Seit gestern ist es offiziell: Josef Ernst Köpplinger wird von 2012 an für zunächst sechs Jahre Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Er scheint der richtige Mann für das Haus zu sein, denn das erste, was er vor Journalisten sagte, war: "Das Gärtnerplatztheater ist das komplizierteste Haus der drei Staatstheater in München."
Klar, die Staatsoper ist die Staatsoper, die macht was sie will, in Sphären, in denen sich weltweit vielleicht ein Dutzend Opernhäuser befinden, das Staatsschauspiel macht auch was es will, nur singt dort keiner. Und das Gärtnerplatztheater steht dazwischen, und momentan weiß man nicht, was es in diesem Dazwischen soll.
Die Crux ist so alt wie das Haus. Als Bürgertheater wurde es gegründet, ging bald pleite, Ludwig II. machte es zur dritten Hofbühne für ein damals völlig neues Genre, die Operette. Die Geschichte des Hauses begann also mit Uraufführungen. Viele Jahre später erklärte es Hitler zu seinem Lieblingstheater, folgerichtig wurde es im Krieg schwer zerstört.
Der Neubeginn danach fand einerseits mit jenen Stücken statt, die 50, 60 Jahre zuvor Novitäten waren, andererseits war es ein paar Jahre lang mit der Staatsoper fusioniert, war deren Ort für die leichte Muse. So, dann wurde das Haus wieder selbständig, 1955, und damit begann der Spagat, der bis heute währt.
Denn nun wurden hier Oper, Operette und Musical gespielt, Strawinskys "Rake's Progress" neben "Kiss me, Kate". Das war in den fünfziger Jahren, und im Prinzip ist es so noch heute. Nur gab es früher Intendanten wie Kurt Pscherer, zu dem auch die Standlfrauen vom nahe gelegenen Viktualienmarkt ins Haus kamen.
Seine Nachfolger Hellmuth Matiasek und Klaus Schultz sprachen eher die Opernfreunde an, denen die Staatsoper zu teuer war. Gerade Schultz bewies, was am Gärtnerplatztheater möglich ist, er brachte etliche Ur- und Erstaufführungen heraus, kooperierte mit der Münchener Biennale - und das Haus verlor einen Teil seiner Seele.
Hier begann der verschworene Geist des Hauses sich langsam zu verflüchtigen, vieles war zu brav, zu bieder, nur nominell modern - von einigen herausragenden Höhepunkten abgesehen. Es wurde muffig am Gärtnerplatz. Doch man wusste noch um die Historie, um die Eigenständigkeit; was davon übrig war, räumte Ulrich Peters schließlich weg. Zwei, drei wirklich gelungene Produktionen in den vergangenen drei Jahren, ansonsten nur Erosion. In der Kunst, im Ensemble, im Publikum.
Einerseits hat es Köpplinger jetzt leicht, weil es viel schlimmer nicht mehr werden kann. Andererseits steht ihm eine riesige Aufgabe bevor, und damit ist nicht nur die Renovierung von Mitte 2012 bis vermutlich Ende 2014 gemeint, in der man auf Spielstätten wie das Cuvilliés-Theater, das Prinzregententehater oder die Reithalle ausweichen wird.
Köpplinger muss dem Haus wieder eine Seele geben. Und wenn er es so macht wie in Klagenfurt ("da läuft's wie beim Brezenbacken", so Köpplinger), dann klappt das. Er ist ein begnadeter Integrierer.
Köpplinger weiß, dass die Staatsoper zu imitieren Unsinn ist. Er will junge Sänger suchen, er will, amerikanisch geschult, die drei Musiktheater-Genres gleichberechtigt ernst nehmen, das Repertoire auf ein vernünftiges Maß beschränken, die Jugend ins Theater holen (in Klagenfurt sind derzeit 25 Prozent der Besucher Jugendliche), mit anderen Häusern kooperieren, selbst bis zu drei mal pro Saison inszenieren.
Viel Konkretes erfährt man noch nicht, auch noch nicht über die Umbauphase. Am Sonntag kann man weiter diskutieren. Beim Gärtnerplatz-Open-Air unter David Stahl.