Hohenbrunn:Bürgermeister droht mit der Polizei

Hohenbrunn: Freies Feld: Womöglich ist das Hohenbrunner Autohaus schon bald hinter einem Supermarkt versteckt.

Freies Feld: Womöglich ist das Hohenbrunner Autohaus schon bald hinter einem Supermarkt versteckt.

(Foto: Claus Schunk)

In einer turbulenten Sitzung verabschiedet der Hohenbrunner Gemeinderat das Prinzip der sozialen Bodennutzung für die Kommune. Stefan Straßmair wird dabei vorgeworfen, nicht mit offenen Karten gespielt zu haben. Zuvor gerät er mit einem Grundstücksbesitzer aneinander.

Von Christina Hertel, Hohenbrunn

Nachdem Bürgermeister Stefan Straßmair von der CSU die Polizei rufen wollte, nach Vorwürfen, Anschuldigungen und einer Sitzungsunterbrechung von fast einer halben Stunde - nach all dem wurde sich der Hohenbrunner Gemeinderat am Donnerstagabend doch noch einig: In Zukunft soll in der Kommune das Prinzip der sozialgerechten Bodennutzung angewendet werden. Das Modell beruht im Wesentlichen darauf, dass sich Grundstückseigentümer an den Folgekosten ihrer Planungen beteiligen und geförderten Wohnraum schaffen. Auch ein Aufstellungsbeschluss für das Grundstück östlich der Putzbrunner Straße wurde gefasst. Dort will ein Investor einen Supermarkt und Wohnbebauung errichten.

Das Misstrauen einiger Gemeinderäte gegenüber dem Bürgermeister ist groß. Und dieses Misstrauen teilt anscheinend auch ein Bürger: Egid Schulz. Er betreibt ein Autohaus, das unmittelbar neben jenem Gebiet liegt, das bebaut werden soll. Schulz fürchtet offenbar, dass sein Geschäft nach der Errichtung eines Supermarkts von der Straße aus kaum mehr zu sehen sein wird. Nicht ganz unbegründet - legte der Investor doch Pläne für einen Markt vor, in dessen zweitem Stock Arztpraxen und Büros untergebracht werden könnten. Während der Sitzung stand Schulz auf, drohte damit, "Dinge öffentlich zu machen". Bürgermeister Straßmair rief, er würde die Polizei holen, wenn sich Schulz nicht wieder hinsetze. Am Ende beruhigte Hohenbrunns Geschäftsleiter Thomas Wien den Autohändler.

Zweimal vertagte eine Mehrheit aus SPD, Grünen, Bürgerforum und den örtlichen Freien Wählern einen Aufstellungsbeschluss für das Grundstück. Ein solcher Beschluss ist immer der erste Schritt, wenn ein neuer Bebauungsplan erstellt werden soll. Und ein Signal an den Investor, dass er mit einer Bebauung rechnen kann. Bis Donnerstag konnten die Fraktionen dem nicht zustimmen. Sie wollten vorher konkret regeln, wie man an dieser Stelle - und später im gesamten Gemeindegebiet - bezahlbaren Wohnraum schaffen könnte.

"Das haben Sie versemmelt, Herr Straßmair."

Eigentlich hatte sich der Gemeinderat schon im vergangenen Sommer auf einer Klausurtagung für sozialgerechte Bodennutzung ausgesprochen. Als der Investor allerdings Ende Januar seine Pläne vorstellte, schien er davon nichts zu wissen. Der Bauunternehmer Johannes Fischer von der Firma Michael Dankerl betonte, dass er kein Grundstück zu billigen Preisen weitergeben könne - zu teuer sei der Kauf gewesen. Fraglich ist, ob die ursprünglichen Eigentümer das Grundstück möglicherweise billiger hätten verkaufen müssen, wenn von Anfang an klar gewesen wäre, wie sich die Gemeinde die Bebauung vorstellt. Für die Mehrheit der Hohenbrunner Räte jedenfalls ein Zeichen dafür, dass es der Bürgermeister versäumt hatte, dem Investor die Pläne des Gremiums für günstigen Wohnraum mitzuteilen. Die Befürchtung: Die Gemeinde verliere dadurch die Planungshoheit über das Gebiet, mache sich durch die Aussicht auf einen Supermarkt - den es bislang in Hohenbrunn nicht gibt - erpressbar. Martina Kreder-Strugalla von den Grünen übte scharfe Kritik: "Das haben Sie versemmelt, Herr Straßmair."

Der Bürgermeister wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Der Investor habe das Grundstück im Mai gekauft. Erst einen Monat später sei im Gemeinderat in einer Klausurtagung über sozialgerechte Bodennutzung gesprochen worden. Danach habe er sehr wohl Gespräche mit dem Investor über günstigen Wohnraum geführt. Außerdem habe er im Herbst ein Gutachten erstellen lassen, ob die Gemeinde Teile des Grundes erwerben könne, um selbst Wohnraum zu errichten. Letztlich wäre das für Hohenbrunn aber zu teuer gewesen.

Schließlich wurde doch ein Kompromiss gefunden. Ursprünglich wollten SPD, Grüne, Bürgerforum und Freie Wähler, dass alle Pläne für Wohnbaulandausweisungen zurückgestellt werden, bis Richtlinien für eine sozialgerechte Nutzung gefasst sind, die für ganz Hohenbrunn gelten. Anwalt und Grünen-Kreisrat Frank Sommer, Experte für Baurecht, betonte jedoch, dass es schwierig sei, das zu diesem Zeitpunkt zu verwirklichen. Zu unklar sei, wie sich die Kommune in Zukunft weiterentwickle. Beispiel: Eine mögliche Bebauung westlich der S-Bahn. "Wenn die erst in Jahren kommt, könnten die Grundsätze überholt sein." Außerdem würde die Ausarbeitung der Richtlinien lange dauern, womit sich auch Wohnbauprojekte der Gemeinde enorm verzögerten. Sommer schlug vor, jetzt Regelungen für absehbare Planungen zu fassen und später für das gesamte Gemeindegebiet. Das müsse nicht vor einem Aufstellungsbeschluss passieren. Nach dieser Erklärung zogen sich die Gemeinderäte erst einmal zurück und berieten - fast eine halbe Stunde lang.

Regina Wenzel von der SPD formulierte schließlich den gemeinsamen Antrag um. Das Gremium beschloss, soweit rechtlich möglich, Grundsätze der sozialgerechten Bodennutzung in der Gemeinde anzuwenden. Außerdem wurde die Verwaltung beauftragt, für das Gebiet östlich der Putzbrunner Straße Ziele für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu erarbeiten. Für Wenzel ein Erfolg: "Ohne uns wäre hinsichtlich günstigem Wohnraums nichts passiert." Das sieht auch Andreas Schlick vom Bürgerforum so. Obwohl für ihn noch viele Fragen offen sind: "Wie liefen die Gespräche mit dem Investor konkret ab? Oder: Warum wurde ein Grundsatz zur sozialgerechten Bodennutzung nicht viel früher getroffen?" Denn ob sich der Investor auf die Richtlinien, die erst noch genauer ausgearbeitet werden müssen, am Ende einlässt, bleibt freilich offen.

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