Mitten in Unterschleißheim:Verlorenes Einkaufsparadies

Wer die Einsamkeit sucht, ist im Isar-Amper-Einkaufszentrum richtig - und bekommt noch eine Reise in die Vergangenheit dazu.

Kolumne von Bernhard Lohr

Was? Sie möchten gerne mal alleine sein. So ganz für sich. Dann gehen Sie doch ins Einkaufszentrum. Das klingt natürlich wie ein ziemlich platter Witz, wenn man den Trubel im Olympia-Einkaufszentrum in München vor Augen hat. Dort treten sich die Leute ja in die Hacken. Dort gehen die Leute ja nicht nur zum Shoppen hin, auch die Plätze in den Cafés sind gut belegt, weil viele offenbar angesichts der Hitze draußen lieber in der klimatisierten Mall ein Eis essen. Der Sommer ist vielen mittlerweile längst unheimlich geworden. Zu trocken, zu heiß.

Wem außer der prallen Sonne auch die großen Menschenansammlungen zu viel werden, sollte sich wirklich mal überlegen, nach Unterschleißheim zu fahren, und dort ins Isar-Amper-Einkaufszentrum zu gehen. Ein Eis kriegt er vielleicht sogar auch, wenn er in der Kühltruhe beim Bonus-Markt nachschaut. Aber vor allem findet er dort Ruhe, viel Platz und ein Erlebnis der besonderen Art. Das IAZ wirkt wie aus der Zeit gefallen. Seit längerem stehen fast alle Ladengeschäfte leer. Der mehrgeschossige Bau, am Rathausplatz im Herzen von Unterschleißheim eigentlich gut gelegen, fristet ein Dasein wie Dornröschen im Glassarg: Mehr tot als lebendig, seit klar ist, dass er abgerissen wird. Ende des Jahres muss auch noch der von einer gemeinnützigen GmbH getragene Bonus-Markt raus.

Viele haben das IAZ gedanklich längst aus dem Stadtplan gestrichen. Ins Erdgeschoss verirren sich ja noch manche. Aber im ersten Stock ist man praktisch alleine. Ein Orgelmuseum hat sich dort niedergelassen. Hinter einer Schaufensterfront ist eine beeindruckende Zahl an Orgeln und Akkordeons zu erkennen. Der Blick auf zwei Plakate, die in der einstigen Mall an der Wand hängen, steigert das Gefühl der Verlorenheit ins nahezu Unermessliche. Sie künden von zwei Kunstausstellungen im Jahr 1996. Dass eines davon auf eine Fotoschau in der Städtischen Galerie Göppingen verweist, die "Verlorenes Paradies" hieß, passt zur Szenerie. Ein Einkaufsparadies war das IAZ vielleicht mal. Es ist untergegangen wie das Südsee-Idyll, von dem die Fotos von Giovanni Rizzoli kündeten, die 1996 gezeigt wurden.

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