Wirtschaft in der Region:Bittere Pille für Merck-Belegschaft

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Kämpfen um den Standort Hohenbrunn des Chemiekonzerns Merck-Schuchardt: Gewerkschaftssekretär Stefan Plenk, Betriebsratsvorsitzender Michael Sevcik und der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Florian von Brunn (von links). (Foto: Sebastian Gabriel)

Das Werk des Pharma- und Chemie-Unternehmens in Hohenbrunn ist offenbar nicht mehr zu retten. Mehr als 100 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.

Von Stefan Galler, Hohenbrunn

Der Pharma- und Chemiekonzern Merck-Schuchardt macht nun offenbar Ernst: Nachdem seit mehreren Jahren die Schließung des Standorts Hohenbrunn im Raum steht, zeichnet sich ab, dass das Aus für das Werk Mitte 2024 tatsächlich kommen wird. "Sofern nicht von ganz oben im Management ein entsprechendes Signal kommt, gibt es keine großen Chancen mehr, den Standort zu erhalten", sagt der Vorsitzende des Betriebsrats, Michael Sevcik. Deshalb gelte es nun aus seiner Sicht, bei den Verhandlungen über einen Sozialplan und entsprechende Abfindungsmodalitäten möglichst viel für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herauszuholen: "Noch sind wir hier weit auseinander, wir fordern das Dreifache von dem, was die Arbeitgeberseite bietet", so Sevcik.

Seit 1949 ist das Unternehmen in der Gemeinde tätig, 1972 kaufte der Merck-Konzern die Firma Schuchardt auf, man blieb auch danach in Hohenbrunn, wo Lösungsmittel, Reagenzien und Feinchemikalien produziert und abgefüllt werden. 110 Mitarbeiter sind derzeit am Standort im Gewerbegebiet Muna tätig, darunter etliche Fachkräfte aus der chemischen Industrie, die auf dem Arbeitsmarkt gesucht sind. Aber eben auch viele Quereinsteiger, darunter gelernte Bäcker, Kürschner, Kfz-Mechatroniker oder auch ungelernte Arbeiter, "die sich durch Leistung eine Karriere erarbeitet haben", wie es Betriebsratschef Sevcik ausdrückt. "Für einen spürbaren Teil der Leute wird es sehr schwierig werden, neue Tätigkeiten zu finden." Stefan Plenk, Gewerkschaftssekretär der IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), ergänzt: "Ein Job wie bei Merck-Schuchardt mit 37,5 Wochenarbeitsstunden, 13 Monatsgehältern plus Urlaubsgeld, 30 Urlaubstagen und betrieblicher Altersversorgung dürfte kaum wieder zu bekommen sein."

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Obwohl die Aussichten, was den Bestand des Betriebs angeht, alles andere als gut sind, hat Plenk die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben; schließlich hätten sich die Pläne, das Werk zuzumachen, schon von 2022 auf 2023 und nunmehr auf 2024 verschoben. Erste Protestaktionen der Belegschaft im Januar wären zumindest insofern nicht wirkungslos geblieben, als dass die Konzernseite danach wieder bereit gewesen sei, über einen Sozialplan zu verhandeln. "Wir sehen die Schließung überhaupt nicht ein. Das ist ein hervorragend ausgestatteter Standort, der Jahr für Jahr schwarze Zahlen schreibt und bei allem Verständnis für den Wunsch nach Zentralisierung als Backup-Standort unbedingt erhalten werden muss", sagt Plenk. Sevcik verweist auf die Tatsache, dass Merck zu den "Corona-Gewinnern" zähle. Hohenbrunn aufzugeben, sei allein deshalb unklug, weil hier Genehmigungen bestünden, etwa für die Lagermenge von Chemikalien, die anderswo in dieser Form kaum zu bekommen seien. Gewerkschaftsmann Plenk bleibt entsprechend kämpferisch: "Wenn es sein muss, werden wir weiter politischen Druck aufbauen."

Die Mitarbeiter sollen nach Schnelldorf bei Ansbach umziehen. Nur zwei von 110 haben sich dazu bereit erklärt

Deshalb hat man etwa mit der SPD-Landtagsfraktion Kontakt aufgenommen. Deren Vorsitzender Florian von Brunn ist diesen Dienstag nach Hohenbrunn gekommen, um sich mit den Arbeitnehmervertretern am Ort auszutauschen und auch mit der Standortleitung des Unternehmens zu reden. "Es war ein sehr konstruktives Gespräch", sagte der Sozialdemokrat anschließend, ohne Details der Unterredung zu verraten. "Bei meinem Betriebsrundgang habe ich hochmotivierte Mitarbeiter gesehen, die loyal und mit dem Unternehmen verbunden sind." Brunn wies auf die keineswegs ungefährliche Tätigkeit in der Chemiebranche hin: "Die Menschen, die hier arbeiten, haben eine hohe Verantwortung, da ist viel Know-how und Erfahrung nötig." Es sei nicht nachzuvollziehen, dass der Mutterkonzern auf dieses Fachwissen verzichten wolle. "Der Standort Hohenbrunn leistet einen wesentlichen Beitrag zum Betriebsergebnis von Merck-Schuchardt", so der SPD-Fraktionsvorsitzende, der auch mit der Dritten Bürgermeisterin der Gemeinde, Regina Wenzel (SPD), über das Thema gesprochen hat. Für Hohenbrunn spiele es natürlich auch eine Rolle, "dass Merck-Schuchardt ein guter Gewerbesteuerzahler ist", so von Brunn. Auf Unterstützung durch Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) hätten Betriebsrat und Gewerkschaft indes bisher verzichten müssen, erklärten deren Vertreter.

In den Plänen des Konzerns spielt Hohenbrunn offenbar keine Rolle mehr: Man sucht bereits einen Käufer für das Areal in Hohenbrunn, will die Produktion und Abfüllung in einem "zentralen Kompetenzzentrum" in Schnelldorf bei Ansbach bündeln und dafür rund 100 Millionen Euro investieren. Deshalb seien auch bereits Standorte in Berlin und Eppelheim in Baden-Württemberg geschlossen worden. Zeitgleich mit Hohenbrunn wird wohl auch das Werk in Steinheim am Albuch (Baden-Württemberg) zugemacht.

Das Angebot an die Mitarbeiter, mit nach Franken zu ziehen, steht zwar, erfreut sich wenig überraschend aber in Hohenbrunn keiner großen Beliebtheit. Nur zwei der aktuell 110 Angestellten hätten sich bislang bereit erklärt, den Wechsel zu vollziehen. Die meisten seien jedoch in der Region München tief verwurzelt und ein täglicher Arbeitsweg von knapp drei Stunden nicht zumutbar, sagen die Arbeitnehmervertreter.

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