Süddeutsche Zeitung

Ismaning:Backofen an der Isar

Bei einem Gesprächsabend suchen Klimaforscher Matthias Garschagen und Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich nach Lösungen, unter anderem zum Schutz vor Hochwasser und Hitzewellen.

Von Alina Hanss, Ismaning

Das Schmelzen der Gletscher, der Anstieg des Meeresspiegels und das Versinken ganzer Städte - mittlerweile müsste jeder gemerkt haben, dass sich das Klima verändert. Und auch wenn sich diese Ereignisse gefühlt am anderen Ende der Welt abspielen, spüren wir die Auswirkungen ebenfalls hier in Bayern. Milde Winter, viel zu heiße Sommer und länger anhaltende und häufiger aufkommende Starkwetterereignisse beschäftigen die Region schon seit längerem. Auch kleine Gemeinden wie Ismaning sind mit dem Klimawandel konfrontiert.

Aus diesem Grund veranstaltete Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) einen Gesprächsabend mit Matthias Garschagen, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), um über die Herausforderungen des Klimawandels zu sprechen. Der Klimaforscher ist nicht nur Mitglied im Weltklimarat, sondern seit dem Vorjahr auch in Ismaning zuhause. Die Podiumsdiskussion mit anschließender Fragerunde fand anlässlich des Auftakts der Wanderausstellung "Wie gut ist eigentlich die Luft bei uns?" im voll besetzten Saal des Kallmann-Museums statt. Das Thema der Veranstaltung war, wie Städte auf die Folgen des Klimawandels reagieren können und wie weit Ismaning in dieser Entwicklung ist.

Auch Ismaning habe in Zukunft mit zwei Problemen zu kämpfen, die als direkte Konsequenz der Erderwärmung gesehen werden könnten, so der Klimaforscher. Auf der einen Seite die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Hochwasser durch die Isar aufgrund der schmelzenden Schneelast in den Alpen. Auch mit extremeren Niederschlägen müsse gerechnet werden, die ebenfalls zu Hochwasser führen könnten. Auf der anderen Seite sei Ismaning auch von Hitzewellen betroffen, die aus "einer Stadt ganz schnell einen Backofen machen können", sagte Garschagen. Es sei deutlich zu erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit von langen Trockenperioden zunehme, die nicht nur eine Gefahr für das Ökosystem rund um die Isar seien, sondern auch dem Menschen schaden könnten.

Durch die vielen Autos und Hochhäuser staue sich die Hitze tagsüber auf und könne aufgrund der versiegelten Flächen im Stadtgebiet nicht entweichen. Bürgermeister Greulich stellt seine Ideen für Ismaning vor: "Wir wollen die Luftzirkulation durch städtebauliche Maßnahmen erhalten und Grün und Wasser zurück in die Stadtgebiete holen. Dazu gehört der Ausbau des Bürgerparks. Gleichzeitig vergrößern wir durch begrünte Flachdächer Verdunstungsflächen, deren abgegebenes Wasser eine Stadt im Sommer enorm herunter kühlen kann."

In den Hitzesommern hat die Sterberate zugenommen

Der Ismaninger Klimaforscher brachte auch die soziale Komponente ins Spiel: "In Zukunft geht es darum, wie sich das Stadtbild verändert. Da ergibt sich ganz klar ein Spannungsfeld für politische Entscheidungen zwischen dem Wohnungsbaudruck und der Wunsch nach Nachverdichtung gegenüber der städtebaulichen Vorstellung, Grün- und Freiflächen zu erhalten" Auch einen anderen Faktor im Bereich der Sozialpolitik bringt Garschagen an: "Wir haben beobachten können, dass in den letzten Hitzesommern die Sterberate zugenommen hat. Gerade Menschen, die von Altersarmut betroffen sind, wohnen eher in überhitzen Dachgeschosswohnungen und können sich keine Kühlgeräte leisten." Hier müsse sich die Politik zum Ziel setzen, Menschen mit geringerem Einkommen ebenfalls am Klimaschutz teilhaben zu lassen.

Zum Abschluss gab der Klimaforscher einen Tipp. Obwohl das eigene Konsumverhalten auf den ersten Blick keinen großen Einfluss auf das Weltgeschehen habe, ließe sich doch auf den politischen Diskurs einwirken. "Wir brauchen eine gute und aufgeklärte Debatte. Verbote sind hier fehl am Platz", sagte er. "Eine Zusammenarbeit mit der Gemeinde, durch die gemeinsam Wissen geschaffen wird, kann hier ganz unkompliziert Probleme lösen. Und wieso nicht noch Schulen, Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung miteinbinden?"

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SZ vom 13.01.2020/hilb
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