Hohenbrunn:100 Prozent verkracht

Hohenbrunn: Auszeit sollte das Café mit Blick ins neue Hallenbad heißen, doch jetzt ist es schon aus, bevor es überhaupt fertiggestellt und eröffnet wurde.

Auszeit sollte das Café mit Blick ins neue Hallenbad heißen, doch jetzt ist es schon aus, bevor es überhaupt fertiggestellt und eröffnet wurde.

(Foto: Mario Jugenheimer/oh)

Pommes, Eis, Mittagskarte - mit dem Angebot der Pächter für die Gaststätte am Sportcampus war die Gemeinde eigentlich zufrieden. Doch auf einmal ist der Vertrag geplatzt, weil alles Bio sein soll. Eine Geschichte mit einem faden Beigeschmack.

Von Stefan Galler, Hohenbrunn

Eine günstige Mittagskarte, auch mit Speisen zum Mitnehmen, ein Kiosk mit Pommes und Eis für die jungen Gäste des Hallenbades, regionale Gerichte, ein Biergarten und ein abendlicher Barbetrieb als Treffpunkt für die Menschen aus der Umgebung - dieses Konzept für die Gaststätte des neuen Sportcampus Riemerling hatte die Hohenbrunner Gemeinderäte noch im vergangenen November vollends überzeugt. Und so erhielten Küchenmeister Mario Jugenheimer und Handwerksmeister Thomas Langwieder den Zuschlag für ihr Café Auszeit. Mittlerweile steht fest, dass dieses Projekt nicht verwirklicht wird: Die inzwischen vorgelegte Version des Pachtvertrags war, so Jugenheimer, für die potenziellen Wirte nicht zu akzeptieren - woraufhin Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) das Duo schriftlich darüber informierte, dass es kein weiteres Vertragsangebot mehr geben und die Gemeinde "den Betrieb des Cafés anderweitig regeln" werde.

Knackpunkt war eine Klausel im Entwurf, wonach bei allen in der Gaststätte angebotenen Speisen der Bio-Anteil von Fleischprodukten und Molkereierzeugnissen bei hundert Prozent zu liegen habe. Diese Forderung hatte die Zweite Bürgermeisterin Anke Lunemann (Grüne) vehement vertreten, die selbst einen Familienbetrieb aufgebaut hat, der Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen mit Biokost beliefert und Schulkantinen betreibt. Sie verweist auf die Essens-Ausschreibungen für die gemeindlichen Kindergärten, bei denen sich der Gemeinderat ebenfalls auf hundert Prozent Bio bei Fleisch- und Milchprodukten festgelegt hat. "Essen ist Klimaschutz mit Messer und Gabel. Wie sollen Klimaziele erreicht werden, wenn wir uns nicht auf den Weg machen?", so Lunemann schriftlich auf eine SZ-Nachfrage.

Dass die Zweite Bürgermeisterin, eine Grüne, selbst eine Firma für Bio-Kost betreibt, spielt angeblich keine Rolle

Für die beiden Pächter stellte dieser Passus eine nicht zu nehmende Hürde dar, wie Mario Jugenheimer ausführt: "Wir haben von Anfang an klargemacht, dass wir Wert drauf legen wollen, regionale, lokale und nachhaltige Produkte zu verwenden und auch Bio-Gerichte anzubieten. Hier den Kunden jedoch keine Wahl zu lassen, käme wirtschaftlichem Suizid gleich." Damit spielt der Gastronom darauf an, dass die Preise für zertifizierte Bio-Speisen um ein Vielfaches höher liegen als für Nicht-Biokost. "Ich habe seit 29 Jahren Gastro-Erfahrung: So gut wie alle Läden, die ausschließlich Öko-Sachen auf der Karte hatten, haben irgendwann wieder zusperren müssen." Eine Ausnahme sei der "Alte Wirt" in Grünwald. "Aber das ist halt auch Grünwald", so Jugenheimer. Im Übrigen sei bei der Entscheidung des Gemeinderates im Herbst von einer solchen Klausel noch keine Rede gewesen, so der Gastronom, der selbst in Riemerling zuhause ist.

Hohenbrunn: "Ein Niveau, auf dem keine Zusammenarbeit vorstellbar ist": Bürgermeister Stefan Straßmair und seine Stellvertreterin Anke Lunemann sind mit den Interessenten für die Sportgaststätte über Kreuz.

"Ein Niveau, auf dem keine Zusammenarbeit vorstellbar ist": Bürgermeister Stefan Straßmair und seine Stellvertreterin Anke Lunemann sind mit den Interessenten für die Sportgaststätte über Kreuz.

(Foto: Claus Schunk)

Besonders sauer stieß den Wirten jedoch auf, dass Lunemann vorschlug, ihre Expertise in die Beschaffung der Bio-Produkte einzubringen und den Kontakt zu einem ihrer Söhne herzustellen, der den Einkauf für den familieneigenen Betrieb verantwortet. Die Grünen-Politikerin wehrt sich vehement gegen im Raum stehende Vorwürfe: "Die Unterstellung, das Unternehmen der Familie der Zweiten Bürgermeisterin würde sich bereichern wollen, ist ein Niveau, auf dem keine Zusammenarbeit vorstellbar ist", teilt sie - ebenfalls schriftlich - der SZ auf Nachfrage mit. "Um den künftigen Pächtern die Scheu zu nehmen, habe ich angeboten, dass einer meiner Söhne sie zu Bezugsquellen beraten könne." Dies könnten Bürgermeister Straßmair und der Geschäftsleiter der Gemeinde, Thomas Wien, bestätigen, die bei dem Gespräch ebenfalls anwesend gewesen seien.

Der Rathauschef und seine Stellvertreterin sprechen von Unterstellungen und brechen die Verhandlungen ab

Jugenheimer sei später sogar auf das Angebot zurückgekommen: "Die Herren besuchten unseren Betrieb und mein Sohn hat sich zwei Stunden Zeit genommen, den Herren zuzuhören und ihnen eine Einführung in die Beschaffung und Vertriebsstrukturen von Biolebensmitteln zu geben", schreibt Lunemann. Die klassische Gastronomie sei im übrigen "nicht unsere Zielgruppe", es gehöre für sie "zum politischen Anstand, dass sich das Unternehmen meiner Söhne nicht an der Ausschreibung beteiligen wird. Selbstredend ist uns auch nicht daran gelegen, uns an einer Schwimmbadgastronomie zu bereichern", so die Zweite Bürgermeisterin. Er schließe sich "den Ausführungen meiner Vertreterin" an, teilt Bürgermeister Straßmair mit, ebenfalls schriftlich. "Dass auch ich vor diesem Hintergrund die Verhandlungen abbrechen musste", sollte die Öffentlichkeit nachvollziehen können, schreibt er.

Bei den beiden Pächtern sitzt der Stachel tief. Man habe bereits rund 20 000 Euro in das Projekt gesteckt, sagt Jugenheimer. Sein Kompagnon Thomas Langwieder habe zudem nach neun Jahren in der Lebenshilfewerkstatt Putzbrunn gekündigt und stehe nun ohne Job da. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde sei sehr schwierig gewesen, oft habe man wochenlang auf Rückmeldung warten müssen, einmal sei man sogar den Umweg über die Bürgersprechstunde gegangen, um mit Rathauschef Straßmair reden zu können. "Trotz des Umstandes, dass auch nach sechs Monaten noch kein Pachtvertrag vorlag, Termine nicht eingehalten oder falsch/gar nicht weitergeleitet wurden, haben wir eine professionelle Höflichkeit und Distanz gewahrt", heißt es in einem Statement, das Jugenheimer und Langwieder am Freitag in den sozialen Medien veröffentlicht haben. Lunemann sieht das ganz anders: "Die Wirte haben umfängliche Unterstützung und Wohlwollen vom Bürgermeister, der Verwaltung und mir erhalten, denn natürlich ist das Gelingen des Gastronomie-Projekts auch in unserem Interesse."

Hohenbrunn: Überflüssige Investition: Sogar ein Logo hatten die potenziellen Pächter bereits kreieren lassen.

Überflüssige Investition: Sogar ein Logo hatten die potenziellen Pächter bereits kreieren lassen.

(Foto: Mario Jugenheimer/oh)

Wie es mit der Gastronomie im Hallenbad nun weitergeht, ist noch unklar. Im November war eine einzige weitere Bewerbung eingegangen: Der Integrationsverein "Ans Werk" der Bayerischen Landesschule für Körperbehinderte wollte sein Café Ok mit einfacher Küche, das seit 2004 am alten Schwimmbad betrieben wurde, wie bisher weiterführen. Hier hatten bislang behinderte und nicht behinderte Jugendliche zusammengearbeitet, ein ähnliches Inklusionskonzept hatten auch Jugenheimer und Langwieder im Café Auszeit umsetzen wollen. Von ausschließlich Bio-Gerichten war bei der Bewerbung des Integrationsvereins allerdings auch nicht die Rede.

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