Hohenbrunn:Hilfreiche Belastungsprobe

Hohenbrunn: Guter Service im Café o.k. Die beiden Mitarbeiter Andreas Lange und Martina üben im Hallenbad Riemerling für den Einsteig in das Berufsleben.

Guter Service im Café o.k. Die beiden Mitarbeiter Andreas Lange und Martina üben im Hallenbad Riemerling für den Einsteig in das Berufsleben.

(Foto: Claus Schunk)

Seit zehn Jahren arbeiten im Riemerlinger Café o.k. des Integrationsvereins "Ans Werk" Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Helga Scherer trainiert mit ihren Mitarbeitern für den Einstieg ins Berufsleben

Von Christina Hertel, Hohenbrunn

Das kleine Mädchen mit den blonden Haaren bekommt einen Apfelstrudel, ihr Vater eine Himbeertorte. Tamara Haindl bringt die Teller einzeln. Wenn sie einen hinstellt, hält sie den anderen Arm auf den Rücken. Wie in einem noblen Restaurant. Doch Haindl bedient im Café o.k. im Hallenbad Riemerling. Es riecht nach Chlor, durch eine Glasscheibe können Eltern ihre Kinder beim Schwimmen beobachten.

Im Café o.k. arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Es wird von dem Integrationsverein Ans Werk betrieben. Das Ziel ist, die Belastbarkeit von Menschen mit Handicap für den Einstieg ins Berufsleben zu trainieren. Für, diejenigen die dort arbeiten, ist das Café jedoch viel mehr.

Tamara Haindl hat alle möglichen Beschwerden, unter anderem ein Lipolymphödem. Das heißt, dass ihre Beine dick werden, dass sie Kompressionsstrümpfe tragen muss und dass sie chronische Schmerzen hat. "Wenn ich etwas zu tun habe, vergesse ich das", sagt Haindl. Sie trägt genauso wie ihre Kollegen Martina Rock und Andreas Lange eine purpurfarbene Schürze und ein Halstuch in der gleichen Farbe.

Ordentlich sieht das aus und darauf legt Helga Scherer Wert. Sie leitet das Café o.k. und ist für alle so eine Art Ersatzmama. Nach den Schichten setzt sie sich mit ihren Mitarbeitern zusammen und bespricht, wie der Tag gelaufen ist. Denn einfach ist die Arbeit nicht immer. "Meine Mitarbeiter haben körperliche Beschwerden. Aber die wirken sich auch auf den Geist aus", sagt sie. Viele sind vergesslicher, oft muss Scherer Dinge zwei- oder dreimal sagen, manches jeden Tag aufs Neue erklären.

Haindl weiß, dass sie ab und zu Fehler macht und das ärgert sie. Heute hat sie vergessen, dass noch Milch und Kakao von gestern im Kühlschrank stehen. "Dabei hab ich die Sachen ja selber rein", sagt sie und schlägt sich mit der Hand auf den Oberschenkel. "Ich hab's ihr dann gezeigt", sagt Martina Rock. Sie leidet an Migräne, an manchen Tagen kann sie gar nicht aufstehen, dann muss sie daheim bleiben und andere müssen einspringen.

Sich gegenseitig zu helfen, ist im Café o.k. wichtig. Jeder hat irgendwelche Beschwerden. "Der eine kann nicht so schwer heben, der andere kann nicht so gut hören. Darauf muss ich Rücksicht nehmen", sagt Scherer. Sie ist schon 74 Jahre alt und ist fast von Anfang an beim Café dabei. Als sie vor zehn Jahren in den Ruhestand ging, wollte sie noch nicht die Füße hochlegen. Besonders freut sie sich, wenn jemand den Weg in die "freie Wirtschaft" schafft. Ein paar Mal ist das auch gelungen. "Eine Dame arbeitet jetzt zum Beispiel im Kleinen Hofbräuhaus."

Scherer hat Blumentöpfe auf die Tische gestellt, ein kleines Fähnchen steckt darin. Mit einer Sonnenblume darauf und der lateinischen Aufschrift "Carpe Diem", das heißt "Nutze den Tag!". Das steht auch auf Scherers Visitenkarte. Und das Motto passt zu ihr. "Ich mag nicht daheim rumsitzen", sagt sie gleich mehrmals.

Den Drang, arbeiten zu wollen, hat sie mit ihren Mitarbeitern gemeinsam. "Ich will mich nicht wie das Reserve-Rad am Wagen fühlen", sagt Andreas Lange. Er hat Multiple Sklerose, eigentlich bezieht er bereits eine Rente, seit er 25 Jahre alt ist. Aber er will etwas tun. Auch wenn die Arbeit für ihn nicht leicht ist. Hebt er zu schwer, bekommt er starke Rückenschmerzen. "Daheim auf der Couch wäre die Situation noch viel schlimmer."

Am längsten arbeitet Tamara Haindl in dem Betrieb. Seit zehn Jahren ist sie schon dabei. Außerdem hat sie einen Job bei der Pfennigparade im Verkauf. Das sind für sie lange Tage, manchmal kommt stundenlang kein Kunde. Im Café o.k. geht es da schon etwas anders zu. "Also gestern war ganz viel los", sagt Haindl und winkt ab. Sie freut sich schon auf das Wochenende. Da will sie einen Tag einfach mal gar nichts machen, fernsehschauen, "Kommissare im Einsatz" vielleicht oder eine Volksmusiksendung. Auf jeden Fall entspannen.

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