norden von Ismaning liegen. Mitten im Nichts, ein gutes Stück hinter dem Ortsteil Fischerhäuser, kurz vor der Grenze zum Landkreis Freising. Eine Abordnung des Bayerischen Verwaltungsgerichts findet sich dort an diesem Nachmittag ein, um sich an Ort und Stelle ein Bild zu machen und zu verhandeln. Im ersten Fall hatte die Firma NLC GmbH Nart Logistik & Consulting gegen den Freistaat Bayern geklagt; an der Verhandlung nimmt eine Juristin des Landratsamtes teil. Eben jene Behörde hat bereits Ende Februar 2018 angeordnet, dass die auf dem Gelände ohne Genehmigung aufgestellten Wohncontainer beseitigt werden müssen. Die Verhandlung ist nach ein paar Minuten vorbei; die Klage ist zurückgezogen worden. Das Verfahren ist eingestellt und der Bescheid des Landratsamts somit bestandskräftig. Will heißen: Die Container müssen weg.

Nicht ganz so zügig verläuft der zweite Termin. Hier geht die Gemeinde Ismaning gegen einen Bescheid des Landratsamtes vom 31. Oktober 2018 vor, in dem dieses die Nutzungsänderung eines Einfamilienhauses in ein Wohnheim mit drei Wohneinheiten und insgesamt 19 Betten genehmigt. Der Bauausschuss des Ismaninger Gemeinderats hatte einen entsprechenden Antrag abgelehnt, weil die geplante Umwandlung keiner typischen Wohnnutzung entspricht und sich diese nicht mit der Umgebung im Moos im Norden der Gemeinde verträgt. Das Landratsamt aber hat das Nein der Ismaninger Lokalpolitiker kassiert und das gemeindliche Einvernehmen ersetzt. Kommunen aber halten gerade diesen sogenannten Außenbereich, also Grundstücke, die nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen und auch nicht zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehören, für besonders sensibel. Steht etwa eine Nutzungsänderungen von landwirtschaftlichen Gebäuden an, wie es sie in vielen Gemeinden gibt, dann schauen Behörden und Lokalpolitiker ganz genau hin. Dass frühere Gebäude beispielsweise in Lager- oder Maschinenhallen umgewandelt werden, darüber herrscht meist Konsens. Sollen aber Wohnungen oder gar Boardinghäuser mit kurzfristiger Vermietung entstehen, dann werden die Gemeinden hellhörig.

Im konkreten Fall befürchtet das Ismaninger Rathaus zu viel Verkehr, wenn in dem umgebauten Austragshaus auf dem landwirtschaftlichen Anwesen zwischen Fischerhäuser und dem schon zum Landkreis Freising gehörenden Schlossgut Erching irgendwann einmal 19 Menschen einziehen, und das auf Zeit, denn geplant ist ein Wohnheim. Eine Sorge, die die Vorsitzende Verwaltungsrichterin Cornelia Dürig-Friedl und ihre Kollegen an diesem Nachmittag durchaus teilen. Das große Austragshaus wurde bereits im Jahr 1974 genehmigt. Bis 2008 lebte dort der frühere Bauer. Schon zuvor wurden auf dem Anwesen mehrere landwirtschaftliche Gebäude auf der Hofstelle in Lager- und Betriebshallen umgewandelt, und das mit Genehmigung der Gemeinde. Nach dem Tod des Bauern wurde das Grundstück, auf dem das Austragshaus steht, 2017 aus dem Gelände herausgetrennt und verkauft. Die neuen Besitzer wollten nach Angaben von Richterin Dürig-Friedl zunächst Ferienwohnungen schaffen, scheiterten allerdings mit ihrem Antrag. Der zweite Versuch gelang: Das Landratsamt erteilte gegen den Willen der Gemeinde Ismaning die Genehmigung, das große Gebäude umzubauen - in ein Wohnheim mit drei Einheiten und 19 Betten zur kurzfristigen Vermietung.

Für das Verwaltungsgericht stellt sich nun aber die Frage, ob dieses Vorhaben überhaupt noch privilegiert ist, da es Zweifel daran gebe, ob es sich bei dem Anwesen überhaupt noch um eine Hofstelle handelt. Die neuen Besitzer und ihr Rechtsanwalt bejahen das, auch das Landratsamt München geht davon aus. Die Gemeinde Ismaning ist sich da nicht so sicher, Richterin Dürig-Friedl und ihre Kollegen ebenfalls nicht. Sie bitten die Parteien nach einem Rundgang durch das Gebäude, in dem Handwerker gerade dabei sind, die Räume herzurichten, weitere Recherchen anzustellen, ob es überhaupt noch eine landwirtschaftliche Tätigkeit auf dem Anwesen gibt. Sollte die Hofstelle tatsächlich keinen Bestand mehr haben, sei das Vorhaben nicht mehr privilegiert, argumentiert Dürig-Friedl - und damit wohl nicht genehmigungsfähig.

Ein Urteil fällt in der mündlichen Verhandlung an diesem Nachmittag nicht. Die Angelegenheit geht nun ins schriftliche Verfahren.

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