Die Tricks der Geschäftsleute beim Kundenfang sind eigentlich hinlänglich bekannt. Die vertikale Einteilung der Verkaufsregale in Reck-, Bück- und andere Zonen gehört dazu. In den Sicht- und Greifzonen finden sich Waren, die kein Mensch braucht, aber den größten Gewinn abwerfen. Zu Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Zucker, Salz und Toilettenpapier dagegen muss sich der Kunde recken oder bücken. Auch an die kleinen Kunden wird gedacht: Extra für sie werden Artikel in Kinderaugenhöhe platziert und die Eltern vor die Wahl gestellt, entweder ihr Kind flennen und schreien zu lassen oder der Forderung ihres Balges nach einem Kinderriegel des Friedens willen nachzugeben.
Für Kunden aber, die stur weiter nur das in den Einkaufswagen legen, was sie wirklich brauchen, haben die Verkaufsstrategen längst ein wirksames und im Wortsinn unumgängliches Mittel gefunden: das Labyrinth. Vom Münchner Oktoberfest kennt man ja einen solchen Irrgarten, aus dem einige Besucher zum Gaudium der Zuschauer einfach nicht heraus torkeln können. Aus der griechischen Mythologie ist die Geschichte von Theseus überliefert, der – nachdem er den Minotaurus in einem Labyrinth aufgespürt und getötet hatte – mithilfe eines Fadens den Weg nach draußen fand.
Einen solchen Ariadnefaden wünschte man sich selbst bei so manchem Besuch eines Supermarktes – oder auch des Möbelriesen in Brunnthal. Verglichen mit dem raffinierten und ausgeklügelten Labyrinth, das die schwedischen Verkaufsstrategen geschaffen haben, wirkt das der alten Griechen wie ein Haus mit offenen Türen. Obwohl oder gerade weil die verschlungenen Wege auf der ganzen, circa dreieinhalb Kilometer langen Laufstrecke mit Hinweisschildern gepflastert sind. So etwa mit einem Pfeil nach links („Einkauf fortsetzen“) oder nach oben („Arbeiten“). Das Schild „Abkürzung zur Geschirrabteilung“ sucht man leider vergeblich.
„Die kleine Maria möchte vom Bällebad abgeholt werden“, schallt es dafür zu später Stunde aus den Lautsprechern – und nach wenigen Minuten ein weiteres Mal. Haben es Marias Eltern nicht mehr geschafft? Haben sie vielleicht auf Höhe der schwedischen Gardinen das dumpfe Gefühl des Eingesperrtseins verspürt und sind dabei zu dehydrieren? Hoffentlich schaffen sie es noch bis zum „Gute-Nacht-Club“, wo die Betten schon gemacht sind.
Man selbst erreicht ohne Hilfe die Kasse, wo den einfallsreichen Verkaufsstrategen noch einmal Respekt zu zollen ist für ihre Erkenntnis, dass der Umsatz mit der Wegstrecke steigt. Im Einkaufswagen liegen die gewünschten Gläser, aber zudem zwei Packungen mit je hundert Teelichtern, Servietten und eine Vase.