Süddeutsche Zeitung

Integration:Höhenkirchen ist nicht Chemnitz

Lesezeit: 2 min

Nach dem Urteil gegen die Vergewaltiger einer 16-Jährigen blickt der Arbeitskreis Asyl nach vorne

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Ein Jahr nach der Vergewaltigung einer 16-Jährigen durch zwei Asylbewerber in Höhenkirchen ist das Verbrechen strafrechtlich aufgearbeitet. Das Gericht verhängte mehrjährige Haftstrafen und beendete ein Verfahren, das in der Gemeinde mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wurde. Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) sagt deutlich: "Es erfüllt mich mit Genugtuung, dass die beiden Täter bestraft wurden." Und sie ergänzt: "Vielleicht spricht es sich auch in entsprechenden Kreisen herum, dass bei uns Regeln gelten, die alle Bürger dieses Landes einhalten müssen."

Anders als nach den Gewalttaten in Chemnitz oder Freiburg blieb ein größeres Echo auf die Tat in Höhenkirchen aus. Allein der damalige AfD-Bundestagskandidat und heutige Abgeordnete Gerold Otten nahm das Verbrechen im Wahlkampf zum Anlass, ein härteres Vorgehen gegen Migranten zu fordern. Die am Ort untergebrachten Flüchtlinge waren auch insofern nur indirekt betroffen, als die Täter ebenso wie ihr Opfer von auswärts kamen. Sie alle hatten in der Höhenkirchener Unterkunft mit viel Alkohol gefeiert, bevor es gegen 20 Uhr auf einem früheren Firmengelände an der Bahnhofstraße zu der Tat kam.

Nicht zufällig waren die jungen Flüchtlinge von weit her in die Bahnhofstraße zum Feiern zusammen. Dort fehlte dem Sprecher des örtlichen Arbeitskreises Asyl, Franz Dielmann, zufolge lange festes Sicherheitspersonal. Die Zustände dort hätten ihm und seinen Leuten damals auch schon Sorgen bereitet. Dann kam es zu dem Sexualverbrechen. Seitdem sei rund um die Uhr Security präsent, sagt Dielmann. Mit der PulsM GmbH soll in Kürze zudem ein spezialisiertes Unternehmen die Hausleitung übernehmen. Die Professionalisierung habe dem Haus gut getan, sagt Dielmann. Über die Gewalttat an sich habe man im Ort wohl geredet, im Arbeitskreis eher wenig. Täter und Opfer seien ja nicht von hier gewesen.

Mit den Flüchtlingen in der Gemeinde machen Dielmann und seine Helfer viele positive Erfahrungen. So fanden sieben Jugendliche aus den Holzhäusern an der Ottobrunner Straße eine Lehre. Eine Familie kam auf eigene Faust zu einer Wohnung, und sechs Flüchtlinge sind bei der Feuerwehr Höhenkirchen aktiv. Vier von ihnen sind im Mannschaftsdienst aufgenommen, zwei befinden sich noch in der Ausbildung. Wobei zunichte gemacht zu werden droht, was aufgebaut wurde. Denn die Feuerwehrleute haben mit ihrem Anerkennungsbescheid als Flüchtlinge vom Landratsamt die Aufforderung zugeschickt bekommen, sich eine neue Bleibe zu suchen. Die Feuerwehrkommandantin hat sich laut Dielmann schriftlich dafür stark gemacht, die Leute am Ort zu halten.

Dielmann wünscht sich noch bessere Bedingungen in den Unterkünften. Er begrüßt, dass in der Unterkunft an der Bahnhofstraße Küchen auf den Etagen eingerichtet wurden. Ein Gemeinschaftsraum für die Häuser wäre ein Segen, sagt er. Außerdem günstiger Wohnraum am Ort. Es sei besser, die jungen Leute machten in Höhenkirchen eine Lehre zum Altenpfleger als in München. Sie würden hier dringend gebraucht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4210097
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.