Initiative zum Umweltschutz:Landkreis drückt bei E-Mobilität aufs Tempo

Landtag diskutiert über Elektromobilität

Mehr Ladesäulen sollen helfen, Elektroautos populärer zu machen.

(Foto: dpa)

Bisher sind kaum mehr als 400 Elektroautos zugelassen. Das soll sich möglichst schnell ändern. Deshalb will die Kreispolitik in den kommenden Jahren ein dichtes Netz an Strom-Ladesäulen aufbauen.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Es wird spannend zu beobachten sein, ob Deutschlands große Automobilhersteller schneller sind als die Kommunalpolitiker im Landkreis München. Großspurig hatten am Dienstag Daimler, BMW, VW und Ford angekündigt, von 2017 an 400 Schnellladestationen für Elektroautos an den wichtigsten europäischen Verkehrsachsen aufzubauen. Tausende sollen es bis ins Jahr 2020 sein.

Die Gedankenspiele der Autobauer enden allerdings meist an den Autobahnausfahrten. Was aber macht ein Fahrer nach bangem Blick auf den Akkustand, wenn er etwa an der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning die A 99 verlässt?

Nach dem Willen der Kreispolitiker soll er "so schnell wie möglich", wie es Landrat Christoph Göbel (CSU) im Mobilitätsausschuss formulierte, auch an wichtigen Straßen und Punkten des Landkreises sein Auto aufladen können. "Wir müssen den Vorstoß der Autoindustrie aufnehmen", pflichtete Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) bei. "Standorte könnten auch Autobahnausfahrten sein. Und wir sollten, wenn das Konzept für den Landkreis ausgearbeitet wird, auch mit der Automobilindustrie sprechen. Die Systeme sollten kompatibel sein."

Eine Revolution im Kleinen

Der Landkreis plant nicht weniger als die Revolution des Individualverkehrs im Kleinen, die endlich auch von den großen Autofabrikanten und der Bundesregierung in Angriff genommen wird. Engmaschig soll das Netz sein, das die Bürger im Landkreis nutzen können. Einfach zu bedienen. Benutzerfreundlich, wie Ralph Lange vom Fraunhofer-Institut sagt, das den Kreis beim Aufbau eines Systems für Ladestationen berät. Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) beschreibt den Zustand der Infrastruktur so: "Da stehen irgendwo in der Landschaft ein paar Säulen rum, keiner weiß, wem die gehören, woher der Strom kommt. Andere fragen sich, für was die überhaupt gut sind."

Ladestation für Elektro-Autos

Ladesäule für E-Autos: VW will sich auf die Elektro-Mobilität konzentrieren, nicht alle sind dafür.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Über den Nutzen, den die Ladestationen in sehr naher Zukunft haben sollen, sagt Landrat Christoph Göbel: "Wir wollen natürlich das Verhalten der Bürger ändern. Die E-Mobilität wird von der Bundespolitik derzeit stark gefördert, und wir müssen dabei intensiv mithelfen." Laut Ralph Lange kommt dem Landkreis beim Umstieg auf Elektrofahrzeuge eine Vorreiterrolle zu: "Er muss Vorbild und Motor sein."

Wie diffizil und komplex das noch sein kann, lässt sich am Landratsamt selbst beobachten. Die Behörde hat bereits einen Vertrag mit BMW, least von dem Autobauer Elektrofahrzeuge und die Mitarbeiter nutzen sie auf kurzen Strecken. Denn für die sind die E-Autos notgedrungen aufgrund der geringen Akkuleistung und Reichweite ausgerichtet. Landrat Göbel selbst würde gerne von seinem Benziner auf ein E-Auto umsteigen, doch die Fahrt zur nächsten Landkreisversammlung in Schwandorf im Mai könnte mit einem solchen Auto zu einer Reise mit vielen Unterbrechungen werden. "Wahrscheinlicher ist, dass der nächste Dienstwagen ein Hybrid wird", sagt Göbel daher.

Steuervergünstigte E-Bikes für die Mitarbeiter

Als innovativen Schritt aber will das Landratsamt seinen Mitarbeitern steuervergünstigte E-Bikes zur Verfügung stellen. Wo aber sollen die aufgeladen werden? Am Landratsamt am Mariahilfplatz gibt es zwar schon Säulen, aber die Behörde hat weitere Dependancen und Immobilien - darunter die Zulassungsstelle in Grasbrunn, die Burg Schwaneck, die Jugendbegegnungsstätte am Tower in Oberschleißheim, das Ferien- und Bildungszentrum. Letzteres liegt im Landkreis Traunstein.

Zu den Liegenschaften des Kreises gehören auch die weiterführenden Schulen: die 14 Gymnasien, sieben Realschulen, die drei Förderschulen sowie die Fach- und Berufsoberschule in Unterschleißheim. Für alle Standorte des Landkreises und die Schulen soll auf Antrag der Grünen geprüft werden, ob Ladestationen für Autos, aber auch überdachte Fahrradstellplätze mit Stromanschluss geschaffen werden können.

Der Kreis, das sagt auch Landrat Göbel, kann zwar erster Taktgeber sein - ohne ein umspannendes Netz, an dem alle 29 Kommunen beteiligt sind, funktioniere die Energiewende aber nicht. Und der Aufbau eines Netzes aus Ladestationen ist in erster Linie ein zentraler Bestandteil der Energievision 29++. Die kann wiederum nicht ohne externen Sachverstand funktionieren, weshalb die Kreispolitiker entschieden haben, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Dem sollen die Erkenntnisse des Fraunhofer-Instituts zugrunde liegen.

Ladesäulen

Wie die Ladesäulen im Landkreis München aussehen könnten, dazu hat das mit einem Gutachten beauftragte Fraunhofer-Institut bereits sehr konkrete Vorstellungen: Gedacht ist an sogenannte öffentliche Multimedia-Säulen mit großzügigen Bildschirmen und Touch-Bedienung. Darauf könnten Benutzer während der Ladezeit neben dem aktuellen Strompreis auch über den Landkreis allgemein, Einkaufsmöglichkeiten rund um die Säule oder aktuelle Nachrichten informiert werden. Fraunhofer-Mitarbeiter Ralph Lange kann sich auf den Screens auch Werbung vorstellen: "Und das würde natürlich zur Finanzierung beitragen." müh

Dass der Aufbau eines Netzes teuer wird, ist den Kreispolitikern bewusst. Allerdings ist noch vollkommen unklar, wer die Ladestationen finanzieren soll. Für Grünen-Kreisrat Markus Büchler wird dies zentraler Bestandteil des Gutachtens. Vorstellbar sei, dass ein Anbieter die Säulen errichtet und an den Landkreis oder die Kommunen vermietet. Weniger wünschenswert, aber nicht ausgeschlossen ist laut Büchler die Finanzierung durch einen großen Stromanbieter, der dann natürlich auch die Energie liefere. Oder aber der Kreis baut selbst und finanziert die Stationen auch mit Unterstützung der Kommunen. "Da aber müssten wir richtig Geld in die Hand nehmen", sagt Büchler.

400 Elektroautos gibt es im Landkreis

Er selbst hat mit einer wahren Antragsflut in den vergangenen Monaten den Prozess im Landkreis angeschoben. Aus seiner Sicht müssen die Kommunen und der Landkreis als Motor agieren: "Sonst wird da nichts draus." Etwas mehr als 400 reine Elektroautos gibt es momentan im Landkreis - bei mehr als 320 000 Einwohnern. Für die, würde Stefan Schelle wohl sagen, reichten die paar Säulen in der Landschaft.

"Es braucht jetzt für den Landkreis einen Plan", fordert daher Büchler. Nur so könnten Bürger zum Umstieg auf ein E-Auto bewogen werden. Darüber diskutieren die Kreisräte seit mehr als zwei Jahren, so lang reicht Büchler schon Anträge ein. Jetzt soll - auch dank der Automobilindustrie - das Tempo gesteigert werden.

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