Unwetter:Wintereinbruch mitten im Sommer

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Volksfest im Winter? So wirkt es nach dem Hagelunwetter am Freitagabend in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. (Foto: Claus Schunk)

Über Teile des Landkreises München geht am Freitagabend ein heftiges Hagelunwetter nieder, das besonders Höhenkirchen-Siegertsbrunn erwischt, wo Hunderte Menschen in einem Bierzelt Schutz suchen.

Von Lars Brunckhorst, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Auch zwei Tage danach stehen die Menschen in Höhenkirchen-Siegertsbrunn noch unter dem Eindruck des „Jahrhundert-Unwetters“, wie es Bürgermeisterin Mindy Konwitschny (SPD) am Sonntag nennt. Kein Wunder: Die Spuren des Hagelunwetters, das am Freitagabend über die Gemeinde hinwegfegte, sind noch gut zu sehen: zerstörte Felder, entlaubte Bäume, beschädigte Hausdächer. „Manche Landwirte haben hundert Prozent ihrer Ernte verloren“, sagt die Rathauschefin. „Aber wir sind froh, dass kein Mensch zu Schaden gekommen ist.“ Und weil alle in der Gemeinde zusammen geholfen und anderntags aufgeräumt hätten, konnte am Sonntag auch der traditionelle Leonhardi-Ritt wie gewohnt vonstattengehen.

Kurz nach Eröffnung des Leonhardi-Fests geht über dem Festgelände in Höhenkirchen-Siegertsbrunn ein schweres Hagelunwetter nieder. (Foto: Claus Schunk)

Das Unwetter, das am Freitagabend gegen 21 Uhr über den Münchner Südosten niederging, erwischte vor allem die Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn, wo zu diesem Zeitpunkt das Leonhardi-Fest begann und Hunderte im Bierzelt und auf der Festwiese feierten. Augenzeugen berichteten, wie zunächst eine dunkle Wolkenwand am Himmel aufzog. Aus dieser ging zunächst ein heftiger Regen nieder. Dann folgte Hagel. Die Menschen suchten daraufhin Schutz im Zelt, wo sie bange Minuten verlebten und verfolgten, wie der Hagel immer bedrohlicher auf die Zeltplanen trommelte. Kinder weinten.

Die Besucher suchen im Bierzelt Schutz. (Foto: Claus Schunk)

Sie habe die Anspannung gespürt, sagt Bürgermeister Konwitschny am Sonntag, weshalb sie sich entschied, auf die Bühne zu steigen, das Mikrofon zu ergreifen und beruhigend zu den Besuchern zu sprechen. „Als Bürgermeisterin erhalte ich ja mehr Informationen, und so wusste ich, dass es draußen gar nicht gut ist und die Leute besser im Zelt bleiben.“ Mitglieder des Burschenvereins hatten schnell alle Öffnungen und Notausgänge geschlossen, als der Hagelsturm ins Zelt blies, so habe das Zelt dem Sturm keine Angriffsfläche geboten und standgehalten, erklärt die Bürgermeisterin, die den Burschenverein als Ausrichter des Fests lobt: „Die Burschen haben das Zelt top aufgebaut.“ Dass die vielen hundert Menschen im Zelt ruhig blieben, dazu trug nach Ansicht von Konwitschny auch die Kapelle bei, die weiter Musik spielte. „Es war wie auf der Titanic“, schildert ein Augenzeuge.

Mitglieder des Burschenvereins dichten das Zelt ab. (Foto: Claus Schunk)
Bürgermeisterin Mindy Konwitschny beruhigt die Anwesenden im Zelt. (Foto: Claus Schunk)
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Als das Unwetter nach etwa einer Viertelstunde abflaute, stand der Hagel im Umkreis des Festgeländes mehrere Zentimeter hoch, mancherorts sogar fast bis zu einem halben Meter, wie Berichten in Sozialen Medien zu entnehmen ist, in denen zahlreiche Videos geteilt wurden. Schneeräumfahrzeuge waren im Einsatz, rund um Höhenkirchen-Siegertsbrunn herrschte eine Winterlandschaft – mitten im Juli.

Als das Unwetter abgeflaut ist, versuchen Festbesucher nach Hause zu kommen. (Foto: Claus Schunk)

Auch andere Teile des Landkreises München wurden von dem Unwetter erwischt, so etwa Straßlach-Dingharting und Brunnthal. In wenigen Minuten gingen mehr als 200 Notrufe in der Feuerwehreinsatzzentrale im Landratsamt ein. Wegen der Unwetterwarnungen war das Personal in der Einsatzzentrale vorsorglich aufgestockt worden. Wie die Kreisbrandinspektion in ihrer Einsatzbilanz am Sonntag mitteilte, mussten vor allem vollgelaufene Keller ausgepumpt und umgestürzte Bäume von Straßen beseitigt werden, teilweise wurden Dächer abgedeckt. „Die Ortsdurchfahrt Brunnthal glich einem Bach“, heißt es im Einsatzbericht der Kreisbrandinspektion. Insgesamt gab es mehr als 300 Einsätze.

„Es war eine lange Nacht beziehungsweise keine Nacht“, sagte Höhenkirchens Feuerwehrkommandant Christoph Pöttinger am Samstag in einer Einsatzpause. 250 Feuerwehrkräfte waren im Einsatz, unterstützt wurden sie von Landwirten mit schwerem Gerät. Menschen, so der Stand am Sonntag, wurden glücklicherweise nicht verletzt, der Schaden, den das Unwetter hinterlassen hat, kann bisher nicht beziffert werden.

Das Unwetter ereignete sich am Jahrestag der Hagelkatastrophe von 1984

Das Unwetter ereignete sich genau am Jahrestag der Hagelkatastrophe von 1984. Am 12. Juli vor 40 Jahren war ebenfalls über den Südosten Münchens eine Hagelwalze hinweg gefegt. Damals waren Hunderte Menschen verletzt, Zehntausende Häuser und Hunderttausende Autos beschädigt sowie Bäume und Felder verwüstet worden.

Am Sonntag findet der traditionelle Ritt statt - als wäre nichts gewesen. (Foto: Robert Haas)

Ganz so schlimm war es dieses Mal nicht: Als in Höhenkirchen-Siegertsbrunn am Sonntag der Leonhardi-Ritt mit mehr als hundert Reitern und Pferden stattfanden, säumten Tausende Zuschauer den Weg rund um die Kirche St. Leonhard, als wäre nichts gewesen. „Es war wieder schön und voll“, freute sich nicht nur die Bürgermeisterin. „Und ein tolles Wetter.“

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