Es ist ein spektakulärer Fall mit hoher Schadenssumme: Zwei Mitarbeiter von BMW haben über mindestens anderthalb Jahre hinweg auf Bestellung Teile aus dem Münchner BMW-Werk geklaut (die SZ berichtete). Sie verkauften die Artikel international weiter, der Schaden liegt nach bisherigen Erkenntnissen bei zwei bis drei Millionen Euro. So groß im Geschäft sind Mitarbeiter selten, und doch bedienen sich Angestellte in vielen Unternehmen und lassen Dinge mitgehen. Volker Schlehe arbeitet in der Rechtsabteilung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und berät Firmen zum Umgang mit Wirtschaftskriminalität.
Herr Schlehe, bei BMW gelang es Mitarbeitern lange, unbemerkt ganze Autositze aus dem Werk zu entwenden. Sind alle Diebe so gewieft?
Nicht unbedingt, und es ist auch nicht immer unbedingt nötig. Besonders anfällig für Diebstahl seitens von Mitarbeitern ist der Handel, und da reicht es ja oft schon, einen kleinen Artikel in eine Manteltasche zu stecken. Allerdings haben viele Handelsketten da längst reagiert: Es gibt Häuser, da müssen die Mitarbeiter beim Gehen ihre Taschen öffnen, oder sie müssen bestimmte Arbeitskleidung ohne Taschen tragen.
I st Diebstahl überhaupt ein so weit verbreitetes Thema in den Firmen, oder passiert die eigentliche Wirtschaftskriminalität heutzutage nicht eher über Datenklau, Betrug oder Korruption?
Diebstahl und Unterschlagung sind mit Abstand die häufigsten Straftaten im Wirtschaftsleben. Und man muss es so deutlich sagen: Gelegenheit macht Diebe. Die Unternehmen können also einiges tun, um es nicht so weit kommen zu lassen.
Wie können sich Firmen wappnen?
Zunächst einmal muss man alle Bereiche des Unternehmens im Blick haben. In den vergangenen Jahren wurde hier ein starker Fokus auf Einkauf und Vertrieb gelegt, aber auch in Lagern und Produktionsabteilungen ist die Diebstahlgefahr groß. Man wird sicherlich die interne Revision ausbauen müssen. Wichtig ist auch, immer wieder Sonderuntersuchungen zu machen - und zwar zu nicht angekündigten Zeitpunkten. Wenn die interne Revision angekündigt vorbeikommt, wissen kriminelle Mitarbeiter ja auch rechtzeitig Bescheid.
Was ist mit Videoüberwachung? So lassen sich Mitarbeiter schließlich eindeutig erwischen.
Videoüberwachung ist dann legal, wenn sie mit dem Betriebsrat abgestimmt ist - in Fällen, in denen es bereits einen Verdacht gibt, ist das eine Möglichkeit. Der Arbeitgeber darf aber nicht ohne speziellen Anlass und flächendeckend überwachen lassen.
Gibt es Möglichkeiten jenseits von Überwachung und Kontrolle?
Es ist immer wichtig, die Ursache für Diebstahl im Blick zu halten. Meist sind Diebstähle auf fehlende Loyalität dem Unternehmen gegenüber zurückzuführen. Das gilt wiederum oft da, wo wenig bezahlt wird. In der Gastronomie etwa sind die Löhne niedrig, deswegen kommt es in dieser Branche schon öfter vor, dass ein Mitarbeiter mal wertvolles Besteck oder Geschirr mitnimmt.
Ist die Rechnung für den Unternehmer vielleicht ganz einfach? Zahle den Mitarbeitern mehr Geld, dann klauen sie weniger?
Ganz so leicht ist es nicht, zur Loyalität zählt auch die allgemeine Zufriedenheit des Mitarbeiters, und die hat nicht nur mit Geld zu tun. Andererseits sind auch Gutverdiener anfällig - wenn sie sich einen so hohen Lebensstil angewöhnt haben, dass sie immer noch mehr Geld brauchen. Und den Klassiker des Diebstahls durch Mitarbeiter gibt es sowieso quer durch die Bank in allen Unternehmen: Büromaterial wird sehr gerne einfach mal mitgenommen.
Wie sollten Unternehmer reagieren, wenn sie jemanden ertappt haben?
Sie sollten in jedem Fall hart durchgreifen. Wenn jemand wertvolle Dinge klaut, ist in jedem Fall eine fristlose Kündigung gerechtfertigt, eine Abmahnung reicht da nicht mehr. Da muss man Zeichen setzen. Denn wenn das Risiko gering ist, klauen viele einfach weiter. Ohnehin werden erfolgreiche Diebe oft immer dreister, wenn sie mit ihrer Masche zunächst Erfolg hatten.
Wie hoch ist der Schaden für die Wirtschaft?
Deutschlandweit geht der Schaden in die Milliarden. Genau beziffern lässt er sich nicht, auch weil es eine hohe Dunkelziffer gibt: Diebstähle, die nicht entdeckt werden, tauchen höchstens in der nächsten Inventur als Schwund auf.
Interview: Michael Tibudd