Umweltschutz:Es werde dunkel

Umweltschutz: Die Burg in Grünwald wird, wenn die Gesetzesänderung kommt, künftig nur noch bis 23 Uhr angestrahlt werden.

Die Burg in Grünwald wird, wenn die Gesetzesänderung kommt, künftig nur noch bis 23 Uhr angestrahlt werden.

(Foto: Claus Schunk)

Eine geplante Gesetzesänderung zum Schutz der Insekten hätte auch Auswirkungen auf Gebäude im Landkreis. Aschheim plant von sich aus, LED-Lichter nach 22.30 Uhr auf 50 Prozent Leistung runterzufahren.

Von Marie Heßlinger

Beleuchtete Fassaden, sie helfen so manchem Volksfestbesucher, den Nachhauseweg zu finden. Anderen Nachtschwärmern hingegen rauben sie jegliche Orientierung: Vögel und Insekten verwechseln die künstlichen Lichter mit den Gestirnen. Verfallen sie einmal dem Trugschluss, eine Lampe sei der Mond, sind sie dazu verdammt, bis zur Erschöpfung im Kreis zu fliegen. Ein neues Gesetz soll sie nun retten.

Dem Landtag liegt eine Änderung des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes vor, die er voraussichtlich im Juli verabschieden wird. Dann dürften die Fassaden öffentlicher Gebäude nur noch bis 23 Uhr leuchten. Davon ausgenommen sind nur Gebäude, die der öffentlichen Sicherheit wegen bestrahlt werden müssen. Auch Schilder von Gaststätten sollen nur noch bis 23 Uhr leuchten. Werbeleuchten sollen gänzlich verboten werden.

Wie viele Gebäude das Gesetz im Landkreis München betreffen wird, darüber liegen dem Landratsamt keine Zahlen vor. In Aschheim fallen einige ganz sicher unter die neuen Regelungen: Dort leuchten von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang der Wasserturm, die Alte Brennerei, die Kapelle in der Römerstraße, die Kirche Sankt Peter und Paul sowie die Segenskirche.

In Schleißheim hingegen lautet die Auskunft, das Schloss sei nachts nicht zu sehen, "abgesehen von ein paar Laternen an den Wänden für die Fahrradfahrer", sagt Ursula Schnell, Verwaltungsangestellte am Schloss Schleißheim.

Anders dagegen sieht es in Grünwald aus. Dort kämpften die "Freunde Grünwalds" jahrelang darum, die Burg, welche inmitten eines Naturschutzgebietes steht, beleuchten zu dürfen. 2013 schließlich einigten sie sich mit der Naturschutzbehörde darauf, die Burg nur bis 24 Uhr und nur mit insektenfreundlichen LED-Leuchten anzustrahlen. Die Stromkosten, die sich dafür jährlich auf 1000 Euro belaufen, sind es dem Verein bis heute wert: "Gerade im Winter ist so eine Beleuchtung schon fantastisch", sagt Thomas Lindbüchl, Vorsitzender der "Freunde Grünwalds". Dass seine Burg bald eine Stunde weniger leuchten wird, stört ihn nicht. "Das Gesetz ist grundsätzlich sinnvoll", sagt er.

Hintergrund der Gesetzesänderung ist das Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern - Rettet die Bienen!" Etwa 1,8 Millionen Menschen haben die Initiative der ÖDP unterstützt und mit Ja gestimmt. An einem "Runden Tisch Artenvielfalt" erarbeiteten Umweltschützer und Gemeindevertreter daraufhin ein Empfehlungsschreiben an die Staatsregierung. Diese wiederum verfasste den Antrag, der nun dem Bayerischen Landtag vorliegt.

Dominik Böhlein, Chef der Beratungsfirma "Energievision Franken", wurde im April an jenen runden Tisch geladen. Er hielt einen Vortrag über Lichtverschmutzung. "Das Licht stört Anwohner beim Schlafen. Den stärksten Einfluss aber hat es auf Insekten", sagt er. Böhlein präsentierte den Teilnehmern des runden Tisches Studien, die dafür sprechen, dass warmweiße LED-Lampen mit einer Farbtemperatur von unter 3000 Kelvin deutlich weniger Insekten anziehen als herkömmliche Leuchten. Außerdem empfahl er technische Leuchten, die das Licht nur an jene Stellen bringen, an denen es gebraucht wird. "Mit einer guten Planung geht nicht so viel Licht verloren", sagt er.

Böhleins Leuchtmittel-Empfehlungen übertrug der runde Tisch allerdings nicht in sein Abschlusspapier. "Wir mussten uns auf einen Kompromiss einigen", sagt Sophia Engel. Sie ist Biologin des Landesbundes für Vogelschutz (lbv) und diskutierte als eine von ungefähr 30 Vertretern an dem runden Tisch zum Themenbereich "urbane Räume" mit.

Die Gemeinde Aschheim macht bereits Nägel mit Köpfen. Sie hat die Beratung der "Energievision Franken" davon unabhängig in Anspruch genommen. 113 alte Quecksilberdampflampen müssen ausgetauscht werden, stattdessen werden bald 126 LED-Lampen mit Dimmsystem leuchten. "Ab 22.30 Uhr wird das Licht auf 50 Prozent runtergefahren", kündigt Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) an. In den nächsten vier Wochen sollen die Arbeiten beginnen. Weitere Umrüstungen werden im Frühjahr folgen, wenn sich Handwerker finden: "Wir suchen dringend Elektromeister", sagt Glashauser.

Um staatliche Fördergelder für die umweltfreundliche Umrüstung in Anspruch nehmen zu können, musste die Gemeinde zunächst die Straßenbeleuchtung der "Bayernwerk AG" zurückkaufen. "Das ober- und unterirdische Straßenbeleuchtungsnetz gehört seit Mai letzten Jahres wieder Aschheim", sagt Katja Zeeck, Umweltbeauftragte der Gemeinde.

Doch Fördergeld zur Umrüstung und ein Immissionsschutzgesetz alleine werden nicht reichen, um das Insektensterben aufzuhalten. Laut Biologin Engel ist vor allem die Verfügbarkeit von Lebensräumen ein wichtiger Faktor zur Rettung der Arten. Gibt es keine Lebensräume mehr, "kann man beleuchten oder nicht, aber die Insekten sind weg", sagt sie.

Mückenplage

Der Vorsitzende der "Freunde Grünwalds" findet das neue Gesetz zur Reduzierung der Leuchtstärke bei Nacht sinnvoll. Schließlich geht es um den Schutz der Insekten, die vom Licht angezogen werden und sterben.

(Foto: Dpa/Ole Spata)

Engel bedauert, dass die CSU und die Freien Wähler einige Forderungen nicht vom Empfehlungsschreiben des runden Tisches übernommen hätten. Die Regierung sei beispielsweise nicht auf den Vorschlag eingegangen, bei der Gebäudesanierung Brutplätze für Vögel einzuplanen. Auch sei sie nicht bereit gewesen, in staatlichen Einrichtungen wie dem Landtag regionale und biologische Speisen anzubieten, "Dabei würde das den heimischen Markt stärken", sagt Engel. Vor allem aber hätte sie sich gewünscht, dass den Kommunen mehr Geld zur Verfügung gestellt werde, um Biodiversität zu fördern. Dennoch, insgesamt lobt Engel die Entwicklungen in Richtung Artenschutz.

Was das geplante Gesetz gegen Lichtverschmutzung betrifft, ist sich Engel mit Lindbüchl, dem Vorsitzenden der "Freunde Grünwalds", einig: Beide beobachten, dass immer mehr Menschen ihre privaten Gärten des Nachts beleuchten. "Das nimmt überhand", sagt Lindbüchl, und fügt hinzu: "Ich fände es sinnvoll, gesetzlich auch in den Privatbereich einzugreifen." Lindbüchl bringt dafür noch ein weiteres Argument ins Spiel: Sterneschauen, das ist in Münchens Umland schwierig.

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