80 Jahre KriegsendeDas Vermächtnis der Widerstandskämpfer im Moos

Lesezeit: 3 Min.

Eine Gedenktafel am Pförtnerhaus des Senders in Ismaning erinnert an den Aufstand der Freiheitsaktion Bayern kurz vor Kriegsende. Moderator Andreas Bönte und Birgit Spanner-Ulmer vom Bayerischen Rundfunk enthüllen sie.
Eine Gedenktafel am Pförtnerhaus des Senders in Ismaning erinnert an den Aufstand der Freiheitsaktion Bayern kurz vor Kriegsende. Moderator Andreas Bönte und Birgit Spanner-Ulmer vom Bayerischen Rundfunk enthüllen sie. (Foto: Florian Peljak)

Der Bayerische Rundfunk würdigt den Aufstand der Freiheitsaktion Bayern mit einer Tafel auf dem Gelände seines Senders in Ismaning. Intendantin Katja Wildermuth leitet daraus auch eine Aufforderung für ihr Haus ab.

Von Sabine Wejsada, Ismaning

Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, der vielen Menschen kaum ein Begriff sein dürfte: Die Sendeanlage des Bayerischen Rundfunks mitten im Ismaninger Moos war vor genau 80 Jahren Schauplatz einer groß angelegten Revolte kurz vor Kriegsende, als sich mutige Männer gegen das Nazi-Regime erhoben. Knapp 60 Mitglieder der „Freiheitsaktion Bayern“ bezahlten ihren Aufstand mit dem Leben.

Am 28. April 1945 hatten die Männer den damaligen Reichssender gekapert und die Bewohner Südbayerns um sechs Uhr in der Früh durch die Radiodurchsage „Achtung, Achtung, hier spricht FAB, Freiheitsaktion Bayern!“ geweckt. Auf Deutsch, Russisch, Englisch und Französisch wurde das Ende der Nazi-Herrschaft verkündet und zum Aufstand aufgerufen. Am Jahrestag hat der BR nun auf dem Gelände eine Gedenktafel enthüllt. Sie erinnert an die damaligen Helden – und weist als Symbol für den Kampf um die Demokratie in die Gegenwart und die Zukunft.

Den Anstoß, an der Sendeanlage im Moos über die Freiheitsaktion zu informieren, hatte der Verein „Ismaning bleibt bunt“ gegeben. Seine Vorsitzende Susanne Schweitzer wandte sich an den Bayerischen Rundfunk – und stieß dort auf offene Ohren, wie der Ende April in den Ruhestand gehende BR-Moderator Andreas Bönte bei der Feierstunde sagte. Intendantin Katja Wildermuth dankte der Ismaninger Initiative, die für Vielfalt und Demokratie stehe, dass sie sich für diesen Erinnerungsort einsetze.

Wildermuth betonte dessen aktuelle Bedeutung: Die Gedenktafel werde fortan „täglich und beharrlich“ an die Freiheitsaktion Bayern und an die Hunderten mutigen Menschen erinnern, die ihrem Aufruf gefolgt seien. „Sie ist zugleich ein mahnendes Zeichen und eine Aufforderung an uns alle, sich stets bewusst zu machen, welche Strahlkraft und welches Potenzial in unseren Rundfunksendern steckt – und wie wichtig es mehr denn je ist, dass wir uns auch künftig stark machen für Freiheit, für Menschenwürde und für unsere Demokratie“, sagte die Intendantin.

Die Urenkel eines Beteiligten zeigen sich stolz

Johannes Braun ist der Urenkel des ehemaligen Freisinger Majors Alois Braun, dessen Name unverbrüchlich mit der Freiheitsaktion Bayern verbunden ist. Der 28-Jährige ist zusammen mit seiner Schwester Felicitas, 25, und seinem Onkel Stefan Braun zur Enthüllung der Gedenktafel gekommen. Ihn erfülle es mit Stolz, dass der BR an der Sendeanlage an seinen Urgroßvater und dessen Mitstreiter erinnert, die sich selbst und ihre Familien damals durch ihre Aktion in große Gefahr begeben hätten, sagte er. Das Eintreten gegen die Feinde der Demokratie sei heute dringender denn je. Dass man dem mutigen Engagement der Widerstandskämpfer nun einen Raum gebe, sei wichtig und richtig.

Wer an der Sendeanlage vorbeikommt, kann jetzt die historische Bedeutung des Geländes erfahren: Auf der am Pförtnerhaus angebrachten Tafel sind die Worte zu lesen, mit denen die Freiheitsaktion die Bevölkerung am 28. April 1945 zum Widerstand gegen die Nazis aufrief, um durch einen Waffenstillstand mit den Alliierten weiteres Blutvergießen zu verhindern. Die Planungen für die Radio-Aktion hatten indes lange vorher begonnen. Schon Monate davor waren die Männer um Rupprecht Gerngross, einen Hauptmann der Münchner Dolmetscherkompanie, damit beschäftigt, ein Netzwerk aufzubauen.

Johannes Braun (links) ist der Urenkel von Alois Braun, der maßgeblich an der Freiheitsaktion Bayern beteiligt war. Im Gespräch mit BR-Moderator Andreas Bönte zeigte er sich stolz, dass nun offiziell an die Widerstandskämpfer erinnert wird.
Johannes Braun (links) ist der Urenkel von Alois Braun, der maßgeblich an der Freiheitsaktion Bayern beteiligt war. Im Gespräch mit BR-Moderator Andreas Bönte zeigte er sich stolz, dass nun offiziell an die Widerstandskämpfer erinnert wird. (Foto: Florian Peljak)

Sie hätten erkannt, dass der Krieg nur noch verloren werden konnte, und wollten ihre bayerische Heimat schützen, sagte Veronika Diem im Gespräch mit Bönte. Die Historikerin hat ihre Dissertation („Die Freiheitsaktion Bayern. Ein Aufstand im April 1945 und seine Folgen“) und einen Blog über das Thema veröffentlicht. Ihren Worten zufolge ist das damalige Aufbegehren gegen das Nazi-Regime via Radio ein unbedingtes Beispiel dafür, wie viel Mut es braucht, um für die Demokratie zu kämpfen. „Ich wüsste nicht, ob ich ihn hätte, auch wenn ich es mir wünschte“, so Diem.

Dem Aufruf der Freiheitsaktion folgten seinerzeit an die 80 verschiedene Gruppen mit insgesamt etwa 1000 Personen in ganz Südbayern, weitgehend unkoordiniert und mit unterschiedlichen Unternehmungen. Sie konnte jedoch nicht wie erhofft alle zentralen Partei- und Wehrmachtsstellen in München besetzen, und so eroberten bereits am Vormittag des 28. April 1945 SS-Truppen den Sender Ismaning zurück. Die Aufrufe der Freiheitsaktion hatten schwerwiegende Folgen: Das NS-Regime setzte die vielen Soldaten, die in den Kasernen im Münchner Norden stationiert waren, in Gang. Nach den Worten von Diem wurden 58 Widerstandskämpfer hingerichtet. All jene, die an der Aktion in Ismaning beteiligt waren, überlebten. Auch der Urgroßvater von Johannes und Felicitas Braun. Sein Wirken sei in der Familie immer ein Thema gewesen, sagten die Geschwister bei der Feierstunde an der Sendeanlage.

Auch wenn damals kein Ismaninger an der Freiheitsaktion beteiligt gewesen sei, „ist bei uns das Gedenken an die Widerstandskämpfer im Moos im Bewusstsein verankert“, sagte die Dritte Bürgermeisterin Luise Stangl (SPD). Die Gemeinde bemühe sich stets, dass die Botschaft „Nie wieder!“ in allen Generationen Gehör finde und als Mahnung verstanden werde. Schon in den Grundschulen werde der Kampf gegen rassistisches Gedankengut mit altersgerechten Projekten geführt, so Stangl: „Wir in Ismaning halten dagegen.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

80 Jahre Kriegsende
:Aufstand gegen die Endzeitkämpfer

Wenige Tage vor Kriegsende verkündete die Freiheitsaktion Bayern über den Sender Ismaning das Ende der Naziherrschaft. Der Plan der Widerstandsgruppe ging nicht auf, viele Beteiligte wurden erschossen. Dennoch war ihr Einsatz nach Einschätzung von Historikern nicht vergebens.

SZ PlusVon Udo Watter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: