Rückschlag für Energiewende:Gericht stoppt Bau von Windrädern im Höhenkirchner Forst

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Die Baustelle im Höhenkirchner Forst läuft. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält es jedoch für problematisch, dass dort Bagger und Lkw unterwegs sind. (Foto: Claus Schunk)

Nach einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Genehmigung des Landratsamts rechtswidrig, weil der Trinkwasserschutz nicht ausreichend geprüft wurde. Wie es jetzt weitergeht, ist offen.

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Der bereits begonnene Bau von drei Windkraftanlagen im Höhenkirchner Forst muss eingestellt werden. Ob es zu einem späteren Zeitpunkt dort weitergehen wird, steht in den Sternen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem von dem Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität (VLAB) angestrengten Verfahren die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für rechtswidrig erklärt, ohne allerdings formal das Baurecht aufzuheben. Das Landratsamt München als Genehmigungsbehörde bekommt die Möglichkeit, das Verfahren noch zu „heilen“, wie es im Fachjargon heißt. Allerdings wiegen die Bedenken des Gerichts durchaus schwer.

Das am Freitag verkündete Urteil, das bisher nicht schriftlich vorliegt und damit nicht rechtskräftig ist, könnte das Aus für die drei von den Gemeinden Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Egmating und Oberpframmern geplanten Rotoren bedeuten. Der gegen sie klagende Verein ist bundesweit bekannt dafür, gegen Windkraft Front zu machen. Im aktuellen Fall hat dessen Anwalt Armin Brauns offenkundig einen wunden Punkt der Planungen gefunden: Denn die bis zu 246 Meter hohen technischen Anlagen sollen in einem Waldgebiet entstehen, aus dem Tausende Haushalte im östlichen Landkreis München ihr Trinkwasser beziehen.

Der VLAB spricht in einer Mitteilung von „einem wichtigen Erfolg für den Umweltschutz und die Trinkwasserversorgung“. Laut der Co-Vorsitzenden Christina Hauser hat „der Schutz unseres Trinkwassers mindestens den gleichen Stellenwert wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien“. Die Flächen, die für die Trinkwasserversorgung geeignet sind, seien wesentlich begrenzter als mögliche Standorte für Windkraftanlagen. Die Windräder im Höhenkirchner Forst sind symbolisch von großer Bedeutung. Es ist nach Jahren der Planung das erste Projekt im Landkreis München, das sich konkret in der Umsetzung befindet. Ende Mai war der offizielle Spatenstich mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).

Ein Sprecher des obersten Bayerischen Verwaltungsgerichts sagte am Freitag, dass formell der Betrieb nicht eingestellt sei. Aber man werde die Bürgerwind Höhenkirchner Forst als Bauherr auffordern, freiwillig den Bau zu stoppen. Sollte das nicht passieren, werde auf Grundlage eines vom VLAB eingebrachten Eilantrags ein Baustopp folgen. Daraufhin werde geprüft, ob die Genehmigung noch zu retten sei. Die Beteiligten an der Planung hätten sich zwar große Mühe gegeben, eine vor allem in der Bauphase mögliche Trinkwassergefährdung auszuschließen, so der Gerichtssprecher, aber eben nicht genug.

Grundsätzlich sind Baumaßnahmen in Wasserschutzgebieten unzulässig. Allerdings besteht, abhängig von der Nähe zu den Brunnen, in den jeweiligen Schutzzonen die Möglichkeit auf eine Befreiung von dem Verbot. Diese Befreiungen hat das Landratsamt erteilt. Bei zwei Brunnen in der Schutzzone III stützte man sich laut Gericht darauf, dass eine Gefährdung des Trinkwassers bis auf ein Restrisiko ausgeschlossen werden könne. Dabei ging es darum, sicherzustellen, dass etwa ein Bagger oder ein Lkw, der Rotorenblätter antransportiert, dort im Wald kein Diesel oder Öl verliert. Der Gerichtssprecher sagte, die Bauherren hätten sich zu vielen Vorkehrungen verpflichtet, wie etwa nur außerhalb des Waldes die Fahrzeuge zu betanken. Aber: Bei 1000 Fahrzeugbewegungen und einer monatelangen Bauzeit sei ein minimiertes Risiko nicht auszuschließen.

Als problematisch sieht das Gericht dabei, dass in beiden Fällen Alternativstandorte gar nicht geprüft worden sind. Bei der dritten Anlage, die ganz nah an einer höher geschützten Schutzzone II liegt, basiere die Befreiung für das Windrad darauf, dass zum einen „überwiegende Gründe des Gemeinwohls“ verfolgt würden. Und zum anderen werde darauf abgehoben, dass diese wegen fehlender Alternativen genau dort entstehen müsse. Doch das Gericht überzeugt die in diesem Fall erfolgte Prüfung von Alternativstandorten nicht, bei der unter anderem ohne Abwägung auf die 10-H-Abstandsregelung verwiesen wird und auch darauf, dass der Wespenbussard an einem anderen möglichen Platz heimisch sei. Beides scheide durch die jüngste, Windkraftprojekte stärkende Gesetzgebung als Ausschlusskriterium aus.

Das Gericht beurteilt nicht, ob diese aus seiner Sicht durchaus bedeutenden Punkte noch geklärt werden können. Die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts München jedenfalls äußerte sich in der Verhandlung vor dem 22. Senat des Gerichts grundsätzlich sehr skeptisch zu den Windkraftplänen gerade dort im Forst, wo durch den Untergrund in der Münchner Schotterebene und die vielen Brunnen eine Gefährdung des Wassers möglich sei.

Ottobrunns Bürgermeister erwartet ein neues Genehmigungsverfahren

Die Bürgermeisterin von Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Mindy Konwitschny (SPD), äußerte sich am Freitag „etwas überrascht“ über das Urteil, schränkte aber gleich ein, sie wisse noch zu wenig, gerade zu der Frage, wie schwerwiegend es wäre, bei der Genehmigung noch nachzubessern. Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) sagte dagegen, er habe sich über das Urteil „nicht gewundert“. Er freue sich. Das Gericht erkenne sogar unerwartet für alle drei Anlagen eine „Schutzgutverletzung“ an.

Loderer hat im Namen der Gemeinde Ottobrunn ebenfalls juristische Schritte gegen den Bau der Rotoren eingeleitet. Wie seine Amtskollegin Konwitschny verfolgte er das getrennt davon gelaufene Verfahren des VLAB vor dem Gerichtshof persönlich. Aus seiner Sicht handelt es sich bei den Mängeln im Bescheid des Landratsamts nicht um ein paar handwerkliche, redaktionelle Fehler, die man „schnell in Form bringen“ könne. „Das heißt faktisch: ein neues Verfahren. So schätze ich das ein.“

Das Landratsamt kündigte am Freitag an, nach Vorliegen der Urteilsbegründung die Sache „eingehend zu prüfen“ und dann mit der Bürgerwind „weitere Handlungsmöglichkeiten wie gegebenenfalls die Option einer Heilung abzuwägen“.

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