Das Sammeln war schon die Leidenschaft von Franz Estendorfer, als er noch ein Junge war. So manchen Krug und vielerlei Kleinteile hat der gebürtige Hohenbrunner damals aufgehoben, darunter sogar einen Totenkranz aus der Kiesgrube seines Heimatortes. Auch der Holzschrank seiner Oma, deren Erzählungen er oft gespannt gelauscht hat, hatte es ihm angetan. Von diesem ausgehend hat der heute 76-Jährige eine Vorliebe für Werke von Anton Perthaler aus Degerndorf im Landkreis Rosenheim entwickelt, die er ebenso wie Möbelstücke von Michael Böheim gezielt sucht. Darüber hinaus konzentriert sich der Hohenbrunner auf bayerische und oberösterreichische Bauernmöbel aus der Zeit zwischen 1770 und 1840, „deren Herkunft nachvollziehbar ist und die handwerklich gut gearbeitet sind“, wie der Sammler sagt.
Reich bemalte Bauernmöbel aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind neuerdings auf dem Scharmerhof in Hohenbrunn zu sehen. Das private Bauernmöbelmuseum in der Jäger-von-Fall-Straße mitten im Ort zeigt Betten und Schränke sowie Hof-, Haus- und sogar Rauchutensilien, darunter so manch besonderes Stück aus der nahen Umgebung.
Betritt man das Museum, fällt der Blick auf einen prächtigen Schrank aus Oberösterreich, in dem unzählige Hanfrollen lagern, offenbar eine Aussteuer. Die Türen sind mit religiösen Szenen in Spiegeloptik besetzt, die vom Glauben und der Ehrfurcht seiner früheren Besitzer zeugen. Urban Huemer soll den Schrank gestaltet haben. Mehr ist – wie so oft bei Bauernmöbeln – nicht darüber bekannt.
Das rechts daneben stehende Kinderbett von 1834, so die verschlissenen Zahlen neben einem Monogramm am Kopfteil, kennt man jedoch aus dem Hohenbrunner Heimatbuch. Ein Foto zeigt Estendorfers darin schlafende Tochter Maria. Aus dem benachbarten Siegertsbrunn stammt der Schrank mit vielgestaltigem Dekor links davon. Lokalen Bezug hat auch der beeindruckende Gasslschlitten, der durch sein kaum 15 Zentimeter breites, aber tiefes Sitzbrett Staunen macht. In dessen Vertiefung komme das Gebetbuch und eine dicke Decke, dann hätten sich der Bauer vorn, die Bäuerin dahinter draufgesetzt und seien vom Pferd zur Kirche gezogen worden, sagt Estendorfer. Seine Erzählungen machen Ortsgeschichte lebendig. Dabei möchte der Bio-Landwirt, der bis zur Übergabe an seinen Sohn auch das Hotel Scharmerhof betrieben hat, gar nicht im Vordergrund stehen, das sollen vielmehr seine Sammlerstücke.
An den Kopfteilen der Betten: Jesuskind oder Totenschädel
Am augenfälligsten ist die Vielzahl an Betten – schlichte Bauernbetten mit einfacher Bemalung ebenso wie solche mit Bauern-barocken Aufsätzen oder Himmelbetten in verschiedener Ausführung, die im Obergeschoss des ehemaligen Getreidestadels, dessen Zwischendecke Estendorfer aus vorhandenen Hölzern eingezogen hat, wie in einem Schlafsaal aufgereiht sind. Auf vielen ihrer Kopfteile ist ein schlafendes Jesuskind mit Kreuz oder ein Totenschädel gemalt, begleitet von sprachlichen Varianten des Spruchs: „Ich schlaffe sanft, als wie ein Kind, biß ich aufsteh’, und straff die Sünd.“
Sehr lebensnah wirkt die ganze Szenerie, weil alle Betten bezogen sind, bei jedem ein Nachttopf steht und in vielen eine Modepuppe oder zumindest ein Kopf liegt. Das hat einen gewissen Reiz. Kinderwiegen, Kinderwagen und ein Tisch mit Hausgerätschaften lockern die bunte Folge der Betten auf. Ein seltenes Kastenbett sorgt für Staunen und Schaudern zugleich: Würde nicht sein Dach oder Deckel fehlen, schliefe man darin tatsächlich wie eingesperrt in einem Schrank – oder Sarg.
Im hintersten Raum des Museums steht das Lieblingsstück von Estendorfer: Ein Bett aus der Werkstatt von Anton Perthaler mit verschlungenen floralen Mustern auf dem Fußteil. Die Blätter sind weiß umrahmt, ohne aus dem gedeckten Braun des Holzes hervorzustechen. Auch der Aufsatz am Kopfende des Bettes trägt keine figürliche Darstellung, sondern überzeugt durch Schnitz- und Handwerkskunst. Schlichte Eleganz prägt auch den danebenstehenden Schrank des Kistlermeisters Perthaler, dessen vier Türfelder mit Herzen verziert und mit Blätterketten umgeben sind.
Es gibt vieles zu entdecken, etwa den viereckigen Toilettenstuhl aus Mahagoni mit ledernem Sitzpolster, der zwischen weißen Keramikmodellen für die gleiche Nutzung hervorsticht, oder zwei hölzerne Kufenwiegen und natürlich die schönen Reiterfiguren auf den Fußteilen zweier Bauernbetten aus dem Raum St. Florian in Oberösterreich, datiert 1785.
Das neu eröffnete Bauernmöbelmuseum ist am Sonntag, 4. August, und danach bis einschließlich Oktober wiederum an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei. Den Scharmerhof findet man in der Jäger-von-Fall-Straße 8 in Hohenbrunn. Weitere Informationen unter: meineheimat-hohenbrunn.de/bauernmöbelmuseum.