Hohenbrunn:Banges Warten am Wegesrand

Hohenbrunn: Zur Kasse gebeten werden Anwohner mancherorts, wenn die Straße vor ihrer Haustür ausgebaut wird.

Zur Kasse gebeten werden Anwohner mancherorts, wenn die Straße vor ihrer Haustür ausgebaut wird.

(Foto: Claus Schunk)

Erst nächsten Mittwoch fällt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sein Urteil, ob Hohenbrunn beim Straßenausbau weiterhin auf Beiträge von Anwohnern verzichten darf. Der Anwalt der Gemeinde ist zumindest ein bisschen optimistisch, betroffene Bürger treibt die Angst um.

Von Christina Hertel, Hohenbrunn

Eine Baustelle vor der eigenen Haustür kann laut sein, dreckig - und teuer. Die Straßenausbaubeitragssatzung, ein Begriff, der nach dröger Verwaltungsarbeit klingt, entfaltet in vielen Kommunen Sprengkraft. Die Satzung besagt, dass die Gemeinden die Grundstückseigentümer für Ausbau- und Verschönerungsmaßnahmen von Straßen zur Kasse bitten müssen. Eine Kommune darf nur dann auf das Einziehen der Beiträge verzichten, wenn sie keine finanziellen Sorgen hat.

Diese Regelung verursacht in vielen Kommunen Ärger - besonders in Hohenbrunn. Die Gemeinde hatte ihre Ausbaubeitragssatzung aufgehoben. Das hatte das Landratsamt München beanstandet und die Kommune verpflichtet, eine neue Satzung zu erlassen. Dagegen klagte Hohenbrunn, verlor, legte Berufung ein. Die Verhandlung fand am Mittwoch statt. Das Ergebnis - unklar.

Nicht einmal Hohenbrunns Anwalt Ferdinand Kuchler sah nach der Verhandlung eine klare Tendenz. Grund für ein bisschen Optimismus aber schon: "Das Gericht hat unseren Argumenten zumindest nicht widersprochen." Ein klare Aussage traf der Richter allerdings auch nicht. Für die betroffenen Anwohner in Hohenbrunn heißt das: weiter bangen - bis Mittwoch, da soll das Ergebnis der Verhandlung schriftlich bekannt gegeben werden.

Die gute finanzielle Lage sah das Gericht im ersten Urteil nicht

Ihre Existenz sei bedroht, sagte Gisela Breyer aus Hohenbrunn vor der Verhandlung. Ihre letzten Geldreserven seien aufgebraucht - für Renovierungsarbeiten am Haus. Doch es könnte auf sie noch eine Rechnung zukommen - etwa 10 000 Euro, schätzt sie. Mit diesem Betrag muss sie sich womöglich an den Straßenarbeiten vor ihrem Grundstück beteiligen. Insgesamt geht es in Hohenbrunn um einen Betrag von 790 000 Euro. Besonders ärgerlich bei der Angelegenheit: Den Anliegern der Friedrich-Fröbel-Straße und der Steinstraße, die für den Ausbau der Straßen zahlen sollen, könnte ihre eigene Gutmütigkeit zum Nachteil gereichen. Schon 2009 hatte der Gemeinderat beschlossen, die betroffenen Straßen kostenfrei auszubauen. Doch damals rieten die Bürger der Gemeinde selbst dazu, zuerst dringendere Projekte anzugehen - wie zum Beispiel die Sanierung der Grundschule.

Dass die Gemeinde damals so viel Geld ausgegeben hat, trug im Umkehrschluss dazu bei, dass sie sich jetzt schwer tut, die Straßenausbaubeitragssatzung wieder abzuschaffen. Denn das geht laut Gesetz nur bei guter finanzieller Lage. Und die sah das Gericht im ersten Urteil nicht. Die Richter stellten damals klar, die Haushaltslage von Hohenbrunn rechtfertigte es nicht, von den Beiträgen für den Straßenausbau abzusehen. Denn dies setze voraus, "dass die Kommune weder für den laufenden Haushalt noch zur Finanzierung von anstehenden Projekten auf eine Kreditaufnahme angewiesen ist".

Doch dass Hohenbrunn auch nicht gerade in finanziellen Schwierigkeiten steckt, wurde vor Gericht am Mittwoch auch klar. Ein Zeichen, das Kuchler optimistisch stimmt: "Das Gericht hat selbst dargelegt, dass Hohenbrunn im bayerischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Einnahmen hat." Die Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze liegen, verglichen mit Gemeinden, die wie Hohenbrunn etwa 10 000 Einwohner haben, unter dem bayerischen Durchschnitt. Die Gewerbesteuereinnahmen liegen allerdings mit etwa 5,5 Millionen Euro darüber. Außerdem bekommt Hohenbrunn keine staatlichen Mittel etwa durch den Finanzausgleich. "Solange eine Gemeinde nicht am Tropf des Staates hängt, muss es ihre Entscheidung sein, ob sie von so einer Satzung Gebrauch macht", sagte Kuchler.

27 Prozent der Kommunen in Bayern haben keine Beitragssatzung

Außer Hohenbrunn hätten noch 17 weitere Orte im Landkreis keine Beitragssatzung. In ganz Bayern seien es 27 Prozent. Von denen stünden so manche schlechter da als Hohenbrunn. Außerdem liege es, führte Kuchler aus, im Ermessen der Gemeinden selbst, ob sie eine Straßenausbausatzung einsetzen wollen oder nicht. Gezwungen werden könnten die Kommunen dazu nicht - ansonsten werde in die "verfassungsrechtlich geschützte Finanzhoheit der Gemeinden eingegriffen". Wenn die Kommunen dabei Fehler begehen würden, könne das Landratsamt das nur feststellen. "Wie dann weiter verfahren wird, obliegt der Gemeinde." Für Kuchler sei erst eine Grenze erst erreicht, wenn sich die Gemeinden in einer andauernden Haushaltsnotlage befinden würden.

Ein Argument, das Oberlandesanwältin Margit Egner nicht zählen lassen wollte. Aus ihrer Sicht dürfe die Satzung nur in Ausnahmefällen bei einer außergewöhnlich guten Haushaltslage ausgesetzt werden. Sie wies auch darauf hin, dass der Ausbau einer Straße für den Anwohner einen Mehrwert darstelle. Nach den Grundsätzen der Einnahmebeschaffung, die gesetzlich festgelegt sind, müssten für solche Sondervorteile zuerst Gebühren erhoben werden, bevor es zu Steuererhebungen komme. Dass es möglich ist, die Beitragssatzung aufzuheben, hat die Stadt München gezeigt. Sie hat 2014 ihre Satzung abgeschafft. Ein Argument damals: Die Gebühren rentierten sich nicht. Die Kosten, sie einzutreiben, seien fast genauso hoch wie die Einnahmen. Auch Hohenbrunn brachte dies an. "Die Gemeinde müsste dafür extra einen Mitarbeiter einstellen."

Doch am Ende müssen alle Beteiligten noch auf das Ergebnis warten. Auch Gisela Breyer aus Hohenbrunn bleibt weiter gespannt, ob sie bald doch für ihre Straße zahlen muss. "So richtig", sagte sie nach der Verhandlung, wisse sie nicht, "was ich jetzt denken soll". Ein bisschen ein besseres Gefühl als bei der vergangenen Verhandlung habe sie aber schon.

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