Hohenbrunn:Training mit der Nationalmannschaft

Hohenbrunn: Das Inklusionsteam des TSV Hohenbrunner bekam Besuch von der U20-Fußball-Nationalmannschaft.

Das Inklusionsteam des TSV Hohenbrunner bekam Besuch von der U20-Fußball-Nationalmannschaft.

(Foto: Claus Schunk)

Vor dem Fußball-Länderspiel am Freitag gegen Polen besuchen die deutschen U20-Fußballer das Inklusionsteam des TSV Hohenbrunn. Die Gastgeber sind begeistert - und ehrgeiziger als sonst.

Von Laura Richter, Hohenbrunn

Tempo, Tim! Füße parallel! Das ist ein Ausfallschritt, kein Spagat! Pünktlich um 17 Uhr verziehen sich die Wolken über Hohenbrunn und lassen die Sonne bei herbstlichen Temperaturen durchscheinen. Doch auf dem Spielfeld sind schon alle warm. Freust du dich, Stefano? "Aber sowas von", sagt der 16-Jährige entschlossen, "gleich kommt die U20, das sind unsere Vorbilder". Stefano ist ein alter Hase, er spielt schon seit zehn Jahren für die "I-Mannschaft" des TSV Hohenbrunn. Das "I" steht für Inklusion, doch die Mannschaft unterscheidet sich von den anderen höchstens durch ihre Spieleranzahl. 42 Jungs und Mädchen sind im Team, knapp die Hälfte davon sind körperlich oder geistig beeinträchtigt.

"Wir haben viele Kinder mit Down-Syndrom, Verhaltensstörungen oder Spastiken im Team", sagt Alfred Rietzler, der mit der Mannschaft 2005 das erste gemischte Inklusionsteam in Bayern gegründet hat. Justus sorgt als nicht beeinträchtigter Mannschaftskollege dafür, dass ein Spielfluss zusammenkommt und alle gleichermaßen mit einbezogen werden. "Wir bekommen von den beeinträchtigten und nicht beeinträchtigten Spielern die gleiche Rückmeldung: Allen macht's einfach nur Spaß", erzählt der 15-Jährige.

Georg, ein Spieler mit Down-Syndrom, gewinnt das Sprintduell

Der Sohn der Trainerin Eva Heinemann leitet die Dehnübungen an. Das geht so lange gut, bis der Bus mit den Spielern und Trainern der U20-Nationalmannschaft auf den Parkplatz vor dem Stadion einfährt. Die Profis laufen ein und klatschen die I-Spieler ab. Für mehr Smalltalk-Themen als den Lieblingsverein und -spieler reicht die Zeit nicht aus. Denn dann ertönt ein Pfiff und alle stellen sich im großen Kreis auf. "Der Platz ist gut, und wir sind gut drauf", sagt U20-Trainer Hannes Wolf. Die Spieler jubeln, und schon geht's los. In zwei Gruppen aufgeteilt, das Alter 16 ist die Trenngrenze, kann das Training beginnen. Georg, ein Spieler mit Down-Syndrom, gewinnt das erste Sprintduell gegen Fisnik Asllani, der bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag steht. "Klatsch ab, gut gemacht!." Georg kann seine Freude über den besonderen Besuch nicht verstecken. "Willst du, dass ich dich hoch hebe oder was?", wird er gefragt und schon liegt er dem Profispieler in den Armen.

Nach dem Dribbling wird der Torabschluss trainiert. Felix Gebhardt vom Halleschen FC gibt seinen gewohnten Platz an Dennis ab, der nun im sieben Meter breiten Kasten steht. Ohne zu zögern schmeißt er sich zur rechten Seite und hält den Ball des U20-Torwarttrainers Stefan Wessels. "Super gehalten", schallt es über den Platz. "Der war leicht!", kommt als Antwort. Der nächste Ball eines Profis geht durch, mit den Fingerspitzen hat Dennis ihn aber noch berührt. Hinter dem Tor stehen Eltern und Fans des I-Teams und knipsen Erinnerungsfotos.

Hohenbrunn: Den Torabschluss trainieren Spieler Nationalspieler und Mitglieder des I-Teams gemeinsam.

Den Torabschluss trainieren Spieler Nationalspieler und Mitglieder des I-Teams gemeinsam.

(Foto: Claus Schunk)

Auf der anderen Seite des Feldes wird gerannt. "Justus, hier!", schreit ein Teamkollege, der auf das Tor schießen will. Es duellieren sich die über 16-Jährigen in einem Match mit gemischten Mannschaften. Es steht 2:1 für Grün. Der Trainer pfeift und sagt die Nachspielzeit an. Kurz danach folgt der Ausgleich der roten Mannschaft - und: Abpfiff. "2:2 gutes Spiel, Jungs und Mädels", ruft Wolf.

Die Spieler klatschen sich ausgiebig ab, und Tim, der für die I-Mannschaft spielt, freut sich: "Das war unglaublich. Die Jungs hatten Bock, wir hatten Bock. Einfach der Hammer." Auch TSV-Trainer Jürgen Weinert ist stolz auf sein Team. Man merke den Spielern an, dass ihr Ehrgeiz heute noch größer sei als sonst. Vielleicht zeige sich eine positive Wirkung des Trainings in der Zukunft, sagt er. "Als Trainer des I-Teams darf man manchmal selbst nicht zu ehrgeizig sein, denn es geht vor allem um den Spaß am Kicken."

Nach einer Stunde Training kommen alle ausgepowert im Kreis zusammen. "Das war nicht nur cool, sondern ihr habt gezeigt, dass ihr richtig was könnt", lobt Wolf das Team. Zum Abschluss überreicht U20-Teammanager Dennis Protzel dem "Vater des I-Teams" Alfred Rietzler einen Scheck über tausend Euro, der dem TSV Hohenbrunn zugute kommen soll. Für die Spieler gibt's dazu noch eine Plüschversion des Maskottchens Paule sowie Autogramme auf das Trikot und Selfies mit den Profis. Tim wünscht Jamil Siebert und seinem Team viel Erfolg für das Länderspiel in Unterhaching gegen Polen: "Gebt Gas für uns. Wir werden euch im Stadion anfeuern." Mit diesen Glückwünschen reisen die Profis wieder ab. Das I-Team des TSV Hohenbrunn trainiert hoch motivert weiter.

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