So dunkel wie die Kirche Mariä Geburt Höhenkirchen am Karfreitag ist, so sehr liegt die Geschichte ihres Heiligen Grabes im Dunkeln. Und doch macht eine Neuerung dieses Heilige Grab zu etwas Besonderem. Seit zwölf Jahren werden am Karfreitag aus Christbäumen gefertigte Kreuze an ihm abgelegt.
An Weihnachten 2006 hatte Pfarrer Toni Wolf - angeregt durch einen Artikel in einer theologischen Zeitschrift - nach den Gottesdiensten dazu aufgerufen, den Christbaum nach den Festtagen nicht einfach in den Müll zu werfen oder klein zu hacken, sondern für die Karwoche aus dem Stamm ein Kreuz zu binden. Denn im Stamm des Christbaumes sei Ostern schon vorgezeichnet, und am Karfreitag stehe jedes Kreuz für eine bestimmte Leid-Erfahrung der Menschen. Die Kreuze würden in der Osternacht in das Osterfeuer gelegt, erläuterte Wolf zu Ostern 2007 in den Pfarrverbandsnachrichten.
So werden auch diesmal am Karfreitag Gläubige ihre Christbaumkreuze in einer Prozession zur Kirche tragen. "Es sind Kreuze aus den großen Christbäumen der Kirchen und Schulen sowie kleinere, wenn etwa in einer Familie aus einem Stamm mehrere Kreuze gefertigt wurden", sagt Pastoralreferent Martin Soos. Auf dem Weg zur Kirche und beim Einzug werden anstelle der Glocken die Karfreitagsratschen erklingen. In der Kirche gehen die Gläubigen zum Altar. Dort liegt die Christusfigur im Heiligen Grab, nur durch ein Tuch verdeckt. Die Christbaumkreuze werden vor ihm abgelegt. Damit ist für die Gläubigen die Unbehaglichkeit beim Anfassen des Stammes - er piekst und ist von Harz klebrig -, die als Symbol für das Leid der Welt verstanden wird, überstanden. Das Tuch wird entfernt, Kerzen werden entzündet und die Gläubigen legen Blumen auf das Grab oder stecken sie zwischen die Christbaumkreuze. Jeder hat Zeit zum Innehalten und Beten.
Pfarrer Wolf empfindet Ostern als das "Fest der neuen Schöpfung". Dabei stecke auch eine tiefe religiöse Bedeutung in dem Christbaumkreuz-Verbrennen: "Weihnachten und Ostern sind sehr eng miteinander verbunden. Christus kam in die Welt, indem er sich auf das Holz der Krippe legen ließ." Er begleitete die Menschen in ihrem Alltag bis er gekreuzigt wurde. Am Karfreitag symbolisieren die in der Kirche aufgestellten Kreuze das Leid unserer Mitmenschen. Wenn sie im Osterfeuer verbrannt werden und hell aufleuchten, werde vollendet, was Jesus an Weihnachten angefangen habe, nämlich die Welt hell zu machen. Aus dem Symbol für das Leid der Welt blühe im Osterfeuer neues Leben auf, sagt Wolf.
Die Christbaumkreuz-Tradition gibt es seit 2007, doch seit wann errichten die Mesner mit Freiwilligen das Heilige Grab an Mariä Geburt? Dazu fanden sich bislang keine Dokumente. Es gibt nur die Jesusfigur aus Gips. Als man sie vor gut 20 Jahren im Keller fand und sie vernichtet zu werden drohte, ließ sie Pfarrer Wolf restaurieren. Er hält die Figur selbst für "vielleicht 150 Jahre alt, sicher aber älter als die Frömmigkeitsbewegung im 19. Jahrhundert".
Das Heilige Grab wurde bis zum Auffinden der Figur lange Zeit nicht mehr aufgebaut. Beate Mayer, die in Höhenkirchen geboren wurde, als der Ort nur etwa 550 Einwohner zählte, erinnert sich, dass es in ihrer Kindheit jeden Karsamstag ein Heiliges Grab gegeben hat. Es sei ihr wie das Felsengrab erschienen, obwohl der Aufbau aus Holz und bemalt war. "Das Ganze war barock-bayernd in der Erscheinung und sehr anschaulich. Ich bin da mit Neugier hingegangen, hatte aber auch große Ehrfurcht", sagt die 79-jährige ehemalige Gemeinderätin und erzählt von einem weiteren Brauch, der ihr als Mädchen aber verwehrt gewesen sei. Am Karsamstag hätten die Buben Baumschwämme von der Allee zwischen Höhenkirchen und Siegertsbrunn auf Draht gesteckt und dann ins Osterfeuer gehalten: "Das hat sehr gequalmt und geflackert."
Die Prozession am Karfreitag beginnt um 15 Uhr am Seniorenzentrum Höhenkirchen, Bahnhofstraße 8. Von 16 bis 19 Uhr ist stilles Gebet am Heiligen Grab in Mariä Geburt, ebenso am Karsamstag von 9 bis 12 Uhr. Der Kinderkreuzweg am Karfreitag, zu dem die Kinder auch Christbaumkreuze mitbringen, beginnt um 11 Uhr.