Süddeutsche Zeitung

Infrastrukturlasten:Rechnung ohne die Kinder

Oberschleißheim hat bei der Planung von Wohngebieten nicht geklärt, wo für die Neubürger benötigte Schulräume und Tagesstätten entstehen sollen. Nun drohen sich die Verfahren zu verzögern

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Die geplanten Neubaugebiete in Oberschleißheim erfordern mittelfristig wahrscheinlich fünf neue Grundschulklassen, zehn Gruppen in Kindertagesstätten und knapp hundert Hortplätze. In der neuen Siedlung in Mittenheim und den beiden separaten Baugebieten zwischen St.-Margareten-Straße und Schäferanger müsste damit mindestens eine neue Kindertagesstätte entstehen, wahrscheinlich zwei. Und wer soll das bezahlen? Die Baugebiete sind schon seit Jahren im Planungsprozess, ehe sich das Rathaus nun mal mit der Frage beschäftigt.

Bislang war man im Rathaus offenbar davon ausgegangen, dass die neue Kindertagesstätte, die zum sozialen Konzept des neuen Viertels Mittenheim gehörte, für den Bedarf schon irgendwie ausreichen werde. Ein Gutachten errechnete nun die wahrscheinlichen Folgen für die Infrastruktur und der neue Bürgermeister Markus Böck (CSU) befand, diese gewaltigen Dimensionen sollten nicht auf ein Gebäude fokussiert werden, mit dem dann die Folgen für Schule und Hort ohnehin gar nicht erfasst wären. Außerdem wären die innerörtlichen Neubaugebiete dann davon abhängig, dass die Kollegen in Mittenheim ein Kinderhaus errichten, davor könnte nicht gebaut werden.

Vor der Ausweisung der Neubaugebiete an St.-Margarethen-Straße und Schäferanger hatte der Gemeinderat den beiden Immobiliengesellschaften ins Stammbuch geschrieben, sie seien "zur Tragung der ursächlichen Kosten verpflichtet, werden durch das Vorhaben soziale Infrastrukturmaßnahmen erforderlich". Bislang war dieser Aspekt aber nie weiter verfolgt worden. Nun schlug die Gemeindeverwaltung vor, die Infrastrukturlasten dadurch abzudecken, dass beiden aufgegeben werden solle, in ihren Quartieren die jeweils nötigen Plätze zur Kinderbetreuung vorzusehen. Die beiden Bauträger, die nach Gemeindeangaben infrastrukturelle Folgekosten gemäß vertraglicher Verpflichtung nicht in Abrede stellten, hätten sich freilich nicht angetan gezeigt, im finalen Planungsstadium plötzlich radikal umzusteuern und Platz für eine Kita vorzusehen. Auch im Gemeinderat wurde dies kritisch gesehen. Genauso, wie eine Sammel-Kita für den gesamten Bedarf überdimensioniert sei, wäre eine Lösung für jedes Viertel zu kleinteilig, argumentierte Florian Spirkl für die SPD. Die SPD schlug vor, die Bauträger nur zur Kasse zu bitten und dann ein neues Kinderhaus beim Hallenbad zu erstellen, wo jetzt die Mittagsbetreuung der Nachbarschaftshilfe angesiedelt ist.

Die Freien Wähler rügten, dass ihr früherer Vorschlag, in den Neubaugebieten Grund für die Gemeinde zu erstehen, nicht verfolgt worden sei. "Dann hätten wir jetzt das Problem nicht, sondern könnten dort eine Kita bauen", sagte ihr Sprecher Stefan Vohburger. Hans Negele (FW) erinnerte, dass vor dem jüngsten großflächigen Baugebiet an der Hirschplanallee sehr wohl Grundabtretungen durch die Bauträger gefordert worden seien, mit denen die Gemeinde dann Folgelasten finanziert habe. Dies sei diesmal versäumt worden. Jetzt werde jede Lösung wieder dazu führen, dass sich das Verfahren und die Schaffung neuen Wohnraums verzögere.

Ungeachtet des Umgangs mit den nötigen Kindertagesstätten bleibe ohnehin die Frage nach Schul- und Horterweiterung akut, erinnerten SPD und FW, denn die könnten keinesfalls von den jeweiligen Bauträgern quartiersbezogen errichtet werden. Mit 16:5 Stimmen entschieden FW, SPD, Grüne und FDP gegen den Bürgermeister und die CSU, eine Entscheidung zu vertagen, um zunächst zu klären, ob und wo die Gemeinde selbst Kindertagesstätten errichten könne, etwa beim Hallenbad, wie von der SPD angeregt.

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SZ vom 23.01.2021
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