Es ist zuletzt öfter vorgekommen, dass ältere Frauen seine Metzgerei mit erhobenem Zeigefinger betreten hätten, erzählt Christian Eberl. "Die haben dann geschimpft und gesagt: Was tut ihr uns da an?" Grund für die Beschwerden ist eine Nachricht, die sich in Höhenkirchen-Siegertsbrunn rasch verbreitet hat: Die Metzgerei Eberl an der Rosenheimer Straße, ein Betrieb mit großer Tradition am Ort, schließt am 30. Juni ihre Türen für immer.
Diesen Beschluss habe die Familie Ende Januar getroffen, sagt Christian Eberl. Damals hätten sie entscheiden müssen, ob sie ihren Mietvertrag für den Laden zur Jahresmitte kündigen. Hauptgrund dafür, diesen Schlussstrich zu ziehen, seien die rasant gestiegenen Kosten, sagt der Metzgermeister - vor allem für Strom. So hätte sein Betrieb, nachdem der bisherige Vertrag gekündigt wurde, von Juli an mehr als 8000 Euro monatlich zahlen müssen - dreimal so viel wie derzeit.
"Der Andrang ist zwar immer noch da, aber die Leute kaufen gezielter ein"
Nehme man dazu noch die gestiegenen Kosten für den Einkauf sowie fürs Personal, würde dies Mehrkosten von 10 000 Euro im Monat ergeben, sagt Christian Eberl. "Wir haben gesehen, dass das wirtschaftlich nicht mehr funktioniert. Deshalb wäre die Energie hier am falschen Platz", erklärt der 42-Jährige. Zumal auch der Umsatz zuletzt zurückgegangen sei: "Der Andrang ist zwar immer noch da, aber die Leute kaufen gezielter ein."
Und somit wird in wenigen Wochen einer der traditionsreichsten Läden in Höhenkirchen verschwinden. Bereits seit fast 140 Jahren werden in dem Gebäude an der Rosenheimer Straße Wurst und Fleisch verkauft. 1985 übernahmen Johann und seine Ehefrau Cäzilia Eberl den Betrieb, seit 2009 führen ihn deren Sohn Christian und seine Ehefrau Marianne. "Ich habe hier 14 Jahre lang Vollgas gegeben", betont der Metzgermeister. So stamme das Gros der Wurstwaren aus Eigenproduktion - "98 Prozent", so Eberl, "stellen wir selbst her". Dabei lege man Wert auf regionale Produkte und biete auch Spezialitäten wie etwa Pasteten an, "die man so in keinem Supermarkt bekommt".
Stehen vor der Aufgabe ihres Familienbetriebs: Johann, Cäzilia, Marianne und Christian Eberl (von links).
(Foto: Claus Schunk)Dass es nun mit der Metzgerei und der langen Familientradition zu Ende geht, "tut natürlich ein bisserl weh", gesteht Christian Eberl. Alle seine Beschäftigten hätte bereits neue Jobs gefunden. Wie es bei ihm selbst weitergehen wird, sei dagegen noch offen. "Ich habe meine Fühler in verschiedene Richtungen ausgestreckt", sagt der 42-Jährige. Die Schließung seines Betriebs dürfte derweil auch in der Gemeindepolitik Diskussionen auslösen. Schließlich hatte die örtliche CSU-Fraktion wegen diverser Geschäftsaufgaben erst kürzlich ein "Konzept zur Förderung des örtlichen Einzelhandels" gefordert. Eine Mehrheit im Gemeinderat lehnte dies jedoch ab - mit dem Verweis darauf, dass das Rathaus und der gemeindliche Wirtschaftsförderer bereits entsprechende Ideen entwickelt hätten und mitten in deren Umsetzung seien.
Unabhängig von der speziellen Situation in Höhenkirchen-Siegertsbrunn haben in den vergangenen Jahren landauf, landab Metzgereien das Handtuch werfen müssen. Nach Angaben des Deutschen Fleischer-Verbands gibt es deutschlandweit noch knapp 11 000 Betriebe mit 18 000 Filialen - fast ein Drittel weniger als vor zehn Jahren. Zuletzt haben erst die Corona-Krise und anschließend die Kombination aus Inflation sowie steigenden Energie- und Rohstoffkosten vielen Metzgereien zu schaffen gemacht. Hinzu kommen schon seit Jahren die Konkurrenz durch Discounter und Supermärkte, Personalprobleme sowie ein Rückgang beim Fleischkonsum.
All das hat auch im Landkreis München zu Betriebsaufgaben geführt. Zuletzt musste Ende Januar der Garchinger Metzger Hermann Karl sein Geschäft aufgeben, weil er keinen Nachfolger für den Laden finden konnte. Nun schließt in Höhenkirchen also die nächste Traditionsmetzgerei - allen Protesten seiner Stammkunden und allen Beschwerden der älteren Frauen zum Trotz. "Die fragen mich dann immer, wo sie ab Juli ihre Wurst und ihr Fleisch herkriegen sollen", erzählt Christian Eberl. "Doch das kann ich ihnen auch nicht sagen."