Tier des Jahres:Der Igel soll nicht unter die Räder kommen

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Der europäische Braunbrustigel ist das Tier des Jahres 2024 und in seinem Bestand gefährdet. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Mähroboter stellen eine ernsthafte Bedrohung für Kleintiere dar. Um die Gefahren einzudämmen, fordern Artenschützer ein Nachtfahrverbot. In Höhenkirchen-Siegertsbrunn könnte das nun auf Antrag einiger Gemeinderäte umgesetzt werden.

Von Patrik Stäbler, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Das frisch gekürte Tier des Jahres – der Igel – hat etliche natürliche Feinde. Hierzulande sind dies hauptsächlich Uhus mit ihren langen, kräftigen Krallen sowie Dachse, die mit ihrer besonderen Schnauze sogar eingerollte Stacheltiere wieder entrollen können. Seit einigen Jahren kommt jedoch zunehmend noch eine weitere Bedrohung hinzu für den in Europa beheimateten Braunbrustigel, dessen Bestand in Deutschland stetig abnimmt und der daher seit 2020 auf der Vorwarnliste der Roten Liste für gefährdete Säugetiere steht. Gemeint sind Mähroboter, die für Gartenbesitzer eine praktische Hilfe, für Igel jedoch eine tödliche Gefahr darstellen.

Deswegen hat Köln kürzlich als erste Großstadt ein Nachtfahrverbot für diese Geräte erlassen. Und auch im Raum München gibt es Bestrebungen, die immer beliebter werdenden Mähroboter einzubremsen. „Das Problem ist, dass viele Geräte gerade kleine Igel nicht erkennen“, sagt Christian Hierneis, Vorsitzender der Kreisgruppe München im Bund Naturschutz in Bayern. Da die Tiere bei Gefahr nicht flüchten, sondern sich im Vertrauen auf ihre Stacheln zusammenrollen, würden sie regelmäßig zum Opfer von Mährobotern und ihren rotierenden Klingen.

„Die Igel werden getötet oder schwer verletzt“, sagt Hierneis und zählt weitere Tierarten auf, die ebenfalls durch die Geräte zu Schaden kommen. „Das betrifft beispielsweise auch Kröten, Eidechsen und andere Reptilien.“ Konkret für Igel hat das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung 370 Fälle untersucht, bei denen „elektrische Gartenpflegegeräte“ den Tieren Schnittverletzungen zufügten. Fast die Hälfte von ihnen überlebte demnach nicht, weshalb die Forschenden schlussfolgern: „Die Daten weisen ein ernstes Tier- und Artenschutzproblem für diese besonders geschützten Tiere nach.“

Die Hersteller der Mähroboter, deren Absatzzahlen von Jahr zu Jahr steigen, verweisen in dem Zusammenhang stets auf die immer besser werdende Technik in ihren Geräten – etwa in Form von Sensoren, Radar- und Kamerasystemen oder einziehbaren Klingen. Tatsächlich stellten die Forschenden am Leibniz-Institut fest, „dass einige Modelle Igel verletzen können, während andere für sie unschädlich sind“. Deswegen fordern sie einen wissenschaftlich fundierten und standardisierten Igel-Sicherheitstest für Mähroboter. Und: ein nächtliches Fahrverbot, da Tiere wie der Igel dämmerungs- und nachtaktiv und daher in den dunklen Stunden besonders gefährdet sind.

Mähroboter arbeiten leise und werden deshalb bisher auch gerne nach Einbruch der Dunkelheit eingesetzt, wenn die nachtaktiven Igel unterwegs sind. (Foto: Johannes Simon)

Eine solche Anordnung hat nun die Stadt Köln erlassen. Dort verbietet eine Allgemeinverfügung seit dem 1. Oktober den Betrieb von Mährobotern in der Zeit zwischen einer halben Stunde vor Sonnenuntergang und einer halben Stunde nach Sonnenaufgang. Dies liefere „einen wichtigen und effektiven Beitrag zum Artenschutz, da es eine weitere Gefahrenquelle sowohl für Igel als auch für andere betroffene Wirbeltiere wie Erdkröten und andere Amphibien minimiert“, heißt es in der Begründung der Anordnung. Und weiter: „Da Mähroboter autonom agieren und dabei sehr geräuscharm sind, werden sie häufig auch in der Nacht in Betrieb genommen. Dies stellt eine enorme Gefahr für Igel dar.“

„Aus ökologischer Sicht würden wir sogar ein generelles Verbot von Mährobotern in unserer Gemeinde anstreben.“

Dem Kölner Vorbild sollte auch die Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn folgen – das findet zumindest die Gemeinderatsfraktion der Unabhängigen Bürger (UB). Sie hat einen Antrag auf ein Nachtfahrverbot für Mähroboter im Ort erarbeitet. „Aus ökologischer Sicht würden wir sogar ein generelles Verbot von Mährobotern in unserer Gemeinde anstreben, analog zum Verbot von Steingärten“, heißt es seitens der UB. Schließlich zerstörten die Geräte die Artenvielfalt in den heimischen Gärten und somit in den Siedlungen, argumentiert Otto Bußjäger, der für die Fraktion im Umweltausschuss des Gemeinderats sitzt und für die Freien Wähler im Kreistag. „Mähroboter sorgen für einen Rasen wie auf dem Golfplatz, aber das ist ein toter Rasen.“ Und in Erinnerung an das enorm erfolgreiche Volksbegehren „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern“ betont Bußjäger: „,Rettet die Bienen!‘ beginnt schon beim Gänseblümchen im Garten!“

Tatsächlich warnt auch der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV), dass durch häufiges Mähen und Düngen nur noch die dominanten Gräser im Rasen zurückbleiben. „So werden Blühpflanzen verdrängt und Insekten finden keine Nahrung.“ Zwar seien Rasenmäher diesbezüglich ebenso problematisch wie Mähroboter – „nur werden sie normalerweise deutlich seltener genutzt“, so der LBV. Die automatisierten Geräte hingegen sorgten durch ihren Dauereinsatz für einen „gepflegten englischen Rasen“. Dieser entspreche jedoch einer „Monokultur von Gräsern und spiegelt damit im Kleinformat unsere moderne Landwirtschaft wider, in der Wildtiere kaum noch Nahrung und Lebensraum finden“.

Auch Christian Hierneis vom Bund Naturschutz appelliert daher an Besitzerinnen und Besitzer eines Gartens, diesen zumindest in bestimmten Bereichen verwildern zu lassen. „Man sollte nicht alles durchpflegen, sondern wenigstens in den Ecken die Natur walten lassen.“ Mit Blick auf die Mähroboter empfiehlt er Kommunen, ein Nachtfahrverbot nach dem Kölner Vorbild zu erlassen. Zwar gebe es aktuell Bestrebungen, eine solche Anordnung im Tierschutzgesetz zu verankern und somit zu bundesweiter Gültigkeit zu verhelfen. „Aber im Moment lässt sich noch nicht absehen, bis wann das kommt“, sagt Christian Hierneis. „Deshalb sollten Städte und Gemeinde hier selbst die Initiative ergreifen. Zumal ein Nachtfahrverbot für Mähroboter keine große Einschränkung für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet.“

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