Wirtschaft:Intelligent aus der Krise

Wirtschaft: 77 Prozent der Unternehmen im Raum München beklagen laut IHK starke Preissteigerungen bei der Energie.

77 Prozent der Unternehmen im Raum München beklagen laut IHK starke Preissteigerungen bei der Energie.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Laut einer Umfrage sinkt die Geschäftserwartung von Firmen dramatisch. Ein IHK-Sprecher im Landkreis München setzt auf Innovation als Booster.

Von Bernhard Lohr, Landkreis München

Die Krise ist mittlerweile in Zahlen fassbar. Die aktuelle Konjunktur-Umfrage der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK) zeigt, dass die Geschäftserwartungen der Unternehmen im Großraum München auf ein Allzeittief abgestürzt sind. Nur noch elf Prozent der Firmenchefs rechnen mit einer Verbesserung der Lage, 42 Prozent gehen von einer weiteren Verschlechterung aus. Im Gegenzug wachsen im Landkreis München unter den vielen durch Innovation getriebenen Unternehmen die Erwartungen an die Politik, die Region gerade jetzt fit zu machen für die Zukunft. Rene Fassbender hat 2015 das Start-up OmegaLambdaTec in Garching gegründet und gibt mit Hilfe künstlicher Intelligenz Antworten auf viele Probleme der Zeit. Als stellvertretender Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses fordert er eine Digitalisierungs-Offensive in Behörden, um "schlummernde Potenziale" zu nutzen.

Wirtschaft: Rene Fassbender hat die OmegaLambdaTec GmbH gegründet. Als stellvertretender IHK-Sprecher im Landkreis München fordert er eine verschärfte Digitalisierung.

Rene Fassbender hat die OmegaLambdaTec GmbH gegründet. Als stellvertretender IHK-Sprecher im Landkreis München fordert er eine verschärfte Digitalisierung.

(Foto: Catherina Hess)

Der aktuelle Konjunkturbericht der IHK zeigt, dass das notwendig sein könnte. Die IHK hat von Ende September bis Mitte Oktober zahlreiche Unternehmen in der Landeshauptstadt und in acht Landkreisen rund um München befragt, darunter auch im Landkreis München. Die aktuelle Geschäftslage bewerten die Firmen noch weitgehend gut. 37 Prozent sind positiv gestimmt und nur 13 Prozent unzufrieden. Das liegt vor allem daran, dass die Kapazitäten noch bei 84 Prozent voll oder befriedigend ausgelastet sind. Auf der anderen Seite beklagen 77 Prozent der Unternehmen, von hohen Preissteigerungen betroffen zu sein. Energie, Materialien und Rohstoffe sind teuer und manches Vorprodukt auch knapp.

Rene Fassbender will trotz allem keine Schwarzmalerei. Vielleicht liegt das an seinem Beruf und seinem Unternehmen. Der stellvertretende IHK-Sprecher im Landkreis hat es sich mit der OmegaLambdaTec GmbH zur Aufgabe gemacht, professionell auf Probleme in Firmen und auch in der Gesellschaft zu schauen und nach Lösungen zu suchen. Er arbeitete bei der Beratungsfirma McKinsey, promovierte in Astro-Physik und war in der Grundlagenforschung tätig; unter anderem sieben Jahre am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. Dann gründete er seine Firma, die heute mit einigen Astrophysikern besetzt ist. Ihre jüngsten Meriten verdiente sich das Unternehmen gerade mit Konzepten, wie Firmen fragile Lieferketten besser in den Griff bekommen können und wie Energie eingespart werden kann.

Viele Projekte werden in den Verwaltungen blockiert

Hellseher sind die Leute bei OmegaLambdaTec nicht. Aber sie stehen für eine Stärke der Wirtschaft im Landkreis München, wo viele Unternehmen Zukunftstechnologien beackern und entwickeln. Bereits 2017 stellte Fassbender in der Arbeitsgruppe Mobilität des IHK-Regionalausschusses vor, wie mit Hilfe der vielen mittlerweile anfallenden Daten im Verkehr der Verkehrsfluss im Landkreis München optimiert werden könnte. Smart Mobility war das Stichwort. Heute plädiert er für Smart-City-Lösungen wie etwa einen "Digitalen Zwilling" von Kommunen. So könnten Genehmigungsverfahren in Behörden um 20 Prozent beschleunigt werden, sagt er. Viele Projekte würden dort blockiert. Den Schaden beziffert Fassbender bundesweit auf eine dreistellige Milliardensumme. Die Gemeinde Kirchheim beteiligt sich an einem Smart-City-Modellprojekt und lässt einen solchen digitalen Zwilling erarbeiten, der die Gemeinde 1:1 im Netz abbilden soll. In Haar hat auf Antrag der FDP der Gemeinderat ebendies auch beschlossen.

Wirtschaft: Kommunalreferentin Kristina Frank mit Datenbrille: Die Stadt München arbeitet daran, einen digitalen Zwilling zu erstellen.

Kommunalreferentin Kristina Frank mit Datenbrille: Die Stadt München arbeitet daran, einen digitalen Zwilling zu erstellen.

(Foto: Robert Haas)

Den von Energiekrise, vom Krieg Russlands gegen die Ukraine und von Inflationssorgen belasteten Firmen im Landkreis würde Fassbender zufolge durch einen Abbau von bürokratischen Hemmnissen konkret geholfen. Damit liegt er auf einer Linie mit dem Vorsitzenden des IHK-Regionalausschusses in der Landeshauptstadt, Peter Inselkammer, der zudem mehr Tempo fordert: beim Ausbau der erneuerbaren Energien, beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und beim Wohnungsbau. Inselkammer fordert, den Großraum München als "Heimat wettbewerbsfähiger Unternehmen zu erhalten". Eine Krise sei auch eine Chance. Fassbender sagt, zehn Jahre habe man verschlafen, weil es auch ohne verschärfte Digitalisierung gut gelaufen sei. Jetzt müsse man aber loslegen.

Abgesehen von den hohen Energie- und Rohstoffpreisen sehen die Unternehmen laut IHK-Umfrage die größten Risiken mit 63 Prozent im Fachkräftemangel und mit 61 Prozent in einer nachlassenden Inlandsnachfrage. Die Werte liegen jeweils deutlich über denen der Frühjahrs-Erhebung. Bei den Investitionsplänen herrscht Zurückhaltung. 15 Prozent geben an, mehr investieren zu wollen, 25 Prozent planen Abstriche. 13 Prozent wollen Personal einstellen, 20 Prozent wollen Personal abbauen.

Rene Fassbender favorisiert stattdessen, an anderen Stellschrauben zu drehen und mit künstlicher Intelligenz die Unternehmen krisenfester zu machen. So könne man Kosten einsparen, aber auch neuen digitalen Geschäftsmodellen redet er das Wort. Fassbender erzählt exemplarisch von einem Programm aus der eigenen Firma, das man 2019 entwickelt habe und das mit Hilfe von Algorithmen Gaspreis-Prognosen ermögliche. "Damals hat sich das nicht gelohnt." Heute sei das topaktuell. Die Sachen lägen fertig in den Schubläden. Gerade erst hat OmegaLambdaTec Fassbender zufolge zwei Preise gewonnen. Einmal den TransnetBW-Wettbewerb "Energiesystem 2050" mit einem Programm, das Szenarien darstellt, wie E-Autos mit einem Stromnetz kommunizierend als Speicher fungieren können.

Außerdem reüssierte die Garchinger Firma bei der International Clean Energy Hackathon-Challenge zu dem sehr aktuellen Krisenthema "Integration von Strompreisprognosen in die Gebäudeautomation". Dort hat man laut Fassbender eine komplett automatisierte Vorhersage für den an der Börse gehandelten Strompreis für die nächsten drei Tage im 15-Minuten-Takt programmiert.

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