Höhenkirchen-Siegertsbrunn:"Nichts davon gehört"

Im Bauauschuss werden die Gemeinderäte überrascht von den konkreten Plänen zu einem Boardinghaus

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Als Christian Weiher, der auf den Besucherplätzen die Sitzung verfolgt, aufsteht und das Wort ergreift, hält plötzlich die große weite Welt Einzug im Höhenkirchner Rathauses. Der Geschäftsführer der CW-Vermögensverwaltung spricht vom "EU-Forschungsprojekt", von der Fraunhofer-Gesellschaft und von einem beteiligten Visionär, der in der chinesischen Millionenmetropole Shenzhen Großartiges entworfen habe. Die Gemeinderäte meinen derweil ihren Ohren nicht trauen zu können. Über das Bauvorhaben an der Arnikastraße 4 haben sie mehrmals beraten. Aber von Herrn Weiher und der Vermögensverwaltung hören sie zum ersten Mal.

Die Pläne betreffen das bestehende Gebäude, in dem sich mit dem Haus Gleißental aktuell eine therapeutische Einrichtung für Suchtkranke befindet. Der Komplex soll umgebaut und erweitert werden, um ein nicht näher beschriebenes Boardinghaus zu schaffen. 56 Wohneinheiten sind vorgesehen und eine Tiefgarage, die Autofahrer statt über eine Rampe über einen Aufzug ansteuern. Im Januar lehnte der Bauausschuss des Gemeinderats auf Basis spärlicher Informationen das Ganze ab. Aus gerade Mal knapp zwei Seiten bestanden die Unterlagen zu dem Punkt damals. Auch diesmal, als die Angelegenheit wieder auf dem Tisch der Gemeinderäte im Bauausschuss landet, weil das übergeordnete Landratsamt dem Bauherrn eine Genehmigung in Aussicht gestellt hat, weiß man nicht viel mehr. Als größtes Problem sieht mancher Gemeinderat an, dass der Autoaufzug überlastet werden könnte. Dabei steckt doch viel mehr dahinter.

Dass der eloquente Vermögensverwalter im Ausschuss auftritt und das Ganze aufklärt, hat damit zu tun, dass die neue Bürgermeisterin Mindy Konwitschny (SPD) am Vorabend der Sitzung zum Telefon gegriffen und mit ihm gesprochen hat. Ihr sei der Sachverhalt eigenartig vorgekommen, sagte Konwitschny im Ausschuss. Sie lud Christian Weiher also ein. Und als diesem dort das Wort erteilt wird, erleben die Gemeinderäte dessen bemerkenswerten Auftritt. Weiher sagt, er könne fast nicht glauben, dass keiner Informationen über sein innovatives Boardinghaus habe. Seit 2008 sei er an der Geschichte dran, sagt er, erzählt dann von EU, in Aussicht stehenden Forschungsgeldern für ein "Smart Building"-Projekt und einem Vorzeigebau, der in Sachen Mobilität und Energieversorgung Maßstäbe setze. Weiher spricht von Elektrofahrzeugen, Fahrrädern und E-Bikes und Energie aus Erdwärme und Photovoltaik. Es gehe um den Einsatz neuer Techniken und vor allem darum, diese über "Hunderte von Schnittstellen" zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzuführen.

Die Gemeinderäte sind baff. Unter der früheren Bürgermeisterin drang davon nichts durch. "Wahnsinn, was Sie erzählen", sagt Andrea Hanisch (UB), "ich hab noch nichts davon gehört." Konwitschny rät zu einem "Neustart" und hofft auf "gute Zusammenarbeit". Das Bauvorhaben wurde trotz bleibender Skepsis wegen des Autoaufzugs mehrheitlich gebilligt. Über die Nutzungsänderung des Gebäudes wird im Oktober entschieden. Davor soll Weiher seine Ideen allen ausführlich vorstellen.

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