Coronavirus:Gesunde müssen Überstunden machen

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Auf dem Busbetriebshof der Firma Geldhauser in Hofolding gibt es sogar eine eigene Teststation. (Foto: Claus Schunk)

Bei Polizei und Feuerwehr, im öffentlichen Nahverkehr sowie in den Behörden bereitet man sich auf die Omikron-Welle vor. Hygienekonzepte und getrennte Schichten sollen Krankheitsfälle vermeiden. Und im Ernstfall müssen die ran, die es nicht erwischt hat.

Von Daniela Bode, Angela Boschert, Iris Hilberth, Annette Jäger, Bernhard Lohr und Michael Morosow, Landkreis München

Die Omikron-Variante ist zwar möglicherweise etwas harmloser als die bisher bekannten Formen des Coronavirus. Weil sie aber sicher ansteckender ist, gibt es Befürchtungen, dass die Infrastruktur angesichts massenhafter Krankheitsfälle und Quarantänemaßnahmen zusammenbrechen könnte. Die SZ hat bei verschiedenen Einrichtungen nachgefragt, wie sie sich dagegen wappnen.

Notfalls 20-Minuten-Takt

Josef Ettenhuber, von dessen Busbetrieben in Brunnthal, Feldkirchen und Glonn 140 Busse Linien des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) bedienen, hat schon vor Weihnachten einen Notfallplan mit dem MVV besprochen. In der letzten Stufe müsste bei der einen oder anderen Linie abschnittweise ein 20-Minuten-Takt gefahren werden. Ettenhuber hofft natürlich, dass seine 200 Busfahrer gesund bleiben, sind doch schon sieben in Quarantäne, ohne Symptome, weil einer Kontakt zu einem infizierten Kind hatte. "In den Bussen geben wir Masken aus und Desinfektionsmittel, die Fahrer haben Trennscheiben, da kommen wir schon gut durch diese Zeit, ich bin optimistisch", sagt Ettenhuber. Auf umfangreiche Vorsorge setzt auch Martin Geldhauser für seine Mitarbeiter, davon etwa 150 Busfahrer, die 50 MVV-Linien bedienen. Für sie gibt es einen eigenen Impfarzt und auf dem Brunnthaler Betriebsgelände eine eigene Teststation. Die zwei Schichten in der Werkstatt treffen sich nicht, weil die erste bis 12 Uhr arbeitet, die Spätschicht aber erst um 13.30 Uhr beginnt. Er wisse, dass im Landkreis Fürstenfeldbruck schon Fahrer ausgefallen sind und einige MVV-Linien nicht mehr bedient werden können. Das solle im Landkreis München nicht passieren.

Flexibilität im Pflegedienst

Mit Flexibilität und strengen Hygienemaßnahmen will der Malteser Hilfsdienst, der seine Bezirksgeschäftsstelle in Gräfelfing hat, der angekündigten Omikron-Welle begegnen. Etwas anderes bleibt dem Wohlfahrtsverband, der unter anderem den Rettungsdienst betreibt, Fahrdienste anbietet und soziale Dienste wie Essen auf Rädern bereitstellt, kaum übrig. "Wir können unseren Mitarbeiterstab nicht aus dem Nichts verdoppeln", sagt Julia Krill, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Mit strengen Hygieneauflagen und vielen Tests arbeiten die Malteser schon während der ganzen Pandemie, wegen Omikron müssen deshalb keine zusätzlichen Maßnahmen erfolgen, so Krill. Die Mitarbeiter seien fast zu 100 Prozent geimpft. Wenn ein Mitarbeiter im Rettungsdienst erkranke, werde dieser aus dem Mitarbeiter-Pool ersetzt. Bei den Fahrdiensten, bei denen sich zwei Teams wöchentlichen abwechseln, kann ein Team notfalls eine zweite Woche arbeiten, um eventuelle Quarantänefälle im anderen Team aufzufangen. "Wir wissen nicht, was auf uns zukommt", sagt Krill. Aber dass es mehr Organisationsaufwand bedeutet, sei klar. Das bestätigt auch Matthias Hilzensauer, Kreisgeschäftsführer der Caritas-Dienste im Landkreis München. Er beklagt vor allem, dass es bei einem positiven Befund zu lange dauere, bis geklärt ist, ob es sich um die Omikron- oder Delta-Variante handelt. Das aber spiele für den ganzen Betrieb eine große Rolle. Bei Omikron werde für alle Beschäftigten im Haus Quarantäne angeordnet, bei Delta nur für eine Gruppe. Die Versorgung in der ambulanten Pflege ist laut Hilzensauer aktuell nicht gefährdet, auch die von der Caritas betreuten Lebensmitteltische seien weiterhin geöffnet. "Aber bei den Kindertagesstätten ist es schon so, dass wir mit Personalausfällen zu kämpfen haben", sagt Hilzensauer. Das aber habe nicht ausschließlich mit Corona zu tun, sondern liege insgesamt am Fachkräftemangel.

Getrennt auf Streife

Der Dienstbetrieb samt Streifenfahrten werde aufrechterhalten, verspricht Benedikt Dobmeier, stellvertretender Leiter der Polizeidienststelle in Planegg. Die rund 50 Polizisten würden ohnehin schon seit Beginn der Pandemie in Kohorten arbeiten, sodass eventuelle Ansteckungen auf das jeweilige Team beschränkt bleiben. Der Kontakt zwischen den Gruppen funktioniere nur telefonisch. Ansonsten hofft er, dass alle Vorsichtsmaßnahmen beim Infektionsschutz auch weiter greifen. "Wir sind da schon auf einem hohen Level", sagt Dobmeier. Momentan werde noch intern diskutiert, wie Personal umgeschichtet werden kann, wenn mehrere Quarantänefälle auf einmal zu bewältigen sein sollten. Der Oberschleißheimer Inspektionsleiter Stefan Schraut hat seine 65 Beamten in feste Gruppen aufgeteilt, die sich abwechseln. Fällt eine Gruppe aus, wie vor einem Jahr geschehen, nehme er sie aus dem Plan, ersetze sie mit Beamten aus dem Tagesdienst, die häufiger arbeiten, oder dünne die Schichten aus. Notfalls müsse er die Parole "Alle ins Häuschen" ausgeben, was das Ende des Überstundenabbaus bedeute und alle Gesunden zum Dienst rufe. Auch sein Unterhachinger Kollege Siegfried Graf hat schon seit längerem getrennte Schichten gebildet, die nicht gemischt werden. Sorgen bereiten ihm vor allem personalaufwendige Corona-Spaziergänge und Gegendemonstrationen wie die am Montag.

Die Feuerwehren sind laut Kreisbrandrat Harald Stoiber jederzeit einsatzbereit. (Foto: Claus Schunk)

Test vor der Feuerwehrübung

Wenn es brennt, dann rücken, unabhängig von Inzidenzwerten, die Feuerwehren im Landkreis aus. "Wir sind im Hinblick auf die Omikron-Welle bestmöglich vorbereitet", sagt Kreisbrandrat Harald Stoiber. Als Teil der kritischen Infrastruktur lägen für die Feuerwehren im Landkreis München bereits seit der ersten Corona-Welle Notfallpläne für verschiedene Szenarien vor und die Einsätze erfolgten in allen Feuerwehren ohne Einschränkungen nach einem engen und festen Hygienekonzept. Außerdem, so merkt Stoiber an, bestehe in den Feuerwehren des Landkreises München bereits eine hohe Impfquote - auch bei Booster-Impfungen. Veranstaltungen und Treffen finden laut dem Kreisbrandrat derzeit ohnehin keine statt. Notwendige Übungen gingen nur unter Berücksichtigung der 2-G-plus-Regelung über die Bühne.

Rote Ampel im Landratsamt

Einen zusätzlichen Notfallplan für die Omikron-Welle hat das Landratsamt München nicht. Allerdings hat die Behörde, zu der auch das Gesundheitsamt gehört, eigenen Angaben zufolge früh in der Pandemie zahlreiche Maßnahmen eingeführt, um den Infektionsschutz im Arbeitsumfeld bestmöglich zu gewährleisen. Zentrales Element sei dabei die weitreichende Möglichkeit zur Nutzung von Home-Office. "Die entsprechenden technischen Voraussetzungen wurden bereits frühzeitig geschaffen und werden kontinuierlich ausgebaut", teilt die Behörde mit. Um auch die Beschäftigten zu schützen, die weiterhin im Landratsamt arbeiten müssen, wurde im Landratsamt bereits Mitte 2020 ein Ampelsystem eingeführt, das je nach aktueller Infektionslage bestimmte Maßnahmen vorgibt. Bereits seit Herbst 2021 gilt erneut die Stufe Rot für alle Standorte. In allen Liegenschaften gelte eine FFP2-Maskenpflicht, für Besucher genauso wie für alle Beschäftigte die 3-G-Regel. Wann immer möglich, werden Anliegen telefonisch, digital oder postalisch bearbeitet, dienstliche Besprechungen finden als Video- oder Telefonkonferenz statt. Büroräume werden nach Möglichkeit zudem nur von jeweils einer Person genutzt. Zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs werden außerdem feste Teams gebildet sowie Schichtmodelle genutzt.

Notverbund der Wasserversorger

Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser sei auch in Pandemiezeiten nicht gefährdet, sagt Reinhard Reiter, Werkleiter der Stadtwerke Unterschleißheim: "Wir sind gut gerüstet." Das Wasser fließe ja von alleine durch das Netz, kritisch würde es erst bei Rohrbrüchen unter Straßen oder wenn bei Kunden kein Wasser mehr ankommt. Für diesen Fall halte aber jeder Wasserversorger einen Bereitschaftsdienst rund um die Uhr aufrecht. Natürlich würde es schwierig werden, wenn viele Mitarbeiter erkrankten oder in Quarantäne müssten. Aber die Branche sei eng vernetzt und es gebe eine Vereinbarung mit benachbarten Versorgern, dass man sich in Notfällen gegenseitig personell aushilft. Der Gefahr, dass sich mehrere der insgesamt sechs Mitarbeiter der SW Unterschleißheim gleichzeitig infizierten, ist nach Darstellung des Werkleiters vorgebeugt worden. Erstens seien alle geimpft und geboostert und zweitens habe man intern durch ein Hygienekonzept das Risiko einer Ansteckung minimiert. Es gebe keine gemeinsamen Fahrten, keine gemeinsamen Pausen, keine längeren Aufenthalte in geschlossenen Räumen. "Sonst wäre die Situation eine andere", sagt Reiter.

Notfalls im Zwei-Schicht-Betrieb: Der Zweckverband Südost sieht die Müllabfuhr gesichert. (Foto: Claus Schunk)

Zwei-Schicht-Betrieb bei der Müllabfuhr

"Momentan ist bei uns Normalbetrieb", sagt Georg Wagner, Geschäftsleiter des Zweckverbands München-Südost, der für die Abfallentsorgung unter anderem in Neubiberg, Hohenbrunn und Putzbrunn zuständig ist. Doch die Einrichtung ist für den Ernstfall vorbereitet. "Wenn es zu viele Impfdurchbrüche gibt, werden wir einen Zwei-Schicht-Betrieb fahren", sagt Wagner. Dann wird die Mannschaft in zwei aufgeteilt, die zu unterschiedlichen Uhrzeiten starten, so dass sie sich tagsüber nicht treffen. Sollten in einer Truppe zu viele ausfallen, könnte auch mit Mitarbeitern aus der anderen aufgefüllt werden. Die eigene Mannschaft fährt den Sperrmüll, den Glas- und Papiermüll und eine Tour Restmüll, damit er wo gewünscht wöchentlich abgeholt wird. Auch mit Blick auf die vier Subunternehmer, die die eigentlichen zweiwöchigen Restmülltouren in den Verbandsgemeinden fahren, und ihre Konzepte ist Wagner zuversichtlich. "In den letzten drei Wellen sind wir damit ganz gut durchgekommen", sagt er. Der Geschäftsleiter ist auch deshalb ganz guter Dinge, da "99,9 Prozent der eigenen Mitarbeiter" geimpft seien. Um rechtzeitig reagieren zu können, beobachtet Wagner täglich, wie sich die Corona-Fälle im eigenen Betrieb entwickeln.

Abschied von der Corona-Station

Das Isar-Amper-Klinikum in Haar hat einige Erfahrungen schon gesammelt im Umgang mit dem Coronavirus. Anfangs setzte man darauf, infizierte Psychiatrie-Patienten zusammenzufassen. Es gab sogenannte Corona-Stationen, um so das Infektionsrisiko zu minimieren. Auch versuchte die Klinikleitung, einen Pool von Mitarbeitern aufzubauen, auf den man zurückgreifen könnte, sollten zu viele Pflegekräfte krank werden oder in Quarantäne müssen. Von beidem hat man sich mittlerweile verabschiedet. Auf den einst verbreiteten Aufruf an nicht mehr aktive Mitarbeiter, sich für einen Reserve-Pool zu melden, habe es kaum Resonanz gegeben, sagt Klinik-Sprecher Henner Lüttecke. Und der Aufwand sei groß und die Gefahr der Ansteckung hoch, wenn man infizierte Patienten 70 Kilometer von Fürstenfeldbruck nach Haar verlege. Trotzdem ist Lüttecke zuversichtlich, dass der Klinikbetrieb gesichert werden kann, auch wenn Omikron härter zuschlägt. "Wir testen alle Mitarbeiter", sagt er. Es werde in kleinen Gruppen gearbeitet, Online-Meetings hätten Vorrang. Viele Mitarbeiter seien geimpft und geboostert. Die ambulante Versorgung und die Arbeit der Tageskliniken sei ausgebaut worden. "Stand heute ist die Situation in Ordnung."

Videokonferenz mit dem Nachbarbüro

Der Pressesprecher im Unterschleißheimer Rathaus, Steven Ahlrep, hat nur kurz Zeit, um am Montag Fragen zu Omikron zu beantworten. Dann beginnt für ihn die nächste Videoschalte. Er sitzt in seinem Büro im Rathaus und seine Konferenzpartner auch. Aber der Online-Austausch mit den Kollegen vom Nachbarbüro ist mittlerweile eine gut eingeübte Praxis. "Wir haben seit Anfang der Pandemie das Home-Office sehr, sehr ausgebaut", sagt Ahlrep. Außer ihm seien nur wenige Mitarbeiter im Rathaus, sagt Ahlrep. Manche Büros seien leer oder im Wechsel besetzt. Regelmäßig tage der Corona-Ausschuss unter Leitung des Bürgermeisters, der etwa die kommunalen Impftage organisiert. Verschärfte Regeln jetzt im Angesicht einer heraufziehenden Omikron-Krise hat man nicht beschlossen. Ahlrep verweist auf die bestehenden, strengen Vorsichtsmaßnahmen. Wenn er etwa sein Büro verlässt, dann mit Maske. Zahlen über den Krankenstand hat Ahlrep nicht. Nach seinem Eindruck ist der bisher nicht außergewöhnlich. Was er so mitkriege, seien die Kollegen im Dienst und erreichbar, wenngleich viele zu Hause.

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