Interview mit Putzbrunns Bürgermeister:"Ich halte das für das falsche Signal"

Interview mit Putzbrunns Bürgermeister: Mit dem Flächennutzungsplan will Bürgermeister Edwin Klostermeier ein "moderates Wachstum" fixieren. Das bedeutet: 1,5 Prozent mehr Einwohner im Jahr.

Mit dem Flächennutzungsplan will Bürgermeister Edwin Klostermeier ein "moderates Wachstum" fixieren. Das bedeutet: 1,5 Prozent mehr Einwohner im Jahr.

(Foto: Claus Schunk)

Bürgermeister Edwin Klostermeier über den Dissens im Gemeinderat bezüglich Ortsumfahrung und Flächennutzungsplan, Wachstumsdruck und Siedlungsbrei - und die aktuelle Diskussion zu historisch belasteten Straßennamen

Von Stefan Galler, Putzbrunn

Derzeit wird in Putzbrunn viel über Straßennamen diskutiert, die Menschen mit teilweise unrühmlicher Vergangenheit gewidmet sind. Doch es gibt noch ganz andere Aufgaben, mit denen sich die dortigen Politiker beschäftigen: etwa die Überarbeitung des Flächennutzungsplans (FNP) - eine Mammutaufgabe, vom Gemeinderat bereits 2009 auf den Weg gebracht. Seit damals wird das Gemeindegebiet einer umfangreichen Neuordnung unterzogen. In stundenlangen Arbeitstreffen und Sitzungen geht man haarklein das Gemeindegebiet durch und errechnet exakt, welche Bodenwidmung an welcher Stelle angewandt werden soll.

Die Gesamtkosten des Projekts inklusive Gutachten, Planungen und Personalkosten dürften über 100 000 Euro liegen. Zuletzt traf sich der Gemeinderat Putzbrunn zu einer außerordentlichen Sitzung, um sich mit Einwendungen und Stellungnahmen von Bürgern, Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange zu beschäftigen. Die SZ sprach mit Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) vor dessen Abreise in den Urlaub über die Bedeutung des neuen Flächennutzungsplanes für die Gemeinde und die Auswirkungen auf den ausstehenden letzten Teil der Ortsumfahrung.

SZ: Herr Klostermeier, die Änderung eines Flächennutzungsplanes klingt nicht gerade nach Vergnügungssteuer. Eher nach viel Bürokratie und verwaltungstechnischer Kärrnerarbeit. Zunächst mal ganz grundsätzlich: Warum ist dieser komplizierte und äußerst umfangreiche Vorgang überhaupt notwendig?

Edwin Klostermeier: Der Ausgangspunkt war unser Ortsleitbild, mit dessen Ausarbeitung wir 2007 begonnen haben. Darin haben wir bestimmte Leitlinien für die künftige Entwicklung unserer Gemeinde festgelegt. Aber ein solches Leitbild ist ja eigentlich nur eine Willensbekundung und macht ausschließlich dann Sinn, wenn man es in einen gesetzlichen Rahmen einbindet. Deshalb war klar, dass wir eine Überarbeitung unseres bereits 25 Jahre alten Flächennutzungsplans brauchen, um alle Vorgaben, die wir uns selbst im Ortsleitbild gegeben haben, auch umzusetzen.

Welche Ziele verfolgt die Gemeinde mit der Änderung des Plans?

Es gibt drei Bereiche, die wir beachten wollen: eine Vergrößerung des Gewerbegebiets Ost, die Festschreibung der Ziele des Ortsleitbildes, was Ortsentwicklung und Erhalt der Rodungsinsel angeht, sowie die Verhinderung eines Zusammenwachsens der Gemeindeteile Waldkolonie und Putzbrunn Ort.

Wie soll die Vergrößerung des Gewerbegebiets konkret aussehen?

Wichtig ist zu betonen, dass wir hier nur zusätzliche Flächen ausweisen, um das bestehende Gebiet um 15 bis 20 Prozent auszuweiten. Wir wollen hier unseren Unternehmen die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln. Das ist wichtig, weil sie sonst irgendwann abwandern, wir aber natürlich auch auf die Gewerbesteuereinnahmen angewiesen sind.

Die Erweiterung eines Industriegebietes dürfte dennoch nicht jeden zu Jubelstürmen hinreißen.

Manche Bürger befürchten, dass das Gebiet sehr groß und unübersichtlich wird. Aber ich denke, dass die Erweiterung, die wir im Flächennutzungsplan vorgesehen haben, für Putzbrunn absolut tragbar ist.

Was verbirgt sich hinter den anderen Punkten?

Ein Ziel des Ortsleitbildes ist die Festschreibung des Wachstums von Putzbrunn auf ein bis maximal 1,5 Prozent Wachstum pro Jahr. Dafür müssen wir im Flächennutzungsplan die Grundlagen schaffen und auch Wohngebiete ausweisen. Aber eben moderat. Und der Erhalt der Rodungsinsel bedeutet nichts anderes, als dass wir den vorhandenen Wald um uns herum erhalten wollen. Als Naherholungsgebiet aber auch als Trenngrün zur Stadt, sodass hier kein riesiger Siedlungsbrei entsteht.

Das Gewerbegebiet ist nicht der einzige Punkt in der Neufassung, der für Diskussionen sorgt. Bei der jüngsten außerordentlichen Gemeinderatssitzung haben Sie und Ihre Kollegen gerade einmal 17 von über 40 Stellungnahmen von Bürgern oder Behörden abarbeiten können. Wie geht es nun weiter?

Wir haben für den 25. März eine Samstagssitzung einberufen, um die fehlenden Punkte abzuhandeln. Danach sollten wir mit den Stellungnahmen durch sein.

Und dann kann man damit rechnen, dass der überarbeitete Flächennutzungsplan nach fast acht Jahren endlich in Kraft gesetzt werden kann?

Leider sieht es danach momentan nicht aus. Wir müssen wohl in Kauf nehmen, dass er ein bis zwei Jahre später in Kraft tritt. Das hängt am Thema Ortsumfahrung. Weil sich eine Mehrheit der Gemeinderäte dafür aussprach, die Ortsumfahrung nicht aus dem Flächennutzungsplan herauszulösen und sozusagen schon mal 80 bis 85 Prozent des Planes zu verabschieden. Ich halte das für das falsche Signal.

Sie hatten sich dafür ausgesprochen, Ortsumfahrung und FNP voneinander abzukoppeln.

Ich will einfach die übrigen Punkte im Flächennutzungsplan retten, es gibt, wie erwähnt, nicht nur die Umgehung, sondern auch zahlreiche andere Aspekte, die für die Infrastruktur Putzbrunns wichtig sind.

Etwas überraschend wollen neben der CSU-Fraktion auch Ihre Parteikollegen von der SPD die beiden Themenkomplexe nicht voneinander trennen, obwohl man bei der Umfahrung derzeit wieder mal nicht weiter kommt. Warum ist das so?

Beide Fraktionen befürchten wohl, dass der Druck, sich auch weiterhin mit der Umfahrung zu beschäftigen, wegfallen würde, wenn wir die unstrittigen Teile des Planes nun beschließen.

Mit Ihnen stimmten dagegen etwa die Gemeinschaft pro Putzbrunn (GPP) und die Freie Wähler Gemeinschaft (FWG), die bislang beim Thema Umfahrung eher anderer Meinung waren als Sie.

In diesem Fall haben sich beide Fraktionen für die schnelle Lösung entschieden, was den Flächennutzungsplan angeht. Eine Interpretation dieses Votums steht mir nicht zu, aber es ist ja offensichtlich, dass es in beiden Fraktionen Gemeinderäte gibt, die nicht hinter der vom Gremium nun schon mehrmals beschlossenen Trasse A der Umgehung (vom Grasbrunner Kreisel in südwestlicher Richtung innerhalb des Autobahnrings bis zur A 99-Anschlussstelle Hohenbrunn/Putzbrunn, Anm. d. Red.) stehen.

Wie soll es denn nun bei der Umfahrung weitergehen?

Zunächst müssen wir abwarten, zu welchen Ergebnissen die kürzlich eingesetzte interkommunale Gruppe kommt, die ein Verkehrskonzept für Putzbrunn, Hohenbrunn, Grasbrunn und Höhenkirchen-Siegertsbrunn erarbeiten will.

Der letzte Stand war, dass sie noch zwei Grundstückseigentümer, die beide im Gemeinderat sitzen, von einem Verkauf überzeugen müssten, um die Umfahrung bauen zu können.

Daran hat sich nichts geändert. Wobei es so ist, dass diese Beiden anfänglich keine Ablehnung signalisierten und wiederum andere, die anfangs zögerten, nun bereit sind. Aber es gibt ja noch ein anderes Problem.

Und das wäre?

Dass die Gemeinde Grasbrunn mittlerweile ihre Bereitschaft zurückgezogen hat, dass wir einen Teil der Umfahrung auf deren Flur bauen dürfen. Sie wollen jetzt erst einmal abwarten, was die interkommunale Gruppe erreicht.

Womit die Realisierung der Trasse in noch weitere Ferne gerückt ist. Wie kann man den Verkehr dennoch aus Putzbrunn Ort herausbekommen?

Wichtig erscheint mir, um den Ort vor Gewerbeverkehr zu entlasten, die Verlängerung der Hermann-Oberth-Straße bis zum Grasbrunner Kreisel. Daran arbeiten wir derzeit. Des weiteren wird uns wohl über das Flächennutzungsplan-Verfahren die Prüfung einer Westumgehung aufgezwungen. Diese würde die Ortsteile Waldkolonie und Putzbrunn Ort durchtrennen und sie wäre sehr nahe an der Bebauung. Das waren auch die Gründe, warum sie bei der letzten Prüfung vor 20 Jahren durchgefallen ist. Aber wenn bestimmte Gemeinderäte die Trasse A partout nicht wollen, sollten sie vielleicht den politischen Mut aufbringen, diesen Gedanken wieder aufzugreifen und entsprechende Anträge stellen.

Zum Abschluss noch ein anderes Thema, das Putzbrunn derzeit bewegt: In der Gemeinde sind Straßen nach umstrittenen Personen benannt. Es geht um den von den Nazis zwischen 1935 und 1945 eingesetzten ehemaligen Bürgermeister Michael Haslbeck und um Wernher von Braun, den Raketeningenieur des Zweiten Weltkriegs. Wie wird die Gemeinde mit dem Thema nun umgehen?

Seit einigen Monaten wird in den Fraktionen des Putzbrunner Gemeinderates bezüglich der Straßennamenbenennung Wernher-von-Braun beraten. Die Verwaltung war beauftragt, Daten - auch in Bezug auf hierzu geführte Diskussionen - in vielen anderen Städten und Gemeinden, zu sammeln. Die Ergebnisse münden in eine Gemeinderatsvorlage, die in der März-Sitzung 2017 öffentlich behandelt wird. Eines ist mir aber ganz wichtig: Die Arbeitsgruppe des Ortsleitbildes, die sich um die Erarbeitung von Zusatztafeln zu den Straßenschildern kümmerte, hatte nicht den Auftrag, hier tätig zu werden. Dies ist meines Erachtens Aufgabe der politischen Gremien, also des Gemeinderates.

Werden Sie auch die Michael-Haslbeck-Straße im Gremium thematisieren, die ja erst unlängst ein Info-Schild bekam?

Ja, das werde ich tun. Es ist auch denkbar, dass das Schild, auf dem bisher ja nur die Lebensdaten und Haslbecks Zeitspanne als Bürgermeister aufgeführt sind, noch einmal überarbeitet wird.

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