Süddeutsche Zeitung

Hohenbrunn:Die Moderatoren haben Rücken

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Das Schulradio CSM Lion der Carl-Steinmeier-Mittelschule in Riemerling ist aus einem Projekt der Landeszentrale für neue Medien hervorgegangen und galt erst einmal als eher uncool. Inzwischen ist es ein Selbstläufer und kommt gut an

Von Conie Morarescu, Hohenbrunn

David, Korbi und Delila sind Schüler der Carl-Steinmeier-Mittelschule in Riemerling. Sie leiden momentan, wie all ihre Mitschüler auch, unter den Folgen der Corona-Pandemie. Doch etwas Außergewöhnliches verbindet die drei: Wenn nicht gerade Distanzunterricht angesagt ist, hören die rund 420 Mitschüler wöchentlich ihre Stimmen durch die Lautsprecher der Schule. In einer etwa zehnminütigen Radiosendung.

Korbinian Klusak, 13 Jahre alt, durfte die Schule zuletzt monatelang nicht besuchen. In dieser Zeit konnte er auch seiner liebsten Beschäftigung nicht nachgehen: für das Schulradio moderieren. Erst nach den Pfingstferien geht es für ihn wieder los. Dass er eines Tages Radiosprecher werden will, steht schon fest: "Ich hab schon in der Grundschule beim Schulradio mitgemacht", erzählt er während der Videokonferenz und seine Augen leuchten selbst durch den Bildschirm erkennbar.

Delila Ruznic ist 16 Jahre alt und besucht die zehnte Klasse der Mittelschule. Weil das die Abschlussklasse ist, hat sie zwar schon länger Präsenzunterricht, doch empfindet sie den Alltag als sehr mühsam: "Maske tragen, Abstand halten, jeden zweiten Tag einen Test machen, das ist sehr anstrengend. Einen richtigen sozialen Kontakt gibt es trotzdem nicht." Immerhin, sie darf die aktuell einzige Sendung für das Radio CSM Lion moderieren: "Das Quizduell - Lehrer versus Schüler". Wer mehr von den drei Fragen richtig beantwortet, darf in die nächste Runde. Die Lehrerin Anna Liebrich hat es ziemlich weit geschafft, erst in der vierten Folge wurde sie rausgeworfen, davor gewann sie immer - zum Ärgernis der jungen Moderatorinnen.

Man könnte den Umgang zwischen Lehrern und Schülern in den Sendungen als neckisch bezeichnen, ein gesunder Wettbewerb, bei dem beide Seiten voneinander lernen. In der Rubrik "Jugendchallenge" müssen Lehrer die Bedeutung von Redewendungen aus den sozialen Medien erraten. Was ist mit "Rücken haben" gemeint? Dass das nichts mit Rückenschmerzen zu tun hat, erfahren die Lehrer bei der Auflösung: Es bedeutet, viele Jungs hinter sich zu haben, Unterstützung zu genießen.

Die Schulradio AG wurde vor etwa sieben Jahren von den Lehrerinnen Julia Meißner und Carolin Friedl nach einer Fortbildung bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien initiiert. Es ging darum, die politische Beteiligung der Schülerinnen und Schüler zu stärken, sie für wichtige Themen zu sensibilisieren. "Anfangs war das Projekt für die Schüler eher noch uncool", erinnert sich Julia Meißner. Innerhalb der vergangenen Jahre hat sich das Schulradio dann zu einem hippen Schülerprojekt entwickelt, das von den jungen Menschen mit großem Engagement mitgetragen wird.

Die Jugendlichen berichten über ihren Schulalltag, den Umgang miteinander und alles Mögliche, das sie gerade so beschäftigt. Sie stellen Social-Media-Trends vor und geben Musiktipps, wie in der "Sing-weiter-Challenge" von David Payonk. Dort sollen Schülerinnen und Schüler angefangene Liedtexte von Newcomern singend fortsetzen.

Der 16-jährige David ist während des digitalen Interviews der Ruhigste der drei Jungmoderatoren. Er meldet sich wenig zu Wort, wirkt beinahe schüchtern. Neben der "Sing-weiter-Challenge" kümmert er sich um den Instagram-Account von Radio CSM Lion. Über die Präsentations-Funktion stellt er den Instagram-Account selbstbewusst vor, zeigt verschiedene Beiträge, die er gepostet hat. "Es macht einfach Spaß", sagt David und sein Lockenkopf wippt.

Sozialjugendarbeiter Vinzenz Hörl vom Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (Awo), der das Projekt seit Beginn unterstützt, schildert die Entwicklung seiner Schützlinge: "Man merkt deutlich, dass diejenigen, die lange dabei sind, sich mit der Zeit immer mehr zutrauen. Sie entwickeln sich sprachlich und zeigen sich deutlich selbstbewusster."

Aktuell betreut Hörl das Projekt zusammen mit seiner Awo-Kollegin Eva Blaha und den beiden Lehrern Julia Meißner und Maximilian Reil. Zweimal die Woche finden Redaktionssitzungen statt. "Wir sind sehr froh um die Unterstützung von Herrn Hörl, der sich auch um das Schneiden der Beiträge kümmert und Frau Blaha, die unheimlich viel Kreativität rein bringt", betont Meißner. "Wir Lehrer könnten das alleine kaum stemmen."

Neben authentischen Alltags-Jugendthemen fließen auch politische Themen auf lockere Weise in die Sendungen ein - aus dem Blickwinkel der Schüler. In der Rubrik "Newsflash" wird über den Klimawandel berichtet und warum es sein könnte, dass die Malediven in 80 Jahren im Meer versinken. "Schon krass, dass wir das noch miterleben könnten, dass die Malediven verschwinden", bemerkt die Moderatorin. In einer anderen Sendung wird über die Entwicklung von Streaming-Portalen wie Netflix berichtet.

Politik, Medien, Soziales - wichtige Bildungs-Themen, die besonders viel Platz in den Podcast-Beiträgen finden, mit denen die Schüler an Wettbewerben teilnehmen. Sie haben bereits mehrere Preise gewonnen, wurden oft gelobt für die kreative und interessante Umsetzung. Über mehrere Wochen setzten sie sich für diese Beiträge intensiv mit Themen wie "Fake News" und "Rechtsstaat" auseinander. Für das Projekt "Mehr Frauen in der Politik?" waren die Schüler im Maximilianeum zu Gast und führten ein Interview mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU).

"Sie waren stark beeindruckt und eine Schülerin hat das so geprägt, dass sie sich prompt zur Schülersprecherin aufstellen ließ", erzählt Lehrer Maximilian Reil. Isi Sonnefeld vertritt mittlerweile ihre Schule im Landesschülerrat und ist als Bundesdelegierte aktiv. Wie genau ihre Aufgaben aussehen, können ihre Mitschüler online im Interview mit Vinzenz Hörl (Link: https://www.machdeinradio.de/radiobeitrag/von-der-schuelersprecherin-zur-bundesdelegierten-interview-mit-isi-sonnefeld/) erfahren.

Als sich das Videogespräch dem Ende zuneigt, atmet Korbi auf: "Das trifft sich gut. Ich habe in einer Viertelstunde einen Termin", erklärt er und baut sein Studiomikrofon auf. Offenbar hat der Termin mit seiner Leidenschaft, dem Moderieren, zu tun. Beobachtet man den aufgeweckten Jungen dabei, wie er das Mikrofon in Position bringt, wünscht man ihm von Herzen, dass ihm bald wieder 420 Schüler lauschen können. "Über Corona wollen wir nicht mehr sprechen, keiner kann das mehr hören", sagt er noch vor dem Abschied. "Wir wollen Mut machen mit dem Schulradio und unsere Hörer unterhalten. Schlechte Laune brauchen wir nicht."

Die Sendungen des Schülerradios CSM Lion kann man unter https://www.machdeinradio.de/kanal/csm-lion/ streamen, auf Instagram findet man das Radio unter dem Namen "csm.lion" (https://www.instagram.com/csm.lion/).

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SZ vom 19.05.2021
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